Anton Schlecker Der Bankrott-Prozess gegen den Drogeriepleitier nimmt Fahrt auf

Vor dem Landgericht Stuttgart wehren sich zwei Wirtschaftsprüfer gegen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft im Fall Schlecker - und lassen die Ankläger nicht besonders gut aussehen.

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Die Familie auf der Anklagebank
Anton SchleckerDer 72-Jährige ist der große Unbekannte. Selbst örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter haben kaum Kontakt zu ihm. Nach der Pleite soll sich Anton Schlecker auch von Vertrauten zurückgezogen haben. Der gelernte Metzgermeister eröffnete 1975 den ersten Schlecker-Markt. Bereits zwei Jahre später betrieb er schon mehr als 100 Filialen. Er baute ein Imperium auf und beschäftigte in Glanzzeiten mehr als 55.000 Menschen. Konkurrent Dirk Roßmann, der Schlecker und dessen Frau seit Jahren kennt, sagte jüngst in einem Beitrag des SWR: „Fleißig waren die beiden, unglaublich.“ Außerdem seien sie hilfsbereit und großzügig gegenüber Freunden. Im Geschäft hingegen achtet Schlecker auf jeden Cent. Er und seine Frau wurden in den 1990er Jahren zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt, weil sie Hunderte Mitarbeiter jahrelang unter Tarif bezahlt hatten. Quelle: dpa
Christa-Schlecker Quelle: dpa
Lars Schlecker Quelle: dpa
Die-Geschwister-Schlecker Quelle: dpa
Meike-Schlecker Quelle: dpa

Fast drei Stunden steht Wirtschaftsprüfer A. Rede und Antwort. Er sowie sein früherer Kollege Professor M. gehören zu den Angeklagten im größten Wirtschaftsstrafprozess des Jahres: dem Großverfahren gegen Drogeriepleitier Anton Schlecker und seine Familie vor dem Landgericht Stuttgart.

Die Schleckers haben sich in gewohnter Ordnung platziert, auch wenn diesmal - am dritten Verhandlungstag - im großen Saal des Landgerichts verhandelt wird. Vorn, in der Mitte des Saals sitzen die Richter der Kammer, hinter ihnen stehen Aktenordner, darüber prangt das Landeswappen als schwarze Stahlskulptur. Anton Schlecker, flankiert von seinem Verteidiger Norbert Scharf, sitzt nur wenige Meter vom Richtertisch entfernt. Dahinter haben sich seine Frau Christa, und seine beiden Kinder Lars und Meike Schlecker mit ihren Anwälten postiert. Vom Zuschauerbereich trennt sie nur ein Geländer in Hüfthöhe, „Vorsicht Stufe“ warnt eine Plakette auf dem dunkelbraunen Holz.

Tatsächlich ist die Gefahr des Strauchelns groß - nicht nur für den Schlecker-Clan. Auch für die beiden Prüfer steht viel auf dem Spiel. Sie haben den Jahresabschluss des Konzerns vor der Pleite 2012 geprüft und - laut Anklage - dabei falsche Bilanzierungen testiert und gedeckt.

Stationen der Schlecker-Insolvenz

Was zunächst nach einem klaren Vorwurf klingt, erweist sich vor Gericht indes als Ausflug in die Details der Bilanzierungspraxis. Durften stille Beteiligungen der beiden Kinder Lars und Meike Schlecker als Eigenkapital betrachtet werden? Hätte ein Darlehen einer familieneigenen Gesellschaft im Zahlenwerk anders abgebildet werden müssen? Wie wurden die Zahlungen im Schlecker-Reich gebucht?

Zunächst aufgeregt, dann sachlich und nüchtern trägt Wirtschaftsprüfer A. seine Sicht der Dinge vor. Eine über ein Darlehen finanzierte Privateinlage von Schlecker im Jahr 2009 sei demnach zu Recht als Eigenkapital ausgewiesen worden. Schlecker hatte damals einen Kredit von rund 50 Millionen Euro von der LDG, der Logistikfirma seiner Kinder Lars und Meike, in das laut Anklage schon 2009 zahlungsunfähige Unternehmen als Einlage verbucht, um Verluste auszugleichen. Nach Darstellung des Prüfers war das bilanzrechtlich korrekt.

Doch der Vorsitzende Richter Roderich Martis gibt sich damit nicht zufrieden, fragt immer wieder beharrlich nach.

Erst ein Handybimmeln unterbricht die Bilanzexegese. Ein alter Mann in der dritten Reihe des Zuschauerbereichs nestelt ein Uralt-Telefon aus seinem dunkelblauen Parker. Es klingelt weiter. Eine Beamtin in Uniform tritt an ihn heran, während der Senior hektisch auf das Gerät eintippt. Inzwischen wird auch der Richter fuchsig. „An dieser Stelle weise ich daraufhin, dass wir demnächst die Personalien aufnehmen und Ordnungsgelder verhängen werden.“ Danach ist Ruhe - und die Befragung geht weiter.

Punktgewinn für die Schlecker-Verteidigung?

Noch im August 2011 hätte Anton Schlecker während eines Gesprächs im Besprechungsraum der siebten Etage der Konzernzentrale beteuert, dass die Liquidität des Konzerns jederzeit gesichert sei. „Wir wollten die Prüfungshandlungen abschließen“, erinnert sich der Prüfer, daher habe er mit Schlecker über die künftige Entwicklung und den Fortbestand des Unternehmens gesprochen. Anschließend hätten die Wirtschaftsprüfer ihr Testat erteilt. Beide Prüfer beschreiben ihr Vorgehen nach wie vor als „korrekt“.

Die Schlecker-Familie verfolgt die Aussagen der beiden Prüfer derweil ohne große Regung. Nur ihre Anwälte nicken teils zustimmend, als Professor M. seine Argumente vorträgt und dabei geballtes Bilanz-Know-how aufblitzt. Selbst die Ankläger beschränken ihre Nachfragen auf das Nötigste. Ein Punktgewinn für die Verteidigung?

Es wirkt fast so. Selbst der Vorsitzende Richter merkt gegen Ende des dritten Verhandlungstages an, dass sich aktuell nicht unbedingt aufdrängen würde, dass Schlecker über die Tiefen der Nachrangigkeit von Darlehen informiert gewesen sein muss. Ist das ein erster Seitenhieb in Richtung Staatsanwaltschaft?

Klar ist, der Schlecker Prozess nimmt Fahrt auf.

Die Schlecker-Insolvenz in Zahlen

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