Eine Blechkiste hat vor 50 Jahren die Handelsschifffahrt revolutioniert und die Arbeit in den Häfen erleichtert. Am 5. Mai 1966 legte die „Fairland“ der amerikanischen Reederei Sea-Land mit 110 Containern an Bord im Bremer Überseehafen an. Damit wurde der erste Container in einem deutschen Hafen an Land gesetzt.
„Dass es eine solche Entwicklung nehmen würde, hat man damals nicht geahnt. Es wurde als amerikanische Spinnerei abgetan, als Eintagsfliege“, sagt der Bremer Helmut Detken (76) rückblickend. Der gelernte Schiffsmakler und Reedereikaufmann hat die rasante Entwicklung der Containerschifffahrt miterlebt, war zudem von 1972 bis 1983 Regierungsdirektor beim Bremer Hafensenator.
Es war die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft – heute BLG Logistics Group – die für die Entladung des ersten Vollcontainerschiffes in Deutschland verantwortlich zeichnete. „Wir waren die erste Hafengesellschaft in Deutschland, die in der Lage und Willens war, Container zu entladen“, sagt Vorstandsvorsitzender Frank Dreeke. Er war bei dem Großereignis als Sechsjähriger an der Hand seiner Mutter dabei. Sein Vater arbeitete als Betriebsleiter bei der BLG. „Das war die Geburtsstunde des Containerverkehrs.“
Gewinner und Verlierer der Containerschifffahrt
Der Welthandel nahm einen enormen Aufschwung, nachdem sich der Container durchgesetzt hatte. Dazu brauchten die Reeder immer mehr und größere Schiffe – Südkorea und Japan bauten sie. Später kam auch China dazu. Diese drei Länder sind heute mit großem Abstand die bedeutendsten Schiffbauländer der Welt.
Weltweit sind fast 41.760 größere Handelsschiffe registriert, davon mehr als 5000 Containerschiffe. Sie transportieren jährlich rund 129 Millionen Standardcontainer (TEU) rund um die Welt. Mit den Transportleistungen vergrößerten sich die Häfen, vor allem in Asien. Unter den Top Ten der Weltrangliste ist kein europäischer und nur ein US-amerikanischer Hafen (Los Angeles).
Die Schiffe brachten immer günstigere Konsumgüter aus Asien nach Europa. Zunächst Haushaltsgeräte, Motorräder, Kameras und Spielsachen aus Japan, dann Fernseher und Unterhaltungselektronik aus Korea, Kleidung aus Pakistan, Mobiltelefone aus China. Und zuvor unbekannte Früchte und Pflanzen aus der gesamten Welt, Wein aus Chile oder Südafrika, Steaks aus Südamerika, Lämmer aus Neuseeland. Vielfalt, Qualität und Preiswürdigkeit des Warenangebotes für die Verbraucher in Europa und Nordamerika erhöhten sich deutlich.
Wegen schlechter Arbeitsbedingungen, überlanger Arbeitszeiten und unzureichender Bezahlung werden Arbeiter in Schwellenländern oft als Verlierer der Globalisierung angesehen. Doch das ist nur halb richtig. Tatsächlich hat die Integration in die Weltwirtschaft in vielen Ländern auch schlimmste Armut beseitigt und in Ländern wie Südkorea und Taiwan zu Wohlstand geführt. Auch China ist nach wie vor ein armes Land nach den Maßstäben der Industrienationen, aber es gibt eine wachsende Mittelklasse. Ähnlich ist es in Südamerika.
Nach dem Human Development Index der UN hat sich die Lebenserwartung, der Bildungsstand und das Pro-Kopf-Einkommen in nahezu allen Ländern verbessert - in den Entwicklungsländern mit mittlerem Einkommen zwischen 1975 und 2005 um etwa 32 Prozent, in den ärmsten Ländern um circa 22 Prozent. Vor 30 Jahren lebte die Hälfte der Menschheit von umgerechnet weniger als 1,25 Dollar am Tag, was als Grenze zur „absoluten Armut“ galt. Heute sind es noch 18 Prozent, obwohl die Erdbevölkerung seither um fast 60 Prozent gewachsen ist. Gleichzeitig steigt die Ungleichheit innerhalb der Länder.
Mit dem Aufschwung des Welthandels einher ging auch eine erhebliche Zunahme an Umweltbelastungen. Containerschiffe verbrennen Schweröl, das besonders viele Schadstoffe wie Schwefel, Stickoxiden und CO2 emittiert. Die Schifffahrtsverbände weisen zwar darauf hin, dass die Schifffahrt gemessen an anderen Verkehrsträgern besonders umweltfreundlich ist, weil sie eben so große Gütermengen transportiert und je beförderter Tonne weniger Schadstoffe verursacht als Lastwagen oder Flugzeuge.
Das ändert aber nichts daran, dass die Schifffahrt rund 800 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstößt, nach Angaben des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR). Das entspricht zehn Prozent der Emissionen aller Verkehrsträger. In einigen Fahrtgebieten wurden die Grenzwerte von der Internationalen Schifffahrtsorganisation bereits verschärft, zum Beispiel an den Küsten Nordamerikas oder in Nord- und Ostsee. Weitere Verschärfungen stehen in den nächsten Jahren bevor.
