Mobilfunk So kompliziert wird der Kauf von Prepaid-Karten

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Acht bis neun Millionen Prepaid-Karten pro Jahr

Die meisten der acht bis neun Millionen verkauften Prepaid-Karten pro Jahr werden in Supermärkten, Drogeriemärkten und Tankstellen verkauft. Der Discounter Aldi schaffte es mit „Aldi Talk“ sogar, zum Marktführer bei Prepaid-Karten aufzusteigen – mit geschätzt sieben bis acht Millionen Nutzern.

Solch hohe Verkaufszahlen sind künftig kaum noch erreichbar. Die Drogeriemarktkette Rossmann wagt schon jetzt die Prognose, dass sie künftig weniger Prepaid-Karten loswerden: „Es wird Umsatzrückgänge geben.“ Andere Filialisten halten solche Prognosen für „Spekulation“.

Händler, die auch in Zukunft Prepaid-Karten anbieten wollen, müssen sicherstellen, dass die Käufer identifiziert werden. Gesetzeskonform umgesetzt, dürfte dieses Verfahren drei bis fünf Minuten in Anspruch nehmen – und damit die Warteschlangen an den Supermarktkassen dramatisch verlängern. Das wollen die Handelsketten aber weder den Kassierern noch den Kunden zumuten. „Wir werden auf keinen Fall eine Identifizierung an der Kasse vornehmen“, haben der Drogeriefilialist Rossmann und die Supermarktkette Kaufland bereits entschieden.

Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt

Als Alternative empfiehlt die Bundesnetzagentur den Einsatz einer Videoidentifikation per Internet. Die Käufer von Prepaid-Karten müssten dann – etwa zu Hause am PC – eine Videoschaltung zu einem Identitätsprüfer aufbauen. Spezialfirmen wie WebID Solutions oder IDnow, aber auch der größte Callcenter-Anbieter in Deutschland – die Bertelsmann-Tochter Arvato – bieten solch einen Service an. „Wir sind mit fast allen Mobilfunkanbietern im Gespräch, damit eine praktikable Lösung zustande kommt“, sagt WebID-Geschäftsführer Frank Jorga.

Bei diesem Videocheck halten die potenziellen Kunden ihr Gesicht und ihren Ausweis vor die Kamera – zum Beispiel ihres PCs zu Hause. Auf der Gegenseite sitzen Spezialisten, die das Live-Bild mit dem Passfoto vergleichen und Kontrollfragen wie zum Beispiel nach dem Geburtsdatum stellen. Profitabel können die Spezialfirmen diesen Service nur anbieten, wenn sie pro Video-Check zwischen drei und vier Euro in Rechnung stellen. Bei Einstiegspreisen von 9,95 Euro pro Sim-Karte und einem Startguthaben von zehn Euro lohnt sich für die Mobilfunkanbieter das Prepaid-Geschäft dann nur noch, wenn sie die Tarife erhöhen.

Der Mobilfunker Freenet geht bereits einen Schritt weiter und will in seinen Mobilcom-Debitel-Shops abgeschirmte Video-Terminals aufstellen. Prepaid-Kunden sollen dort sofort ihre neu erworbene Karte freischalten können.

In die gleiche Richtung gehen auch die Elektromärkte Mediamarkt und Saturn. Sie haben in ihren Filialen bereits Kassen, an denen beratungsintensive Geschäfte wie Ratenkredite abgewickelt werden. Dort wäre der ideale Platz für ein Video-Terminal, damit Prepaid-Kunden sofort ihre Karte freischalten können, meint ein Filialleiter.

Ob der Aufwand im Sinne der Sicherheit lohnt, bleibt hingegen fraglich. Die Ausweispflicht wird nur in Deutschland, nicht in der EU eingeführt. Viele Länder – zum Beispiel Österreich, die Niederlande und Rumänien – ziehen bisher nicht mit. Kriminelle können die deutschen Sicherheitsbehörden ganz einfach mit Prepaid-Karten aus diesen Ländern austricksen und die verschärften Vorschriften ins Leere laufen lassen.

Für den Düsseldorfer Händler Akgül verfehlen die neuen Regeln ohnehin ihr Ziel. „Es wird ein neuer Markt für gebrauchte Prepaid-Karten entstehen“, prophezeit der Karttel-Geschäftsführer. „Freigeschaltete Sim-Karten werden dann anonym unter der Hand gegen Bares verkauft.“ Die Sicherheitsbehörden wissen dann auch nach dem 1. Juli nicht, wer dann letztlich die Sim-Karte in sein Smartphone steckt.

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