Solarworld AG Solarworld kämpft wieder ums Überleben

Solarworld war ein Vorzeigeunternehmen der Energiewende, bis die Billigkonkurrenz aus Asien den Bonnern Millionenverluste brachte. 2013/14 konnte Firmenchef Asbeck eine Pleite abwenden, nun steht er wieder vor Problemen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Vertriebszentrale der Solarworld AG Quelle: dpa

Paragraf 92 des deutschen Aktienrechts ist eine Vorschrift für den Notfall: Sie regelt „Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit“. Nach dieser Vorschrift kündigte die Bonner Solarworld AG am Dienstag einen starken Einbruch des Grundkapitals und eine außerordentliche Hauptversammlung an. Alarmsignal für die Anleger - die Aktien rauschten zeitweise um 33 Prozent in den Keller. Das einstige Musterunternehmen der Energiewende, das in guten Zeiten 2008 sogar mal Opel kaufen wollte, steckt erneut tief in der Krise und kämpft um sein Überleben.

Das Hauptproblem für Gründer und Firmenchef Frank Asbeck ist dabei seit Jahren das gleiche: Die Billigkonkurrenz aus Asien, vor allem China, bedroht die Bonner, die gerade auf hochwertige und damit teure monokristalline Solarmodule mit hohem Wirkungsgrad setzen. Zwar gibt es EU-Schutzzölle gegen Dumping-Angebote aus China. Diese werden aber vielfach unterlaufen: Entweder schlicht durch illegalen Handel, kritisiert Solarworld, oder eleganter dadurch, dass die großen chinesischen Hersteller längst Fabriken in anderen asiatischen Ländern wie Vietnam oder Thailand aufgebaut haben.

Sechs Jahre in Folge - seit 2011 - hat Asbeck real rote Zahlen erwirtschaftet. Bereits 2012 rutschte das Eigenkapital nach Rekordverlusten von mehr als 600 Millionen Euro in den Minusbereich. Der findige Geschäftsmann, zu dessen Stärken die Überzeugungskraft im Direktkontakt zählt, wusste seine Firma aber trotz hoher Schulden zu retten: Er brachte einen Schuldenschnitt durch, bei dem die Gläubiger auf 60 Prozent ihres Geldes im Tausch gegen Aktien verzichteten.

Das sind die größten Solarkonzerne der Welt
Platz 15: Solarworld (Deutschland) Solarworld-Chef Frank Asbeck ist der letzte Überlebende aus der Glanzzeit der deutschen Solarindustrie. Während beinahe alle anderen heimischen Photovoltaikkonzerne in den vergangenen Jahren im Kampf gegen die asiatische Billigkonkurrenz pleitegingen, existiert die Firma des Bonner Ökopioniers immer noch. Dennoch ist die Zukunft von Solarworld ungewiss. Ein 770-Millionen-Dollar schwerer Rechtsstreit mit dem Siliziumhersteller Hemlock Semiconductor bedroht den Fortbestand des Unternehmens. Die drei Fabriken von Solarworld liefen 2015 ungeachtet der Klage aber auf Hochtouren. Nach Berechnungen des Analysehauses IHS produzierte Solarworld Paneele mit einer Kapazität von mehr als tausend Megawatt.Jahresproduktion: 1.117 Megawatt Quelle: DPA
Platz 14: REC Group (Norwegen) Neben Solarworld ist REC die größte verbliebene Photovoltaik-Marke in Europa. Richtig europäisch ist REC freilich nicht. Das Unternehmen hat zwar seinen Hauptsitz in Norwegen, aber produziert wird vorrangig in Singapur. Anfang 2015 wurde REC zudem von der Elkem Group übernommen. Elkem ist eine Tochter des chinesischen Konzerns Bluestar und stellt Silizium her – das Ausgangsmaterial für die Erzeugung von Photovoltaikzellen. REC beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter weltweit und erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von rund 755 Millionen Dollar. Jahresproduktion: 1.188 Megawatt Quelle: PR
Platz 13: Sunpower (USA)Amerikas zweitgrößter Photovoltaikkonzern ist 2015 wieder in die roten Zahlen gerutscht. Bei einem Umsatz von rund 1,4 Milliarden Dollar meldet Sunpower Verluste in der Höhe von fast 300 Millionen Dollar. 2016 soll es aber wieder aufwärts gehen. Das kalifornische Unternehmen rechnet mit Erlösen von bis zu drei Milliarden Dollar. Sunpower fertigt nicht nur Module, sondern errichtet und betreibt auch eigene Solarparks. In Deutschland erlangte der Konzern als Haupt- und Trikotsponsor des Fußballvereins Bayer 04 Leverkusen Bekanntheit. Die Partnerschaft endete 2013 aber bereits nach zwei Jahren, weil Sunpower wirtschaftlich in Probleme geriet.Jahresproduktion: 1.253 Megawatt Quelle: Bloomberg
Platz 12: Shanghai Aerospace Automobile (China)In keinem anderen Land der Welt werden so viele Solarmodule hergestellt und Photovoltaikanlagen ans Stromnetz angeschlossen wie in China. Das Reich der Mitte hat Deutschland 2015 als größte Solarnation abgelöst. Und kein Land schickt sich derzeit an, China wieder vom Thron zu stoßen. Im Gegenteil. Bis 2020 will die Staatsregierung in Peking die Solarkapazitäten sogar auf 143 Gigawatt ausbauen. Das wäre eine Verdreifachung der bisherigen Kapazitäten. Einer der größten Profiteure der fernöstlichen Ökorevolution ist schon jetzt die chinesische Firma Shanghai Aerospace Automobile. Jahresproduktion: 1.282 Megawatt Quelle: REUTERS
Platz 11: Risen Energy (China) In der ostchinesischen Provinz Zheijang ist Risen Energy beheimatet. Das Unternehmen wurde 1986 gegründet und beschäftigt aktuell etwa 3000 Mitarbeiter. Seine Solarmodule verkauft Risen überwiegend direkt im Reich der Mitte. Einen Grund daran etwas zu ändern, gibt es ohnehin nicht. Schließlich wächst der chinesische Solarmarkt aktuell um gut 48 Prozent pro Jahr. Jahresproduktion: 1.292 Megawatt Quelle: AP
Platz 10: EGing PV (China)Allein 2015 war der chinesische Markt für 32 Prozent der weltweit neu installierten Photovoltaikkapazität verantwortlich. Von diesem gigantischen Wachstum profitiert auch die Firma EGing PV überproportional. Das Unternehmen existiert seit 2003 und ist in Shanghai an der Börse notiert. Das Geschäftsmodell der chinesischen Firma umfasst nach eigenen Angaben die Produktion sämtlicher Solarprodukte – von Ingots, Wafern und Zellen bis hin zu Photovoltaikmodulen und der kompletten Errichtung von Solaranlagen. Jahresproduktion: 1.324 Megawatt Quelle: REUTERS
Platz 9: GCL (China)Von den 15 weltgrößten Solarkonzernen kommen gleich zehn Unternehmen aus China. Die Staatsregierung rief vor mehr als einem Jahrzehnt zum Aufbau einer eigenen Photovoltaikindustrie auf. GCL zählt zu den führenden Modulproduzenten in China und könnte künftig noch größer werden. Der Konzern ist zuletzt bei dem angeschlagenen Konkurrenten Chaori Solar eingestiegen. Jahresproduktion: 1.722 Megawatt Quelle: Reuters