Unter dem Konkurrenzdruck vor allem aus Asien sind ganze Industriebranchen aus Europa und den USA abgewandert und verschwunden. Dazu gehören die Fertigung von Kleidung, Unterhaltungselektronik und Massenprodukten aller Art, die in großen Mengen vor allem in China gefertigt werden. Unternehmen, die sich nicht anpassen konnten, sind untergegangen. Viele Arbeitnehmer in den Industrieländern verloren durch die Globalisierung ihre Arbeit. Durch die Konkurrenz von hunderten Millionen billiger Arbeitskräfte stehen die Arbeitsplätze in den westlichen Industrieländern unter einem Dauerdruck.
Die Globalisierung hat nicht nur Marken-Konsumartikel bis in den letzten Winkel der Erde verfügbar gemacht. Überall gibt es Coca-Cola, McDonald's und Levi's. Doch nicht nur der Konsum, auch die Produktion hat sich weltweit angeglichen und standardisiert. Angepasste regionale Produktionsmethoden wurden ersetzt durch hoch technisierte westliche Methoden. Kulturell vereinheitlichen sich Kleidung, Musik, Filme, Konsum und Sprache tendenziell weltweit zu einem westlichen „Lifestyle“.
Als Erfinder der genormten Transportbox gilt der Amerikaner Malcolm McLean. Schon in den 1950er Jahren hatte der Spediteur die Idee, unterschiedliche Waren in Großbehälter zu packen. Er gründete dann seine Reederei Sea-Land. Der Containerverkehr habe zunächst an der Ost- und Golfküste der USA begonnen, sagt Detken. Transportiert wurden die Blechkisten auf umgebauten konventionellen Frachtern, die mit Bordkränen auf- und abgeladen wurden. Auch die „Fairland“ war so ein Schiff. „Containerbrücken gab es damals noch gar nicht.“ Die erste Brücke kam aus den USA, kostete eine Million Dollar und stand im Neustädter Hafen, dem 1968 in Betrieb genommenen ersten Containerhafen in Bremen.
Hamburger Hafen hat die Nase vorn
Der Einzug des Containers veränderte Vieles – nicht nur für die Arbeiter im Hafen. „Auch die Kunden mussten lernen, Container zu packen“, erinnert sich Reedereikaufmann Peter Jansen. Er arbeitete damals für die New England Express Line, die zu den ersten Kunden im Neustädter Hafen zählte. Die Reederei hatte einen regelmäßigen Container-Liniendienst zwischen Boston und Bremen. In den Anfangszeiten gab es viele Beschädigungen. „Fässer rollten durch die Container, weil sie nicht festgezurrt waren.“ Auch seien Waren zusammengepackt worden, die dann chemische Reaktionen auslösten. „Wir haben dann schon Container aufgemacht und fielen fast in Ohnmacht“, sagt Jansen.
Die beliebtesten Flaggen der deutschen Reeder
Etwa 3200 Schiffe umfasst die deutsche Handelsflotte. Davon fahren rund 1025 Schiffe mit der Flagge Liberias. Das Land an der Elfenbeinküste fordert mindestens eine 16-köpfige Besetzung. An einem Schiff mit deutscher Flagge müssen mindestens 19 Seeleute an Bord sein.
950 der in Deutschland registrierten Handelsschiffe fahren unter der Flagge des karibischen Inselstaats Antigua und Barbuda.
Mit 370 Schiffen nimmt die deutsche Flagge nach den Daten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie immerhin den dritten Platz der beliebtesten Flaggen ein. Doch nur 200 der Schiffe fahren nach Angaben des Verbands deutscher Reeder auch in internationalen Gewässern.
Der Inselstaat Malta ist die beliebteste europäische Flagge bei deutschen Reedern. 184 Schiffe fahren mit dem weiß-roten Banner.
171 Schiffe fahren unter der Flagge der Marshallinseln, die im pazifischen Ozean liegen.
Auch Zyperns Flagge ist bei den Reedereien beliebt: 134 Schiffe fahren unter der Flagge, die die Konturen des Staates zeigt.
Die restlichen 410 der in Deutschland registrierten Handelsschiffe fahren unter anderen Flaggen.
Und so mancher Container musste auf dem Terminal auch gesucht werden. „Es gab keine geregelte Zufahrt und die Trucker haben die Container irgendwo abgestellt“, sagt Jansen. „Bei der Beladung des Schiffes passierte dann zwei Stunden lang gar nichts, weil der Container noch nicht da war.“ Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute sind die Container genau positioniert auf dem Gelände, einer nach dem anderen verschwindet im Schiff.
Für den Containerverkehr spielt der Neustädter Hafen in Bremen schon lange keine Rolle mehr. Den Überseehafen gibt es gar nicht mehr. Er ist zugeschüttet, Wohnungen und Firmengebäude sind dort entstanden. Bremerhaven mit seinem Terminals 1 bis 4 ist nun hinter Rotterdam, Antwerpen und Hamburg der viertgrößte Containerhafen Europas.