WirtschaftsWoche: Herr Zahn, Sie haben gerade für 655 Millionen Euro 3900 Wohnungen in Berlin gekauft. Ist der Preis nicht zu hoch? Sie zahlen fast 2400 Euro pro Quadratmeter – beim Kauf der GSW vor drei Jahren waren es weniger als 1000 Euro.
Michael Zahn: Berlin ist eine unglaublich attraktive Stadt und seit Jahren Sehnsuchtsort für Menschen aus aller Welt. Auch deshalb sehen wir eine dynamische Preisentwicklung am Berliner Immobilienmarkt. In Anbetracht dieser Entwicklung und der Qualität, die wir erwerben, haben wir für unsere neueste Akquisition einen sehr fairen Preis bezahlt.
Vor neun Monaten haben Sie noch gesagt, Übernahmen seien als Thema nicht mehr so relevant. Da haben Sie Ihre Meinung ja ziemlich schnell geändert.
Das Angebot ist knapp und die Preise werden weiter steigen. Trotzdem: Wir nutzen weiterhin jede Gelegenheit – wenn es eine gute ist. Aber eine Transaktion, wie wir sie jetzt durchgeführt haben, kann man nicht planen. Der Markt ist nicht mehr so berechenbar wie früher.
Zur Person
Zahn, 53, studierte in seiner badischen Heimat – in Freiburg im Breisgau – Volkswirtschaft. 1997 kam er zu kommunalen Berliner Wohnungsgesellschaft Gehag. Durch deren Privatisierung kam Zahn zum heute zweitgrößten deutschen Vermietungskonzern Deutsche Wohnen, der er seit 2007 führt.
Wird Berlin, wo Sie zwei Drittel ihres Portfolios haben, nicht zum Klumpenrisiko?
Wir sind zu fast hundert Prozent auf Wachstumsmärkte ausgerichtet. Das ist unsere Zukunftsperspektive. Die Aussichten für den Berliner Wohnungsmarkt sind weiterhin positiv. Die Chancen überwiegen. Deshalb werden wir auch weiterhin in unser Portfolio investieren und werden bei entsprechender Gelegenheit auch weiter akquirieren. Wir glauben an Berlin.
Aber Sie legen sich massiv mit der Politik an, seit in Berlin Rot-Rot-Grün regiert. Macht Ihnen die Politik das Geschäft kaputt?
Mit der Rot-Rot-Grünen Landesregierung ist ein gewisser Staatsdirigismus salonfähig geworden. Die Rolle der Privaten – ob in der Wohnungswirtschaft, der Energieversorgung oder anderen Wirtschaftsbereichen – wird ganz grundsätzlich kritisch gesehen. Das ist für die Stadt leider kontraproduktiv. Wir stehen, trotz aller Unterschiede im Detail und im Tonfall, als Partner für die Stadt zur Verfügung. Das Geschäft wird uns nicht kaputt gemacht, aber der öffentliche Schlagabtausch bringt niemanden etwas.
Macht das den Investoren nicht Sorgen? Wird die Aktie darunter leiden?
Natürlich sind unsere Aktionäre teilweise über die Diskussionen in Deutschland überrascht. Die massiven Eingriffe der Politik in den Markt werden nicht verstanden, weil sie das eigentliche Problem, die Unterversorgung mit Wohnungen, nicht beheben.
Den Berliner Mietspiegel bezeichnen Sie als Bullshit.
Nicht den Berliner Mietspiegel, sondern das Ergebnis der letzten Erhebung habe ich kritisiert. Generell sieht die Politik es natürlich nicht gerne, dass wir sagen, der Mietspiegel sei nicht qualifiziert. Zu behaupten, dass er wissenschaftlich ist, wäre so, als wenn der IOC-Präsident von sauberen olympischen Spielen spricht. Für die Mietpreisbremse sollte man nicht den Mietspiegel heran ziehen. Aber genau das wird getan.
Im Mai kommt der neue Mietspiegel...
...und der wird handwerklich nicht besser. Die Politik und Mietervertreter hier in Berlin werden alles daran setzen, um mietpreisdämpfend zu wirken. Wenn zum Beispiel der Senat seinen kommunalen Unternehmen vorschreibt, wie sie die Mieten entwickeln und an wen sie vermieten müssen – und jede fünfte der Berliner Wohnungen gehört kommunalen Unternehmen – ist das dann noch Markt? Der Mietspiegel ist an sich ein hilfreiches Instrument, aber er wird mit politischen Zielen überfrachtet.
Wo waren Sie am 15. Februar? Da haben Sie Ihre Kommunikationschefin zur Anhörung in den Bauausschuss geschickt, anstatt selber hinzugehen. Von der Politik wurde als Affront empfunden.
Ich war auf einer zweitägigen Klausurtagung mit einem Partnerunternehmen.
Es sah trotzdem aus, als würden Sie kneifen.
Wie auch bei den vorherigen Einladungen in den Ausschuss, wollte ich persönlich erscheinen. Ich habe drei Alternativtermine unterbreitet, da ich an diesem Tag nicht konnte. Eine Verlegung der Anhörung wäre inhaltlich einfach möglich gewesen, aber die Regierungsfraktionen wollten nicht. Für mich liegt nahe, dass sie die Absage für eigene Zwecke nutzen wollten.
Sie haben in Berlin auch immer mehr Ärger mit Ihren Kunden. Die beschweren sich in Zeitungsberichten über Missstände in den Wohnungen, die erst nach vielen Anrufen und öffentlichem Druck beseitigt werden.
