Morgens um acht, Fabrikant Grupp und seine Frau Elisabeth sitzen im Esszimmer ihrer Villa, zur Seite Tochter Bonita und Sohn Wolfgang. Die beiden haben sich bürofein gemacht. Wolfgang trägt Jeans, ein blaues Sakko und ein legeres weißes Hemd, Schwester Bonita ein halblanges weißes Kleid, dazu ein lila Jäckchen. Grupp Senior hat wie jeden Morgen bereits 400 Meter in seinem Pool und ein gutes Dutzend Liegestütze absolviert.
Jetzt wird erst einmal gefrühstückt, gemeinsam, eine halbe Stunde. Grupp drückt die Taste einer Sprechanlage und sagt „Some more coffee, please“. Die Tür zur Küche öffnet sich, ein Diener in weißer Livree, den er vor Kurzem über eine Agentur in den Philippinen anheuerte, tritt ein. Ein höfliches „Thank you“, ein lächelndes „You’re welcome“ zurück, dann besprechen Eltern und Kinder, was heute anliegt in der Firma. Mutter Elisabeth drückt die Taste und sagt: „You can clear the table.“ Der Diener räumt ab, Vater, Mutter, Sohn und Tochter streben durch den Garten auf die andere Straßenseite, rüber zu Trigema.
Die jungen Grupps machen das noch nicht lange so. Bonita wohnt der täglichen Zeremonie seit August 2013 bei, als sie entschied, nicht in London zu bleiben, wo sie studierte, sondern das Angebot des Vaters akzeptierte, bei ihm anzufangen. Bruder Wolfgang zog fünf Monate später ebenfalls aus London nach.
Neuanfang für den Nachwuchs
Was Außenstehenden wie eine Rückkehr erscheinen mag, bedeutet für die beiden Geschwister einen Neuanfang. Denn die zwei waren den größten Teil ihres Lebens bei den Eltern nicht zu Hause, sondern in Ferien. Zu verdanken haben sie dies ihrem Vater, der bereits 47 Jahre alt war, als Bonita auf die Welt kam, und auf die 50 zuging, als Wolfgang geboren wurde. Grupp entschied, seinem späten Glück eine Erziehung angedeihen zu lassen, die er in zwei Etappen teilte.
In der ersten Phase, bis zum Ende der Grundschule, sollten ohne Einschränkung die Eltern die entscheidende Werte-Instanz bilden. Mutter Elisabeth, die es an der Universität im österreichischen Graz bereits zum Physikum gebracht hatte, brach ihr Medizinstudium ab und betreute die Kleinen; wenn es die Zeit zuließ, kümmerte sie sich um die Läden von Trigema. Vater Wolfgang liebte es, die Sprösslinge für ihre Folgsamkeit zu loben, indem er sie mit seiner „Betriebsfamilie“ verglich, als die er die Trigema-Belegschaft führt.
Embedded by Grupp: Eine Nacht in Burladingen
Wie seine Kinder „nie gegen mich aufbegehrten“, so würden „auch meine Mitarbeiter niemals gegen mich schüren oder gar streiken“, sagte Grupp einmal, während der fünfjährige Wolfgang mit Krawatte und die siebenjährige Bonita im Kleidchen im Beisein eines Gastes das Mahl einnahmen.
Kostspieliges Internatsleben
Die zehnjährige Zähmung durch die Eltern nahm jäh ein Ende, als die Kinder das vierte Schuljahr abgeschlossen hatten. Eben noch im Schoße der Mutter und des gestrengen Vaters, musste erst Tochter Bonita und dann Sohn Wolfgang fort, um die folgenden neun Jahre ein englischsprachiges internationales Internat in der Schweiz zu besuchen, das Aiglon College in der Nähe von Montreux.
Anfangs mindestens 120.000 Euro, später mehr als 160 000 Euro ließ Grupp sich das jedes Jahr kosten. Dafür musste er, der stets die Familie pries, sich im Fernsehen Doppelzüngigkeit vorwerfen lassen. Es sei für ihn wichtig, verteidigte er sich, den Kindern eine Bildung und Weltgewandtheit mitzugeben, die sie auf der Schwäbischen Alb nicht bekämen.
Für die beiden Heranwachsenden war das die Ansage ihres Lebens. Zwar hätten sie den Beschluss gemeinsam mit den Eltern gefasst, sagt Wolfgang. Doch worauf sie sich einließen, habe er nicht ermessen können.
Es sollte die zwei bis heute prägen.
15 Dinge, die Sie noch nicht über Wolfgang Grupp wussten
Er ist der Mann mit dem Affen. Das klingt nicht sehr nett, aber der Affe hat Wolfgang Grupp zum vermutlich bekanntesten Mittelständler Deutschlands gemacht. Grupp wirkt eitel, gilt aber als einer von Deutschlands Vorzeigeunternehmern. Mehr über sein Leben, seine Ansichten und seine Marotten.
1990 kaufte Grupp die Rechte an einem Affenspot, der ursprünglich für Toyota gedacht war. Es ließ sich leicht ein neuer Text über die Bilder legen. Danach drehte Trigema eigene Spots mit Schimpansen. Seit 1996 gibt es den heute bekannten Spot.
