S&K-Prozess "Das wird kein gutes Urteil für die Anleger"

Plötzlich ging alles ganz schnell: Nach den Plädoyers im S&K-Prozess fällt in einer Woche das Urteil. Vom Vorwurf des Betrugs rückt die Staatsanwaltschaft ab. Für die Anleger kann das gravierende Folgen haben.

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Archiv: Ein Justizbeamter steht am 24.09.2015 im Gerichtssaal des Landgerichts Frankfurt neben der Anklagebank, auf der die Firmengründer der Immobilienfirma S&K sitzen. Der lange Prozess nähert sich dem Ende. Quelle: dpa

Dem Abschluss eines der größten Wirtschaftsstrafverfahrens der vergangenen Jahre steht zunächst ein Audi A5 Cabriolet im Weg. Den Wagen hatte Jonas Köller, einer der zwei Hauptangeklagten im S&K-Prozess, seiner Ex-Freundin einst zum 25. Geburtstag geschenkt. Im Zuge der Razzien bei S&K wurde auch der 64.000-Euro teure Sportwagen einkassiert.

Der Anwalt der Frau verliest nun, am 113. Verhandlungstag im Frankfurter Landgericht, einen seitenlangen Antrag. Darin beklagt er, dass es unverhältnismäßig gewesen sei, das Auto zu beschlagnahmen. Doch kurze Zeit später kann der Vorsitzende Richter Alexander El Dawaik jene Worte sprechen, über die Verteidiger-Anwalt Ulrich Endres scherzt: "Das hätten sie wohl selbst nicht gedacht, dass sie das einmal sagen könnten".

"Ich schließe die Beweisaufnahme ab", verkündet Richter El Dawaik am Mittwoch gegen 10.25 Uhr. Damit beginnt endgültig die Schlussphase im Prozess um jenes Firmenkonstrukt, mit dem Anleger über Investitionen in Immobilienfonds um 240 Millionen Euro geprellt worden sein sollen. Nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung dürfte das Urteil gegen Jonas Köller und Stefan Schäfer sowie ihre zwei Mitangeklagten bereits am kommenden Mittwoch fallen.


Die Staatsanwälte fordern neun Jahre und drei Monate Haft für Köller und Schäfer, sieben Jahre für den Mitangeklagten Marc-Christian S. sowie vier Jahre und sieben Monate für Thomas G. Damit bleiben sie an der Obergrenze jenes Deals, der in den Wochen zuvor eingefädelt wurde: Im Gegenzug für umfangreiche Geständnisse der Angeklagten, bleibt der Vorwurf des Betrugs außen vor. Das Strafmaß wurde dadurch auf einen Spanne zwischen achteinhalb und neuneinhalb Jahren beschränkt.

In ihrem gut drei Stunden langen Plädoyer beschreiben die Staatsanwälte detailliert, wie es dazu kam, dass zwei Jungs aus einfachen Verhältnissen eine komplexes Netz aus über 100 Gesellschaften aufbauen und 11.000 Anleger in die Falle locken konnten. Das Gericht müsse zwar nur über vier Angeklagte entscheiden, sagt Oberstaatsanwalt Krüger. "Aber es könnten auch 20, 30 Leute auf der Anklagebank sitzen". Zahllose willfährige Helfer, angesehene Rechtsanwälte und Notare hätten dazu beigetragen, dass Köller und Schäfer ihr Schneeballsystem über Jahre aufrecht erhalten konnten. "Jeder einzelne von ihnen hätte niemals einen solchen hohen Schaden anrichten können", sagt Krüger.

