Serdar Somuncu

Air Berlin mutiert zur Fluchgesellschaft

Wenn sich schon ein Rüpel-Rapper wie Bushido über den Service bei Air Berlin beschwert, kann das Ende nicht mehr weit sein.

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Serdar Somuncu ist Kabarettist und Buchautor. Quelle: Laif

Was geht eigentlich gerade bei Air Berlin ab? Unpünktlich, unzuverlässig, unberechenbar. Deutschlands zweitgrößte Airline mutiert zur Fluchgesellschaft. Selbst hartgesottene Traveller wie der Rüpel-Rapper Bushido beschweren sich über den katastrophalen Service und unzumutbare Reisebedingungen.

Dabei fing alles so gut an. Als Joachim Hunold 1991 die Air Berlin GmbH gründete, war der Markt der Low Carrier in Deutschland noch weitgehend überschaubar. Lufthansa, Deutsche BA und LTU teilten sich die Kontingente untereinander auf, und für die meisten war es selbstverständlich, zu einem durchschnittlichen Preis komfortabel ans Ziel zu gelangen. Mit der stetigen Expansion des Unternehmens, der Übernahme der Konkurrenten und dem Ausbau des Streckennetzes hat sich die Lage kontinuierlich verschlechtert. Wer braucht schon zwei wöchentliche Verbindungen nach Curaçao für 300 Euro, wenn die Auslastung der innerdeutschen Strecken 90 Prozent des Umsatzes machen?

Es ist nicht ohne Weiteres möglich, viele Angebote für wenig Geld zu machen. Realismus wäre angebracht. Sowohl bei Kunden als auch bei den Unternehmensstrategen. Denn mittlerweile hat sich der Wettbewerb verschärft, und damit ist die Lage für die Billigflieger dramatisch geworden. Günstiganbieter wie Ryanair und Easyjet überschwemmen den Markt mit Billigangeboten, und auch das Niveau des Services sinkt immer weiter in den Keller. Galt das Fliegen einst als elitäres Fortbewegungsmittel, konkurriert eine Reise mit dem Flugzeug heute mit einem Horrortrip per Reisebus quer durch Deutschland.

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Reisende der Lufthansa zu jedem innerdeutschen Flug einen prallvollen Beutel mit Goodies geschenkt bekamen und die Auswahl der Zeitungen und Magazine kostenlos war. Heute spart man an allen Ecken und Enden (meist an den Falschen), und jedes Extra kostet. Will man ein wenig mehr Beinfreiheit, so zahlt man einen Zwanziger drauf, für den Snack und das zusätzliche Gepäckstück ebenso, weshalb manche Passagiere so viel Handgepäck mit sich rumschleppen, wie es noch nicht einmal in einem Kleinwagen zu transportieren ist. Verspätungen und Ärger bei der Abfertigung am Schalter sind die Folge.

Die Airlines müssen schleunigst umdenken, um dem immer größer werdenden Passagieraufkommen gerecht zu werden. Die meisten Menschen wollen heute nicht mehr als nötig zahlen, erwarten aber einen Service wie an Bord eines Luxusliners. Wer wiederum mehr zahlt, möchte für sein Geld spürbare bessere Leistungen. Weniger versprechen, mehr halten. Das wäre die Lösung.

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Die Gesellschaften können diesen Ansprüchen kaum gerecht werden, müssen sie doch den Spagat zwischen enormen Kosten und fallenden Preisen meistern. Was dabei herauskommt, zeigt das Beispiel Air Berlin. Angetreten als Konkurrenz zu den Marktführern, krebst das Unternehmen seit Jahren am Rande des Ruins. Und auch der Zusammenschluss mit der Etihad zur Etihad Airways Partners hat nicht den erwünschten Aufschwung gebracht. Stattdessen tut man weiter so, als könnte man den wachsenden Ansprüchen der Reisenden genügen und bietet weiterhin Flüge zu Niedrigstpreisen, die man mittlerweile mit einer noch niedrigeren Garantie an Zuverlässigkeit untermauert.

Gut, dass Bushido angedroht hat, seine Erfahrung würde Konsequenzen haben. Vielleicht ist die Airline ja demnächst Bushido-befreit. Das wäre zumindest ein kleiner Fortschritt.

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