Mobilfunk So kompliziert wird der Kauf von Prepaid-Karten

Verschärfte Anti-Terror-Gesetze verbieten ab Juli den Verkauf anonymer Prepaid-Karten. Shops und Supermärkten droht ein Umsatzeinbruch - und Verbrauchern eine Geduldsprobe.

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Terrorismus-Abwehr: Prepaid-SIM-Karten gibt es bald nur noch mit Personalausweis. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Geschwister Elif und Idris Akgül sind so etwas wie die Prepaid-Könige von Düsseldorf. Elif betreibt den kleinen Handy-Shop „Basic Mobile“. Nur 200 Meter vom Hauptbahnhof entfernt, ist ihr Laden eine der ersten Anlaufstationen für Migranten und Touristen, die Auslandsaufschläge für ihr Smartphone sparen und ihre heimische Sim-Karte sofort gegen eine preiswerte deutsche Prepaid-Karte austauschen wollen. Idris ist Geschäftsführer des Mobilfunk-Großhändlers Karttel GmbH, der über 200 Handy-Shops mit solchen Prepaid-Karten beliefert.

Bisher laufen die Geschäfte der beiden Mobilfunkhändler prächtig. 30 bis 40 Starter-Sets verkauft Elif Akgül jeden Tag in ihrem „Basic“-Shop. Bis Juni wird der Absatz wahrscheinlich sogar noch steigen. Insbesondere in den Tagen vor dem 1. Juli erwartet sie noch viele Kunden, die sich in letzter Sekunde mit freigeschalteten Prepaid-Karten eindecken. Bei Prepaid-Karten telefonieren die Kunden einen zuvor eingezahlten Betrag einfach ab und müssen keinen Vertrag mit einem Mobilfunker abschließen.

Die Bundesregierung aber will nicht länger zusehen, wie Kriminelle und Terroristen anonym oder mit falschen Identitäten Prepaid-Karten kaufen, um mit ihnen Straftaten zu koordinieren.

Prepaid-Markt in Deutschland

Ab Juli müssen deshalb Käufer solcher Prepaid-Karten einen Personalausweis vorlegen und ihre Identität ein zweites Mal nachweisen, wenn sie die Karten freischalten lassen. Mit „großer Sorge“ blicken die Geschwister Akgül deshalb auf das zweite Halbjahr. Aus dem langjährigen Bestseller, den Kunden quasi im Vorbeigehen kaufen können, wird dann ein streng reglementiertes Produkt.

20 Jahre lang konnten Internet-Shops, Kioske, Supermärkte und Tankstellen die Prepaid-Karten quasi ohne Ausweispflicht verkaufen, so einfach wie Zigaretten oder Schokoriegel. Für die Mobilfunkbetreiber war Prepaid Teil des Erfolgsmodells, das den Weg zum Massengeschäft erst ebnete und für rasant wachsende Kundenzahlen sorgte.

Bereits 1997 startete der Mobilfunker E-Plus, inzwischen vom Konkurrenten Telefónica geschluckt, mit der „Free & Easy Card“ für vertragsscheue Gelegenheitstelefonierer und versprach insbesondere Schülern und Studenten die volle Kostenkontrolle, ohne Grundgebühren, Vertragslaufzeiten, Mindestumsätze und Bonitätsprüfungen. Handelsketten wie Tchibo, Aldi (Aldi Talk), Rewe (ja!mobil), Rossmann und Kaufland griffen die Idee auf und nahmen sogar eigene Prepaid-Karten in ihr Sortiment auf. Knapp 70 Millionen Prepaid-Karten waren zeitweise in Deutschland aktiviert. Heute sind es noch knapp 60 Millionen. In fast jedem zweiten der 130 Millionen Mobilanschlüsse steckt eine Prepaid-Karte.

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Die Prepaid-Erfolgsformel „einfach und schnell“ wird es ab Juli in Deutschland nicht mehr geben. Die Sicherheitsbehörden wollen dann wissen, ob der Käufer auch tatsächlich der spätere Nutzer ist. „Der Kauf einer Prepaid-Karte wird ab Juli komplizierter als der Abschluss eines Mobilfunkvertrages“, sagt Karttel-Chef Akgül und prophezeit: „Der Absatzeinbruch wird so groß sein, dass viele Shops das nicht überleben.“

Der doppelte Identitätscheck soll vor allem den Missbrauch von Prepaid-Karten eindämmen. Kriminelle und Terroristen kauften bisher auf Vorrat in größeren Mengen vorausbezahlte Prepaid-Karten. Nach jedem Anruf schieben sie eine neue Prepaid-Karte ins Handy. So können sie Straftaten oder Anschläge vorbereiten, ohne dass die Gespräche von Sicherheitsbehörden abgehört werden. In Ungarn hatten Hintermänner der Terrormiliz „IS“ im Namen eines verstorbenen Obdachlosen 200.000 Prepaid-Karten gekauft. Einzelne Karten aus dieser Tranche fanden die Ermittler nach den Anschlägen in Paris und Brüssel in den Taschen der erschossenen Terroristen.

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