Die Aktionäre mussten 95 Prozent ihres Aktienwertes abschreiben. Zugleich brachte ein Investor aus Katar neues Geld und Solarworld übernahm Anfang 2014 von Bosch deren Solarfertigung in Arnstadt einschließlich der Mitarbeiter und kassierte dafür 130 Millionen Euro.

Danach sah Asbeck die Zukunft des Unternehmens wieder mit Optimismus, auch wenn die ersten Gewinne wohl noch über Jahre ausbleiben werden und sich für Solarworld eine zweite, existenziell bedrohliche Gefahr aufgetan hat: Der ehemalige Siliziumlieferant Hemlock aus den USA verklagte Solarworld 2013 wegen nicht erfüllter Abnahmezusagen auf umgerechnet rund 720 Millionen Euro Schadenersatz. Ein US-Gericht hat diesen Anspruch im Sommer 2016 bejaht, Solarworld ist in Berufung gegangen. Gewinnt Hemlock und kann seine Ansprüche auch in Deutschland geltend machen, wird es eng: Rücklagen für die Forderung bestehen nicht.

Das empfindliche Schrumpfen des Eigenkapitals erschwere nun auch die finanziellen Möglichkeiten für eine gütliche Einigung mit den Amerikanern, sagt der Solarfachmann und Branchenkenner Götz Fischbeck vom Beratungsunternehmen Smart Solar Consulting. Schnelle Entlastung auf dem deutschen Markt sieht er nicht: Nach der jüngsten Billigangebotswelle aus China sind die Preise um rund 20 Prozent eingebrochen. „Es ist extrem schwierig, dem hinterher zu sparen.“ Außerdem muss Solarworld bis 2019 rund 350 Millionen Euro an Darlehen und Anleihen zurückzahlen. Spätestens dann müsse die Firma den Turnaround geschafft haben, weil sie sonst kaum ausreichend neue Kredite bekommen werde.

Die außerordentliche Hauptversammlung wird vor diesem Hintergrund zu einem Canossa-Gang für Asbeck. Zunächst mal muss er den Anlegern erklären, ob das Solarworld-Geschäftsmodell angesichts der abgestürzten Modulpreise noch zukunftssicher ist. Und dann - erwarten Branchenbeobachter - dürfte das Thema Eigenkapital auf den Tisch kommen - eventuell mit einer Kapitalerhöhung und damit neuen Schmerzen für die Aktionäre.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%