Mehrere Monate nach dem Tarifabschluss bei der Deutschen Bahn hat sich mehr als jeder zweite Mitarbeiter für mehr Urlaubstage statt mehr Geld entschieden. Die Einigung zwischen der Bahn und den Gewerkschaften EVG und GdL hatte den Beschäftigten diese Wahlmöglichkeit offen gelassen. Nun entschied sich mehr als die Hälfte (56 Prozent) für sechs zusätzliche Urlaubstage vom Januar 2018 an, wie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mitteilte. Knapp 41 Prozent der Mitarbeiter wählten stattdessen 2,62 Prozent mehr Geld.
„Das Votum der Beschäftigten ist eine deutliche Entscheidung für mehr freie selbstbestimmte Zeit“, sagte die stellvertretende EVG-Vorsitzende Regina Rusch-Ziemba. Die Kollegen wollten selbst entscheiden, was für sie gerade richtig sei. Und das sei nicht immer Geld.
Um Mehrbelastung für die Belegschaft durch die zusätzlichen Urlaubstage zu verhindern, müsse die Bahn nun rund 3000 Mitarbeiter neu einstellen, forderte die EVG. Die DB bestätigte diese Zahl nicht.
Was der neue Bahnchef Lutz jetzt angehen muss
2016 wurde das Ziel knapp verfehlt, dass 80 Prozent der Fernzüge pünktlich sein sollen - wobei die „Unpünktlichkeit“ nach Bahn-Definition erst sechs Minuten nach der Fahrplanzeit beginnt. Langfristiges Ziel sind 85 Prozent. Dafür ist einiges angeschoben, etwa Störungssensoren für Weichen und besser gebündelte Bauvorhaben. Und die Türen schließen jetzt 20 Sekunden, bevor der Uhrzeiger auf Abfahrtzeit springt.
Immer mehr Bahnsteige erhalten mehrzeilige Zuganzeiger, damit Kunden früher sehen, ob sie richtig stehen. 108 Bahnhöfe bekommen bis 2020 neue „DB Information“-Stände, wo es neben persönlicher Beratung Selbstbedienungsschalter gibt. Die Reiseauskunft per Internetseite und App wird mit aktuellen Verkehrsdaten gefüttert, um schnell entscheiden zu können. Auch die zweite Klasse im ICE hat kostenloses WLAN erhalten.
Immer mehr Fernzüge kommen zum „Reset“, einer Grundreinigung mit Reparaturen und teils Sitzaustausch. Nach und nach löst der neue ICE4 ältere ICE-Züge auf den wichtigen Strecken ab. Zusätzliches Geld fließt, um große Bahnhöfe besser zu putzen, Sensoren sollen Störungen an Fahrstühlen und Rolltreppen melden.
Niedrige Spritpreise, Billigflieger und Fernbusse haben es dem Fernverkehr lange schwer gemacht. Zuletzt fuhren aber wieder Menschen mit ICE- und Intercity, vor allem weil es mehr Sparpreis-Fahrscheine gibt. Bei der Bilanzvorlage am Donnerstag wird Lutz verkünden, dass der Umsatz im Fernverkehr vergangenes Jahr um rund 100 Millionen Euro auf mehr als vier Milliarden Euro gewachsen ist. Schub dürfte auch die neue Verbindung Berlin-München bringen, die der neue Chef im Dezember eröffnet. Fahrtzeit: vier Stunden.
Ideen sind notwendig im Regionalverkehr, wo sich Bahn zuletzt bei Ausschreibungen immer mal wieder geschlagen gegeben musste, weil Konkurrenten günstiger waren. Im vergangenen Sommer lag der Bahn-Marktanteil am Regionalverkehr noch bei 70,8 Prozent.
DB Cargo ist seit Jahren ein Sanierungsfall. Abgesehen von Gütern wie Eisenerz und Kohle sind viele Transporte kleinteilig, es mangelt an Effizienz. Der Marktanteil sank auf 60,9 Prozent im vergangenen Sommer. 2016 gaben Umsatz und Transportleistung noch einmal nach. Ein eigener Vorstand soll den Sanierungsplan durchziehen.
Der Bau des Tiefbahnhofs und der Tunnelstrecken in und um Stuttgart bleibt ein Termin- und Kostenrisiko. Platzt der Rahmen von 6,7 Milliarden Euro, droht Streit darum, wer die Mehrkosten finanziert. In der Bahn-Führung liegt das Projekt bei Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla, dem Ambitionen auf den Chefposten nachgesagt wurden.
Lutz steht auch für einen bis Mitte 2016 auf 18,1 Milliarden Euro gestiegenen Schuldenberg. Der Bahn-Eigentümer Bund kündigte im September an, dem Unternehmen in den kommenden vier Jahren 2,4 Milliarden Euro extra für Züge und Technik zur Verfügung zu stellen.
Am Tag vor Lutz' Wahl forderte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aber auch dringend, dass die Finanzsituation stabilisiert werde. Hier steckt Lutz in einer Zwickmühle. Als er vor einem Jahr tiefrote Zahlen präsentierte, sagte er: „Qualität mag Geld kosten. Aber Nichtqualität würde Kunden und damit die Zukunft kosten.“
Zunächst müsse die Situation in den einzelnen Betrieben untersucht werden, um festzustellen, wie viele Neueinstellungen tatsächlich notwendig seien. „Wir werden selbstverständlich dort, wo erforderlich, zusätzliche Mitarbeiter einstellen“, sagte Sigrid Heudorf, Leiterin Beschäftigungsbedingungen bei der Bahn.
Rund 130.000 Mitarbeiter konnten sich individuell bis Ende Juni zwischen mehr Geld, mehr Urlaub oder einer kürzeren Wochenarbeitszeit entscheiden. Auch die Mitglieder der kleineren Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die mit der EVG konkurriert, konnten abstimmen. Bahn und EVG hatten sich im Dezember 2016 auf einen Tarifabschluss geeinigt, an dem sich auch der Vertrag zwischen dem Staatskonzern und der GdL vom März 2017 orientiert.