1. Der historische Preisfokus
Deutschland gilt als Discounter-Nation. Als erste Händler stellten die Gebrüder Albrecht den Preis ins Zentrum ihrer Geschäftsidee und trafen mit dem Aldi-Prinzip in den 60er Jahren den Nerv der Kundschaft. Sie zogen den damals gesetzlich erlaubten Rabatt von drei Prozent von vornherein vom Preis ab. Zudem strichen sie das gesamte Warensortiment rigoros zusammen und sparten an allem, was unnötige Kosten verursachte. Der Discount-Handel war erfunden, wurde von den Markenherstellern und etablierten Händlern aber argwöhnisch beobachtet und bekämpft. Bis in die frühen 70er Jahre verteidigten sie die sogenannte Preisbindung der zweiten Hand für Lebensmittel und Getränke, die es dem Handel untersagte, seine Preise selbst festzulegen.
Aldi wurde wegen seiner Discountangebote von der Markenartikelindustrie nicht beliefert. Deshalb war das Unternehmen gezwungen, eigene Marken zu entwickeln und zu verkaufen. Als die gesetzliche Preisbindung 1974 schließlich kippte, konnten Händler auch Herstellermarken günstig verkaufen, was den Weg für den Einstieg weiterer Discounter wie Lidl und Penny ebnete. Während sich in anderen Ländern Anbieter mit dem größtem Sortiment oder dem besten Service durchsetzen konnten, etablierte sich in Deutschland eine Handelskultur, die vor allem auf Effizienz ausgerichtet ist und auf Niedrigpreise setzt. Gerade, wenn Konsumenten in wirtschaftliche Krisensituation sparen müssen, bieten sich damit Markteintrittschancen.
Fast alle deutschen Handelsketten, die derzeit mit Expansionsplänen im Ausland aufwarten, haben denn auch eines gemeinsam: Ihr Fokus liegt auf dem Verkauf von Waren zu besonders günstigen Preisen.
2. Frühe Internationalisierung
Der „Exportweltmeister“ Deutschland setzte auch im Einzelhandel früh auf Internationalisierung. Aldi übernahm 1968 die österreichische Kette Hofer, Metro schloss im gleichen Jahr einen Vertrag mit der Dutch Steenkolen Handelsvereeniging und eröffnete unter dem Namen Makro in den Niederlanden den ersten Markt außerhalb Deutschlands.
Nach und nach tummeln sich immer mehr deutsche Händler jenseits der deutschen Grenzen. Zunächst ist Westeuropa ihr bevorzugtes Ziel, nach dem Fall der Mauer kommen Osteuropa und später Asien dazu. Jetzt scheinen die USA zur bevorzugten Expansionsdestination zu werden.
Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands
Bartells-Langness
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)
Globus
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro
Rossmann
Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro
dm
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro
Lekkerland
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro
Metro (Real, Cash & Carry)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)
Aldi (Nord und Süd)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)
Rewe-Gruppe
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)
Edeka (inkl. Netto)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro
Quelle: TradeDimensions / Statista
3. Überschaubarer Heimatmarkt
Dass die Händler schon seit Jahrzehnten ins Ausland drängen, liegt letztlich auch am überschaubaren und hart umkämpften Heimatmarkt. Nirgendwo sonst in Europa ballen sich ähnlich viele Supermärkte, Discounter und Drogerieanbietern wie in Deutschland.
Die Händler sind schlicht gezwungen, ins Ausland zu expandieren, um weiter zu wachsen. Zum Beispiel Aldi: „Während im Heimatmarkt Deutschland die Wachstumsmöglichkeiten extrem limitiert sind“, sagt Boris Planer, Discountexperte von Planet Retail , „ist das langfristige Potential in einigen der größten Auslandsmärkte der Welt noch über Jahrzehnte attraktiv: die USA, Großbritannien und perspektivisch auch China gehören dazu.“ Nicht nur Aldi macht sich nun daran, das Potential zu heben.