Unser Wohnungsbestand ist im Schnitt 70 bis 80 Jahre alt, beim Energieverbrauch aber besser als der Bundesdurchschnitt. Trotzdem ist richtig, dass wir uns weiter verbessern können und müssen. Das gilt für den Kundenservice genauso wie stellenweise für die Qualität unseres Portfolios. Der Start in die Heizperiode ist jedes Jahr ein Gewaltakt und logistisch eine riesige Herausforderung. Leider waren wir im zurückliegenden Winter nicht immer in der Lage, unsere Wohnungen mit Wärme zu versorgen. Dafür entschuldigen wir uns bei unseren Mietern.
Wenn sich das jedes Jahr wiederholt, wieso haben Sie nicht vorgesorgt?
Wir hatten anfänglich Probleme im Zusammenspiel mit unserem Dienstleister. Abhilfe soll nun durch einen Dienst, der 24 Stunden im Einsatz ist, geschaffen werden. Wir haben zwei Wochen gebraucht, bis wir logistisch in der Lage waren, die aufgetretenen Probleme besser zu managen. Das Thema haben wir jetzt im Griff, auch wenn teilweise noch Anlagen im Notbetrieb laufen. Natürlich arbeiten wir mit Hochdruck an der Erneuerung der störanfälligen Anlagen und an der Optimierung der Prozesse mit unserem Dienstleister.
Die öffentliche Wahrnehmung ist aber ein Desaster.
Ich stimme Ihnen zu, wir werden hier unserem eigenen Anspruch nicht gerecht. Dem stellen wir uns. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, wir machen alles zur vollsten Zufriedenheit. Aber ich weiß, dass wir nächstes Jahr zu Beginn der Heizperiode gut vorbereitet sein werden. Auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war das eine schwierige Situation, weil es nicht ihre Leistung und ihr Engagement widerspiegelt.
Wenn Sie da angreifbar sind, wie klug ist dann Ihre Rolle als Bad Guy? Sie klagen – auch in Berlin – gegen Kunden, die Mietsteigerungen überhöht finden und nicht zahlen wollen.
Eine Klage ist für uns immer das letzte Mittel, unterschiedliche Rechtspositionen zu klären. Aber meist versuchen wir, mit dem Mieter andere Lösungen zu finden. Zum überwiegenden Teil gelingt das. Wenn in der juristischen Auseinandersetzung gerichtliche Gutachten bestellt werden, wird unsere Position fast immer bestätigt. Verglichen mit der Größe unseres Bestandes verlieren wir relativ wenige Prozesse.
Angeblich haben Sie aber kaum welche gewonnen.
Man einigt sich ja meist vorher. Über 90 Prozent unserer Mieter haben den Mieterhöhungen auf Basis des Mietspiegels zugestimmt, als der aktuelle Mietspiegel vor zwei Jahren vorgelegt wurde. Die Aussage, die Deutsche Wohnen halte sich nicht an den Mietspiegel, ist falsch. Wir setzen uns nur kritisch mit ihm auseinander – und das öffentlich und seit Jahren. Bei Modernisierungen erreichen wir am Ende noch höhere Zustimmung, weil wir uns hier an die Regeln halten, wie die Anerkennung finanzieller und sozialer Härtefälle.
Warum bauen Sie in Potsdam, aber nicht in Berlin?
Wir bauen in beiden Städten, aber in Berlin ist die Zusammenarbeit mit den Behörden deutlich zäher. Wir bedienen Mittelschicht, also Haushalte, die ihre Miete selbst bezahlen können. Wichtig für die Städte ist, dass der private Wohnungsbau in Gang kommt. Berlin macht es sich schwer, indem die Stadt immer neue Anforderungen an Investoren formuliert. So sollen nur beim Neubau 30 Prozent der Wohnfläche für sozial Bedürftige reserviert werden. Das erhöht die Miete für die Übrigen Wohnungen und kann im Zweifelsfall ganze Projekte unwirtschaftlich machen. So löst man die Wohnungsknappheit nicht.
Wollen Sie denn zur Lösung beitragen?
Unser Fokus gilt Personenhaushalten mit mittlerem Einkommen. Wir sehen uns weder im sozialen Wohnungsneubau noch im Hochpreissegment. Wir bieten damit genau das, was gesucht wird, Mietwohnungen für die urbane Mittelschicht, nachhaltig gebaut beziehungsweise modernisiert.
Würden Sie in einer der Wohnungen, die sie vermieten, selber wohnen wollen?
Da fallen mir viele Wohnlagen und Siedlungen ein, in denen ich wohnen würde. Sie wissen, dass wir in Berlin ganz einzigartige UNESCO-Welterbe-Siedlungen besitzen. Die Wohnqualität dort ist hervorragend.
Warum haben Sie die Zentrale noch in Frankfurt?
Faktisch und steuerrechtlich ist Berlin schon längst unser Sitz. Wir haben die Mehrzahl unserer Beschäftigten und den überwiegenden Teil unserer Wohnungen in der Hauptstadt. Schön wäre es, wenn wir die Dialogkultur mit der Landesregierung und den politischen Gremien verbessern könnten. Wenn dann alles gut zusammen passt, was längst zusammen gewachsen ist, verlegen wir gerne unseren Sitz nach Berlin.
Wenn Deutschland wie Berlin eine rot-rot-grüne Regierung kriegen sollten,...
...dann wird es für die Branche und die Wirtschaft insgesamt hart. Aber wenn Rot-Rot-Grün kommen sollte, werden wir natürlich damit umgehen müssen.