Alles begann damit, dass Köller und Schäfer Anfang der 2000er Jahre auf die Idee kamen, Immobilien aus Zwangsversteigerung zu kaufen, aufzuhübschen und mit Profit weiter zu verkaufen. Die ersten Geschäft liefen so gut, dass die beiden Kontakte zu Fondsgesellschaften knüpften. Für United Investors begannen sie, Fonds aufzulegen und ihr Geschäftsmodell mit Anlegergeld weiterzutreiben. Den Vertrieb der Fonds kurbelten sie mit aberwitzigen Renditeversprechen an. Obwohl das erste Produkt eher schlecht lief und kaum die Vertriebsprovisionen einspielte, legten sie weitere Immobilienfonds auf. Schließlich, so beschreibt es der Oberstaatsanwalt, verwischte sich das Altgeschäft und die Immobiliendeals der Fonds.


Um frisches Geld für ihre immer gigantischeren Immobilien-Deals zu bekommen, gingen Köller und Schäfer dazu über, Fonds anderer Gesellschaften zu kapern, an das Anlegergeld heranzukommen und damit ihre in Schwierigkeiten geratene S&K-Gruppe am Leben zu halten. Die Mitangeklagten Thomas G. und Marc-Christian S. agierten dabei als Strohmänner. Das alles erfordere ein hohes Maß an Planung und große kriminelle Energie, sagt Oberstaatsanwalt Krüger. Zu Gute halte müsse man den Angeklagten ihre "qualitativ hochwertigen Geständnisse", die den Prozess enorm verkürzt hätten.

"Das ist in Deutschland einmalig"

Die geforderten Strafen der Staatsanwaltschaft nehmen die Hauptangeklagten Köller und Schäfer regungslos zur Kenntnis. Schäfer, schwarzer Anzug, der über den muskulösen Oberarmen spannt, kurze glatt nach hinten gegelte Haare, hat den Kopf auf die Hände gestützt und blickt ausdruckslos in Richtung Staatsanwaltschaft. Köller, schwarzer Anzug und weißes Hemd, bubenhaftes Gesicht und kurze schütter werdende Haare, hat sich zurückgelehnt. Lediglich Marc-Christian G., der zwei Reihen hinter Schäfer und Köller sitzt, schnaubt verächtlich, als er hört, dass ihn Oberstaatsanwalt sieben Jahre hinter Gittern sehen will.

Die Verteidiger sind dagegen empört: Einzige Gegenleistung für den Deal seien umfassende Geständnisse gewesen, sagt Schäfers Anwalt Michael Simon. Die habe die Staatsanwaltschaft ausdrücklich gelobt. "Wir gehen davon aus, dass die Kammer am unteren Ende des Strafmaßes bleibt", sagt Simon. Sein Kollege Endres betont in seinem Plädoyer, dass Schäfer und Köller bereits seit über vier Jahren in Untersuchungshaft seien, ohne dass ein Urteil vorliegt. "Das ist in Deutschland einmalig." Alle Verteidiger fordern die sofortige Aufhebung des Haftbefehls. Doch Richter El Dawaik weigert sich, noch am selben Abend über den Antrag zu entscheiden. Allerdings scheint es wahrscheinlich, dass Köller, Schäfer und G. schon vor der Urteilsverkündung am kommenden Mittwoch freikommen.

Nach rund zehnstündiger Verhandlung ergreifen auch die Angeklagten noch ein letztes Mal das Wort. Köller bedankt sich bei der Staatsanwaltschaft. "Die Verständigung hat mir eine Brücke gebaut", sagt er. Ohne den Deal hätte er sich nicht getraut, zu gestehen. Für die Anleger hat der Deal jedoch eine Kehrseite, wie Schäfers Anwalt Simon sagt. Denn durch den Deal wird lediglich Untreue festgestellt, also eine Straftat, die Köller und Schäfer gegenüber ihren eigenen Firmen begangenen haben. Von Anlagebetrug in Höhe von hunderten Millionen ist im Plädoyer der Staatsanwaltschaft nicht die Rede. Damit dürften es zivilrechtliche Klagen von Anlegern sehr schwer haben, sagt Simon. "Für die Anleger wird das kein gutes Urteil."

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