Post-Chef Frank Appel "Was macht Amazon anders als wir? Nichts!"

Als Post-Chef entscheidet Frank Appel über 500.000 Mitarbeiter weltweit. Werden die bald schon von Robotern ersetzt? Und wie führt man so eine Masse? Ein Gespräch über Disruption, Fehlentscheidungen und Ehrgeiz.

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DHL-Chef Frank Appel im Interview mit der WirtschaftsWoche. Quelle: Claudia Kempf für WirtschaftsWoche

Wer wissen will, was Frank Appel für die Deutsche Post erreicht hat, muss einen Blick in seine Vitrine werfen. In einer Ecke seines Büros im Bonner Post-Tower verwahrt er hinter Glas Andenken und Auszeichnungen. Der selbst gebaute DHL-Laster aus Holz, ein Geschenk von Mitarbeitern in Nigeria, steht über einem Glaspokal zum zehnjährigen Börsenjubiläum. Doch die Vitrine zeigt nur die Vergangenheit. Nach Drohnen, Elektroautos oder Paketkästen sucht man vergeblich. Dafür steht zwischen Zertifikaten und Modellflugzeugen noch ein goldener Staffelstab, der zum Start des mittlerweile gescheiterten IT-Projekts New Forwarding Environment überreicht wurde. 345 Millionen Euro kostete das die Post. „Oh“, sagt Appel nur. „Den sollte ich vielleicht mal rausnehmen. Aber der gehört eben auch zur Unternehmensgeschichte.“ Im Interview spricht er lieber über die Zukunft.

Herr Appel, sind Sie des Begriffs Disruption, gemeinhin gebraucht für die Zerstörung von Geschäftsmodellen durch neue digitale Angebote, schon überdrüssig?

Nein, das würde ich nicht sagen. Warum auch? Wir befinden uns an einem sehr interessanten Punkt der wirtschaftlichen Entwicklung. In den vergangenen 20 Jahren haben wir im volkswirtschaftlichen Maßstab keinen wesentlichen Produktivitätsfortschritt mehr gesehen. Aber das könnte sich jetzt ändern, und zwar zum Besseren. Weil Dinge möglich werden, die früher nicht denkbar waren.

Zur Person

Zum Beispiel?

Ich habe kürzlich einen Vortrag von Forschern gehört, die sich damit beschäftigen, Wärme aus der Luft in Energie umzuwandeln. Damit könnte man sein Handy in Zukunft durch die eigene Körperwärme oder einfach die Wärme in der Luft aufladen. Das wäre natürlich genial.

Dann glauben Sie an einen Effizienzschub durch die Digitalisierung? Bisher haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt.

Wir spüren diesen Schub schon. So arbeiten wir zum Beispiel an einem Pilotprojekt mit Datenbrillen, den sogenannten Smart Glasses. Dabei werden unseren Mitarbeitern auf einer Brille Informationen eingeblendet, wo sie das gesuchte Produkt im Lager finden. Wir haben im Test bis zu 25 Prozent mehr Produktivität erreicht. Diese Technologie wird jetzt bei uns an sechs weiteren Standorten weltweit getestet. Die Datenbrillen könnte man aber auch in einer Autowerkstatt nutzen. Sie könnte dem Mechaniker vorschlagen, welche Schraube er zuerst lösen sollte.

Dann stiehlt uns die Digitalisierung nicht unsere Jobs, sondern bringt uns Wohlstand und bessere Arbeit?

Ich glaube, dass in der Digitalisierung eine gewaltige Chance liegt, auch wenn Jobs im Übergang verloren gehen können. Einige Berufsbilder werden wegfallen, das war auch schon in der Vergangenheit so. Das macht natürlich Angst, aber der technologische Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Wir müssen überlegen, wie wir ihn nutzen können, um menschliche Arbeitskraft möglichst wertstiftend einzusetzen. So können auch neue Arbeitsplätze entstehen. Es wäre doch sinnvoll, wenn ein Mensch, anstatt an einem Fließband Handys zusammenzusetzen, Kinder betreut oder alte Menschen pflegt. Dafür sind wir eigentlich da, wir sind soziale Wesen.

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Bisher allerdings spüren wir nur ein Auseinanderdriften der Gehälter.

Weil jemand, der 20 Euro verdient und davon 50 Prozent Steuern und Abgaben zahlt, nicht noch 20 Euro für eine Dienstleistung bezahlen kann. Deshalb brauchen wir auch eine Produktivitätssteigerung bei Dienstleistungen, und die lässt sich durch Technologien wie Datenbrillen oder Big Data erreichen. Wenn es diese Fortschritte nicht gibt, wird es auch nichts zum Umverteilen geben, dann fällt das Wirtschaftswachstum aus. Und das führt dazu, dass immer mehr Menschen weniger verdienen.

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