Supercharger-Schnellladenetz Warum Tesla-Fahrer an Autobahn-Raststätten unbeliebt sind

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Anekdoten eines Kulturkampfes

Als Tesla vor drei Jahren groß auf den deutschen Markt drängte, da ließen die Apple-Jünger fast ihr Smartphone links liegen. Die Gefährte hatten nicht nur Displays groß wie Macs und Flügeltüren wie das Batmobil, sie konnten sogar von selbst fahren. Auf einmal waren Autos wieder all das, was sie einst verkörperten. Schnell sein, Reichtum repräsentieren und dabei noch einen visionären Lebensentwurf darstellen. Hieß das nicht auch für die Raststätte, willkommen am Treffpunkt der Avantgarde?

Witt zumindest hat das geglaubt: „Wir haben große Hoffnungen in die Supercharger gesetzt“, sagt er. Zum einen weil eine halbe Stunde Akkuladen einfach deutlich länger ist als drei Minuten Dieselsaugen. Und wo Zeit ist, da ist auch die Bereitschaft, Geld auszugeben.

Doch nach drei Jahren lässt sich sagen: Der Plan ist gescheitert. Während der Unternehmenschef Witt dafür noch höfliche Worte findet, geht es am Nebentisch wüster zu. Der Chef ist nicht ohne Grund von seinem Büro in Regensburg quer durchs Land bis an die französische Grenze nach Achern gereist, einmal im Jahr versammelt er alle seine Pächter um zu hören, wie deren Geschäfte so laufen und wo die größten Sorgen liegen. Die Ersten haben sich an dem lauen Sommerabend schon zu einem Bier zusammengefunden. Sobald das Wort Tesla fällt, bricht ein Sturm der Empörung los. Zieht man die Schimpfworte ab und die Plattitüden, dann bleiben ein paar Anekdoten hängen.

Die Gewinner und Verlierer im europäischen Automarkt
Die Gewinner: Mini Quelle: Mini
Skoda Quelle: obs
Alfa Romeo Quelle: obs
Porsche Quelle: dpa
Jeep Quelle: AP
Nissan Quelle: REUTERS
Smart Quelle: dpa

Da ist die Pächterin, die auf dem Parkplatz vor ihrem Rasthof einen Flohmarkt organisierte. „Als einer der Händler zum Aufbau am Supercharger gehalten hat, stürmte ein Tesla-Fahrer ins Geschäft“, erinnert sie sich, „und hat mich wild beschimpft, ich solle sofort den Platz räumen – dabei waren noch zehn Stationen frei.“ Andere Pächter beschweren sich darüber, „noch nicht ein einziges Mal hat einer von denen was bei mir gekauft“. Einer von ihnen war gar selbst so leichtsinnig, seinen Wagen für ein paar Minuten an den Superchargern abzustellen. „Kurze Zeit später war ein Bild davon bei Facebook, da drunter stand: „Scheiß Verpenner“.

„Verpenner“, ist dabei nicht nur die Verballhornung des Verbrennungsmotors, sondern auch ein generelles Codewort für all die Ewiggestrigen, die noch nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat.

Als sich der Sturm der Empörung unter den Tankstellenpächtern gelegt hat, kommt der Chef Witt auch mal wieder zu Wort. „Auch wenn wir alle ein bisschen enttäuscht sind, jetzt müssen wir natürlich dranbleiben am Thema Elektromobilität“, sagt er. Es stimmt, dass die Ladestellen meistens leer bleiben, die wenigen Nutzer nichts konsumieren und trotzdem Parkraum verbrauchen. Wenn aber der Durchbruch der Elektromobilität kommt, „dann werden diejenigen im Vorteil sein, die sich am Anfang als Knotenpunkte etabliert haben“, sagt Witt. Ein zartes Nicken kann der eine oder andere aus der Pächterriege dann doch nicht zurückhalten.

Selbst Andreas Schimanski, der nicht nur Tesla-Fahrer, sondern im Hauptberuf auch Inhaber einer Beratungsfirma für erneuerbare Energien ist, sagt irgendwann während des Ladevorgangs am Rasthof Achern: „Ein-, zweimal bin ich doch eingekehrt, als ich ein bisschen kaputt war. Das Essen hat eigentlich auch gut geschmeckt.“

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