Alkohol-Konsum Frauen trinken fast genauso viel wie Männer

Lange galt es als ausgemacht, dass Männer mehr trinken als Frauen. Eine internationale Studie zeigt: Das ist ein Vorurteil. Frauen bechern ähnlich viel. Das ist unter anderem die Folge gezielter Marketingstrategien.

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Alkoholika richten sich oft gezielt an Frauen. Quelle: dapd

„Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel“, schrieb einst der US-Schriftsteller Charles Bukowski, verschrien als Gossenpoet, Schutzpatron all derer, die ihr Heil in der Flasche suchten und Chauvinist.

Was das Risiko für eine Alkoholsucht begünstigt

Ebenso wie die chauvinistische Haltung, die dem Schriftsteller immer wieder vorgeworfen wird, nicht ganz der Wahrheit entspricht, ist es ein Vorurteil, dass Männer mehr trinken als Frauen. Zumindest heutzutage.
Schon in den Bukowski-Romanen tummeln sich allerlei trinkfeste Frauenzimmer aus der Unterschicht. Und auch die Millionärsgattin, die zu tief ins Sektglas guckt, ist keine neue Figur.

Dass sich der Alkoholkonsum beider Geschlechter angeglichen hat, zeigt nun auch eine Studie, die Forscher des nationalen Drogen- und Alkoholforschungszentrums der Universität von New South Wales in Australien im Online-Journal „BMJ Open“ veröffentlicht haben. Demnach trinken Frauen mittlerweile im internationalen Vergleich ähnlich viel Alkohol wie Männer.

,,So viel Alkohol steckt in ... "

Um die Entwicklung im Zeitverlauf aufzuzeigen, haben die Forscher Daten aus rund 70 Studien ausgewertet, die zwischen 1980 und 2014 veröffentlicht wurden. Sie umfassen mehr als vier Millionen Stichproben. Alle untersuchten Studien enthalten Vergleiche der Trinkmuster zwischen Männern und Frauen über unterschiedliche Zeiträume.

Bei der Untersuchung betrachteten die Forscher folgende Kriterien: Lebenszeit und Alkoholmissbrauch oder –abhängigkeit der Teilnehmer, alkoholbedingte Probleme und Behandlung derselben und den Zeitraum des Konsums sowie der Entwicklung der damit verbundenen Probleme.

Eingeteilt wurden die Teilnehmer in verschiedene Zeitrahmen. Der erste umfasst die Geburtenjahrgänge 1891 bis 1910, der letzte 1991 bis 2000. Alle anderen decken je fünf Jahre ab. Die Daten zeigen: Insbesondere nach dem Geburtsjahrgang 1966 glich sich der Alkoholkonsum der Geschlechter an.

Woran Sie erkennen, dass Ihr Kollege noch betrunken ist
Sie googeln im Internet nach Anzeichen, ob Sie betrunken sindWeitere Hinweise darauf, ob und wie stark man betrunken ist, haben die Psychologin Hedda Ruhle und die Heilpraktikerin Sandra Maxeiner in ihrem Buch „Dr. Psych's – Psychopathologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie“ zusammen getragen. Quelle: dpa
Konzentration und Leistung lassen nach0,2 bis 0,4 Promille; minimaler Alkoholeinfluss Quelle: dpa
Sie reden viel, suchen Kontakt und sind voller Elan0,5 bis 1,4 Promille; leichter Rausch Quelle: dpa
Die Risikobereitschaft steigt - und auch der Hang, Fehler zu machen0,5 bis 1,4 Promille; leichter Rausch Quelle: dpa
Langsame Reaktionen und unkoordinierte Bewegungen1,5 bis 2,5 Promille; mittelschwerer Rausch Quelle: dpa
Die Hemmungen sind gefallen1,5 bis 2,5 Promille; mittelschwerer Rausch Quelle: dpa
Sie lallen statt zu sprechen, verschlucken Worte, versprechen sich – und sind ab und zu depressiv1,5 bis 2,5 Promille; mittelschwerer Rausch Quelle: dpa

Zwischen 1891 und 1910 tranken Männer noch mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit Alkohol wie Frauen – 100 Jahre später waren beide nahezu gleichauf. In diesem Zeitraum näherte sich der Konsum der Frauen dem der Männer im Schnitt alle fünf Jahre um 3,2 Prozent an.

Einschränkend festzustellen ist, dass die Autoren nicht die jeweils konsumierte Menge Alkohol von Frauen und Männern untersuchten, sondern nur das Verhältnis. Ob Frauen im Laufe der Jahre öfter zur Flasche griffen, Männer schlicht weniger tranken oder beides der Fall war, lässt sich daher aus den Daten nicht abschließend ablesen.

Die vier Phasen des Alkohol-Rauschs

Allerdings legen viele unter den mehr als 40 untersuchten Studien nahe, dass Frauen im Laufe der Zeit tatsächlich mehr Alkohol tranken. So sagte etwa Katherine Brown, Direktorin des Instituts für Alkohol-Studien, dem britischen „Guardian“: „Historisch gesehen haben Frauen nicht so viel getrunken. Es gab definitiv eine proaktive Anstrengung Frauen dazu zu bringen, mehr zu trinken.“ Es fänden sich auf dem Markt heute allerlei Alkoholika, die sich gezielt an Frauen richteten. Einer der frühen Vertreter ist Babycham, ein Drink, der 1953 in Großbritannien auf den Markt kam und als erstes Alkoholprodukt im britischen Fernsehen beworben wurde. Die Werbung sprach gezielt Frauen an.

Was damals ein neues Phänomen war, ist heute Alltag. Im Supermarktregal haben die Getränkehersteller allerlei süße und fruchtige Alkoholika positioniert, die insbesondere Frauen schmecken sollen. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen: „Konzentrierte Bemühungen, die den Einfluss von Substanzen und den mit ihnen verbunden Gefahren verringern, sollten insbesondere auf junge Frauen abzielen.“

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