Im Hubschrauber: Die nächste Autobahn recht weit entfernt. Die Bundestrasse zu stark frequentiert. Das ist nichts für einen ungeduldigen Macher. Der 1995 gekaufte Bell Jet Ranger trägt natürlich das Trigema-Logo.
Sie hat ein Reetdach. Grupp entdeckte seinen Faible für Reetdach-Häuser während eines Urlaubs auf Sylt. Er wünschte sich Wohnlichkeit und Wärme, und dazu passte dieses Material am besten. Außerdem kennzeichnet die Villa der Rittersaal unterm Dach.
Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer: Josef Mayer, Grupps Großvater, gründete die Firma 1919/20 und überstand als Unterwäschehersteller auch die schwierigen 20-Jahre sehr gut. Nach dem zweiten Weltkrieg fiel ihm die Umstellung leichter als anderen Unternehmen in der Region, die sich auf Uniformen spezialisiert hatten.
Wolfgang Grupp besitzt eine 400 Hektar große Eigenjagd im Allgäu. Schon als Jugendlicher liebte er es, hoch zu Ross hinterm Wild herzujagen.
Romantischer geht es kaum: 1986 ging Grupp auf Auerhahnjagd in der Obersteiermark. Während der Jagd besuchte der damals 44-Jährige einen Freund. Der Baron hatte eine 22-jährige Tochter. Fortan konnte Grupp die Schönheit nicht mehr vergessen.
Er ließ sich eine sehr große Begräbnisstätte errichten: Umfriedet von einer hohen Mauer liegt die Grabstätte für seine Familie angelegte inmitten einer 600 Quadratmeter großen Grünflache. Ein kleines, frei zugängliches Areal am Rande des eigentlichen Friedhofes.
Manchettenknöpfe, Einstucktuch und schmale Krawatte - Grupps akkurate Kleidung hat sich praktisch nicht verändert: Maßanzug, meisten auffällig gestreiftes Hemd, Kragen und Manchetten weiß, schmale Krawatte und Einstucktuch in den Farben des Hemdstoffes.
Es ist ein Großraumbüro, dass er sich mit Mitarbeitern teilt: In den 70er-Jahren hat sich Grupp ein Großraumbüro entworfen, das er gemeinsam mit Verwaltungsangestellten belegt. Wenn sich seine ehrliche Empörung, wofür er durchaus bekannt ist, in großer Lautstärke Luft macht, bekommen das also einige Mitmenschen zu hören.
Josef Mayer war für seinen Enkel als Mensch und Unternehmer das größte Vorbild. Zwischen Wolfgang Grupp und seinem Vater entwickelte sich ein veritabler Generationenkonflikt. Der Sohn nahm es dem Vater übel, dass er mit dem Unternehmen allzu arg expandierte, wodurch Trigema ins Schlingern geriet.
Das Äußere musste für ihn schon als Jugendlicher stets erstklassig sein. Daher bat er Eltern und Verwandte, ihm Geld zu schenken statt Gegenständen. Wolfgang sparte und kaufte sich 1962, mit 20 Jahren, eine teure, ultraflache Uhr. Er trägt sie bis heute voller Stolz.
Er schlüpfte persönlich in das Nikolaus-Kostüm. Bonita und Wolfgang junior merkten irgendwann, dass ihr Vater selbst in dem Kostüm steckte, ließen es sich aber lange nicht anmerken. Grupp übernahm diese Job, weil ihm im Jahr zuvor der Auftritt des engagierten Gabenbringers nicht gefallen hatte.
1987 kam es zum Bruch zwischen Grupp und Aldi-Nord: Der Discounter wollte, dass die Ware nicht mehr unter dem Label Trigema, sondern als Eigenmarke in die Regale kam. Dazu gehörte ein Preisnachlass von 40 Prozent. Grupp verzichtete lieber auf den Umsatz von 25 Millionen Mark jährlich.
Pünktlich vor sieben Uhr springt er in den Pool und schwimmt acht Bahnen, das entspricht 360 Metern. Das tut er auch im Winter bei Minusgraden, allerdings lässt Grupp das Wasser dann auf 19 Grad temperieren.
Weil er wegen Raserei drei Punkte in Flensburg kassierte. Grupp wollte stets ein Vorbild an Disziplin sein und hielt sich streng an seine Regeln. Umso mehr ärgerte er sich über den Verkehrsdelikt.
Ohne Englischkenntnisse, durch einen Crash-Kurs ungenügend präpariert, übersteht Fabrikantensohn Wolfgang die ersten drei, vier Monate an seinem neuen Lebensmittelpunkt ohne Eltern nur, weil die zwei Jahre ältere Bonita bereits dort ist und sich um ihn kümmert. „Ich hatte ungeheuer Heimweh“, erinnert er sich. „Das Heimweh war so schlimm, dass ich die Erlaubnis bekam, meine Eltern anzurufen, obwohl Handys im College verboten waren.“
Die Erfahrung schweißt die Geschwister in einem Maß zusammen, wie dies kaum passiert wäre, hätte der Vater sie in Burladingen behalten. Trotzdem hat die Trennung sie den Eltern und dem Unternehmen nicht entfremdet, sondern eine besondere Nähe zu beiden entstehen lassen. „Wir sind mit Trigema und Burladingen verwurzelt, obwohl wir nicht immer hier gelebt haben“, sagt Bonita.