Siemens-Chef Joe Kaeser "Ab 2016 wachsen wir"

Siemens-Chef Joe Kaeser fürchtet den Abstieg Europas und richtet den Blick darum jetzt vor allem nach Amerika. Dort will er mit seinem Konzern investieren.

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Siemens-Chef Joe Kaeser Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche Online: Herr Kaeser, war das zurückliegende Jahr für Sie ein Jahr des Aufbruchs, des Einbruchs oder des Durchbruchs?
Joe Kaeser: Ein Jahr des Einbruchs war 2014 garantiert nicht. Wir haben immerhin unseren Ertrag um 25 Prozent gesteigert, und das in einer Zeit des Umbruchs, in dem sich unser Unternehmen befindet. Das zurückliegende Jahr war aber vor allem ein Jahr des Aufbruchs mit der strategischen Neuausrichtung von Siemens.

Moment, in der Vergangenheit war immer wieder die Rede von einem massiven Stellenabbau bei Siemens. Und da soll man nicht von einem Einbruch reden können?
Zunächst mal haben wir im vergangenen Geschäftsjahr weltweit mehr als 33 000 Mitarbeiter eingestellt. Wenn es allerdings darum geht, die Bürokratie abzubauen und schneller zu werden, sind bestimmte Funktionen im Konzern überflüssig. Wo Inhalte und Aufgaben entfallen, wollen wir so viele betroffene Mitarbeiter wie möglich an anderen Stellen einsetzen.

Die neun Divisionen von Siemens

Bei Ertragskraft und Innovationen sind Sie in den vergangenen Jahren gegenüber Ihrem US-Konkurrenten General Electric stark zurückgefallen. Einen Aufbruch stellt man sich nun wirklich anders vor.
Zwischen 2007 und 2010 haben wir unsere Wettbewerber bei wichtigen Kennziffern hinter uns gelassen. Es stimmt aber, dass wir es von 2010 an nicht mehr geschafft haben, von einer stark ordnungspolitisch getriebenen Unternehmung umzuschalten auf eine Wachstum und Werte schaffende Organisation. Das müssen wir jetzt nachholen. Bei Innovationen allerdings muss sich Siemens vor keinem Wettbewerber verstecken.

Sie betonen ständig, Sie wollten Siemens unternehmerischer machen. Geht das bei einem solchen Koloss überhaupt noch?
Ja, das geht. Ich weiß, dass es einigen Analysten am Kapitalmarkt zu langsam geht. Denen sage ich, dass unser Unternehmen nicht nur fürs nächste Quartal oder das nächste Jahr ausgerichtet wird, sondern für eine Generation. Die Innovationszyklen bei unseren Produkten und Lösungen liegen zwischen drei und acht Jahren. Da kann man nicht in jedem Quartal neue Rekorde vermelden. So etwas muss man sorgfältig planen und dann behutsam, aber konsequent umsetzen. Die Kunst dabei ist, die Balance zu finden zwischen sorgfältigem Abwägen und der konsequenten Weiterentwicklung des Unternehmens.

Ist der deutsche Hang zur langfristigen Planung am Ende ein Erfolgsfaktor für ein Unternehmen wie Siemens?
Ein Unternehmen, das keinen Wert für die Gesellschaft schafft, sollte eigentlich gar nicht existieren. Siemens darf existieren, weil wir einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, beispielsweise zur Gesundheitsversorgung oder für die Energieeffizienz und Infrastruktur hierzulande. Dazu darf man nicht immer nur den Kapitalmarkt im Auge haben.

Den Satz von Milton Friedman „The business of business is business“ würden Sie also nicht unterschreiben?
Den würde ich nicht unterschreiben, wenn damit gemeint ist, dass ein Unternehmen von den Eigentümern lediglich als Werkzeug für eine Kapitalmehrung Dritter eingesetzt wird und damit „Eigentum“ nur Mittel für kurzfristig angelegte Zwecke wird. Die Eigentümer bei Aktiengesellschaften sind die Aktionäre und damit in weiten Teilen professionelle Fondsmanager. Deren Kunden ist aber in der Regel nicht an der langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens gelegen. Vielmehr wird damit das Eigentum, also die Aktie, Mittel zur Vermehrung des ihnen anvertrauten Vermögens. Darum ist der Mitarbeiter als Aktionär so wichtig. Der ist nämlich an der langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens und damit am Erhalt seines Arbeitsplatzes interessiert.

„Siemens soll bei Siemens wieder über allem stehen“, sagen Sie. War das vorher nicht so?
Nein, das war in den letzten Jahren nicht immer so. Die vier Sektoren, in die die Siemens-Geschäfte unterteilt waren, haben dazu beigetragen, dass vier verschiedene Ebenen gleichzeitig Märkte und Kunden bearbeitet haben. Es gab zu wenig das eine Siemens und die eine Marke, die beim Kunden um Aufträge geworben haben.

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