Tourismus Wie die Kreuzschifffahrt umweltfreundlicher werden will

Kreuzfahrten sind das wachstumsstärkste Segment im deutschen Touristikmarkt. Doch die Reedereien stehen wegen der Umweltbelastungen in der Kritik. So versuchen die Anbieter, das schlechte Image loszuwerden.

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Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Palma de Mallorca. Quelle: dpa

Von außen sieht man nichts von der Hightech-Anlage, die direkt unter dem roten TUI-Smiley auf dem weißen Schornstein steckt. Auch die gewaltigen Ausmaße des sogenannten Scrubbers, der dort eingebaut ist, lassen sich kaum erfassen: Die Abgas-Waschmaschine, die die Emissionen des fast 300 Meter langen und knapp 36 Meter breiten Kreuzfahrtdampfers reduzieren soll, führt senkrecht durch den gesamten Rumpf – von knapp 60 Metern über dem Meer bis in den Maschinenraum unterhalb der Wasserlinie tief im Bauch des Schiffes.

Der Scrubber soll den Dreck aus den Abgasen waschen – und so dabei helfen, das angekratzte Image der deutschen Kreuzfahrtbranche zu verbessern. Die legt seit Jahren zweistellig zu: Gut zwei Millionen deutsche Touristen verbrachten im vergangenen Jahr die schönsten Wochen des Jahres auf einem Hochseekreuzfahrtschiff. Die Touren über fast alle sieben Weltmeere sind damit das bei weitem erfolgreichste Segment im deutschen Touristikmarkt. Wegen der negativen Auswirkungen der Riesenschiffe auf die Natur werden die Anbieter aber auch regelmäßig von Umweltschützern scharf kritisiert.

„Drei Monate nach meinem Dienstbeginn vor sechs Jahren haben wir vom Naturschutzbund Deutschland Nabu zusammen mit Aida Cruises den Dino des Jahres bekommen“, erinnert sich Lucienne Damm, Umweltschutzmanagerin bei TUI Cruises und davor selbst Referentin beim Nabu. Die Organisation vergibt die Negativauszeichnung an Kreuzfahrtreedereien, die Schiffe mit besonders hohen Abgasemissionen in ihrer Flotte haben. „Seitdem sind die Themen Umweltschutz, Emissionen und CO2-Belastung durch Kreuzfahrtschiffe in den Medien und stehen bei uns ganz oben auf der Agenda“, versichert Damm.

Das hat der neue Luxusliner zu bieten
"Mein Schiff 5": Das jüngste Flottenmitglied von TUI Cruises. Quelle: Presse
Mein Schiff 5 "Diamant Suite" Quelle: Presse
Badezimmer der "Diamant Suite" Quelle: Presse
Badezimmer der "Themen Suite". Die größte Suite mit 54 m² Wohnfläche. Quelle: Presse
Das Hauptrestaurant "Atlantik – Klassik" Quelle: Presse
Restaurant "Atlantik – Brasserie" Quelle: Presse
Restaurant "Atlantik – Mediterran" Quelle: Presse

Den Nabu-Dino hatte die erst 2009 gestartete TUI Cruises nicht ohne Grund bekommen: Die beiden ersten Dampfer der Mein-Schiff-Flotte waren Secondhand-Schiffe aus dem Altbestand des TUI-Joint-Venture-Partners Royal Caribbean und zum Zeitpunkt der Umflaggung schon reichlich zehn Jahre alt. Beide Dampfer waren zwar modernisiert und mit zusätzlichen Balkon-Kabinen ausgestattet worden. Für mehr Umweltschutz war aber kein Geld vorhanden, zudem hatte das Thema bei der Markteinführung 2009 noch nicht den Stellenwert wie heute.

Das änderte sich mit dem gut zwei Jahre später aufgelegten Neubauprogramm. Die für Schiffe damals noch neue Scrubber-Technik kam 2013 mit dem ersten Neubau, der „Mein Schiff 3“. Auch bei den in den Folgejahren abgelieferten, bis auf Kleinigkeiten baugleichen Mein-Schiff-4 bis -6 wurde das aufwändige Abgas-Reinigungssystem zur Standard-Ausrüstung. In Kraftwerken an Land wird das Entschwefelungssystem bereits seit rund 30 Jahren erfolgreich eingesetzt.

„Schon bei der Spezifikation für die Neubauflotte hatte das Thema Abgasreinigung höchste Priorität“, sagt Umweltmanagerin Damm. Entwickelt wurde die Technik von Wärtsilä im TUI-Cruises-Auftrag. Der finnische Schiffsmotorenbauer liefert auch die Omnibus-großen und insgesamt 28.000 PS starken Zwölf-Zylinder-Hauptmaschinen. Die vier Motoren sind an Generatoren gekoppelt, die den Strom für die beiden großen Schrauben am Heck und die drei quer zur Fahrtrichtung im Vorderschiff eingebauten Bugstrahlruder erzeugen.

Die Abgase der Kraftpakete werden über dicke Rohre in die beiden jeweils vier Decks hohen und gut fünf Meter im Querschnitt messenden Waschbehälter unter dem Schornstein ganz oben im Schiff geleitet und dort mit einer Mischung aus Frischwasser und Natriumhydroxid gewaschen. „Beim Thema Abgasnachbehandlung sind wir Branchenvorreiter“, freut sich Umweltoffizier Nicolae Popa. Der gebürtige Rumäne ist Umweltoffizier auf der „Mein Schiff 4“.

Popas Funktion gibt es auf der gesamten Flotte. Die zur Schiffsleitung gehörenden Offiziere sind nicht nur für die Abgassysteme, sondern auch für die Abwasseraufbereitung und die Müllentsorgung sowie die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften an Bord zuständig. Rund 90 Prozent des Schwefeldioxids werden nach seinen Worten aus den Abgasen herausgeholt, außerdem ein Großteil der Rußpartikel, der Stickoxide, des Feinstaubs und anderer Schadstoffe.

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