Brennnesseln statt Chia-Samen Welche neuen Superfoods jetzt die Regale erobern

Superfood getaufte Lebensmitteln mit angeblichen Gesundheitsvorteilen sind angesagt wie nie. Nun spült der Ernährungstrend die nächste Produkt-Welle in die Regale, glaubt Nielsen-Expertin Anne-Kathrin Haubert.

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Superfood wie Chia-Samen (dunkel) und Quinoa Pops liegen im Trend. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Frau Haubert, haben Sie ihr Frühstück heute mit Chia-Samen, Goji-Beeren oder anderen sogenannten Superfoods genossen?

Anne-Kathrin Haubert: Ich muss gestehen: Das Thema Superfood beschäftigt mich hauptsächlich aus Forschungssicht. Ich selbst esse bislang kaum Superfood. Sie sehen also: Der Superfood-Trend hat – auch wenn er weiter Fahrt aufnimmt – noch längst nicht alle deutschen Konsumenten erreicht.

Anne-Kathrin-Haubert Quelle: Nielsen Deutschland

Sie haben im Rahmen einer umfangreichen Studie untersucht, warum sich Verbraucher für alternative Ernährungsstile entscheiden und dafür 2.000 Verbraucher zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Warum ist Superfood so beliebt?

Immer mehr Menschen legen Wert auf eine bewusste und gesunde Ernährung – das ist ein sehr tiefgreifender Trend, den wir seit Jahren beobachten. Wenn wir Studienteilnehmer nach den Themen befragen, die sie am stärksten bewegen, wird neben politischen Themen wie Terrorismus und Kriminalität auch sehr schnell die Sorge um die eigene Gesundheit genannt. In der Folge versuchen die Deutschen ihre Lebensmittel und damit ihre Ernährung zu optimieren. In den 90er Jahren griffen viele dafür zu Vitamin-Brausetabletten. Heute soll mit möglichst natürlichen Mitteln ein ähnlicher Effekt erzielt werden. Superfoods sind ein bedeutender Teil dieser Trendwelle. Sie sind in den Augen vieler Verbraucher eine gute Möglichkeit, sich bewusster und gesünder zu ernähren.

Wissenschaftlich belegt ist der Gesundheitsnutzen nicht.

Stimmt, es ist aber auch keine schädliche Wirkung bekannt. In der Wahrnehmung reicht das vielen Verbrauchern offenbar aus. Anders formuliert kann man durchaus sagen, dass der Mehrwert eines Nahrungsmittels auch ideeller Natur sein kann. Wenn ich als Konsument das Gefühl habe, dass mir Goji-Beeren und Chia-Samen gut tun, dann kaufe ich sie – auch wenn es dafür keine wissenschaftlichen Belege gibt und sie vergleichsweise teuer sind.

Acht Superfoods - und was sie können

Zeigen das auch die Verkaufszahlen?

Ja, im Handel sorgt Superfood tatsächlich gerade für super Umsätze. Während der Umsatz mit Superfood in Deutschland 2014 noch bei 1,5 Millionen Euro lag, erreichten die Produkte 2016 schon 42,6 Millionen Euro. Das liegt zum einen an der gestiegenen Nachfrage, aber zugleich auch an der Ausweitung des Angebots, das sich seit Anfang 2016 fast verdoppelt hat. Viele Drogeriemärkte und Discounter haben entsprechende Eigenmarken in ihr Sortiment aufgenommen.

Wie sieht der typische deutsche Superfood-Käufer aus?

Es sind verstärkt Paare oder Familien mittleren Alters, die relativ wohlhabend sind und ohnehin versuchen, sich gesund zu ernähren. Sie zeichnen sich durch eine erhöhte Affinität zu Bio aber auch zu vegetarischen Alternativen aus.

Der Verkauf von "Superfood" getauften Lebensmitteln mit angeblichen Gesundheitsvorteilen erreicht neue Rekordwerte, berichtet die WirtschaftsWoche.
von Henryk Hielscher

Zu welchen Superfood-Produkten greifen die Kunden am liebsten?

Vor allem zu Chia-Samen. Insgesamt machen sie rund 63 Prozent des Umsatzes mit Superfood aus. Das liegt auch daran, dass Chia-Samen als eine Art Ur-Superfood wahrgenommen und nicht mehr nur als Einzelprodukt verwendet werden. Sie spielen auch als Veredelungszutat zum Beispiel für Müslis, Smoothies und Brote eine Rolle. Danach kommen Trockenfrüchte wie Goji- oder Aronia Beeren und Nahrungsergänzungspulver wie Spirulina, Moringa und Weizengras.

Wird der Trend weiter anhalten?

Wir beobachten derzeit eine zweite Superfood-Welle. In den Regalen der Händler sieht man nicht mehr nur Chia & Co., sondern auch lokale Superfoods wie Brennnesseln, Leinsamen oder auch Heidelbeeren. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit schon das Ende der exotischeren Superfoods eingeläutet wird. Es kommt aber ein neuer Faktor dazu, der Verbrauchern wichtig ist: Regionalität. Für den Handel steckt in dem Thema damit noch viel Potenzial.

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