WirtschaftsWoche: Herr Hellmann, viele Menschen bezeichnen Shoppen als ihr Hobby. Concept Stores haben kein klar definiertes Angebot. Warum geht man da hinein?
Kai-Uwe Hellmann: Ist den Konsumenten wirklich unklar, was ihnen dort geboten wird? Sicher sind Concept Stores mitnichten jedermanns Sache, ebenso wenig wie Luxuswarenhäuser und Flagshipstores einzelner Marken. Aber die Vertriebskanäle sind längst mit einer Vielzahl von Erwartungen belegt. Ich gehe davon aus, dass darüber beinahe jeder Bescheid weiß. Eine gewisse Unübersichtlichkeit wirkt ja zunächst nur so. Sie werden, wie auch bei Shopping Malls, von einem hochgradig strategischen Konzept gesteuert. Dahinter steckt eine Kalkulation von Stilähnlichkeiten vom Luxusgeschäft bis zum Discounter. Ein Concept Store ist wohl kaum erfolgreich zu führen, wenn man solche Wahlverwandtschaften nicht wahrnimmt und geschickt arrangiert. Und jene Menschen, die diese Stores aufsuchen, wissen im Voraus, was sie erwartet – wenn auch diffus. Womöglich ist genau dies aber sogar hilfreich.
Wieso das?
Die Konsumenten, die dort hingehen, werden von einem bestimmten Erwartungsbündel geführt. Dieses erfüllt sich, weil es nicht sehr konkret strukturiert ist. Wie bei guten Filmen, die eine Mehrdeutigkeit aufweisen und verschiedenste Erwartungen erfüllen können, stellt bei Concept Stores das enorm heterogene Programm ein riesiges Potential dafür dar, um die Besucher und Kunden zu höchst unterschiedlichen Wahrnehmungen und Beobachtungen zu verleiten. Es ist also keineswegs ein Mangel, wenn die Geschäfte kein einheitliches Programm bieten, sondern eher eine Stärke. Offenheit, die einlädt, unterschiedliche Wünsche und Ideen zu bedienen.
Zur Person
Kai-Uwe Hellmann ist Professor für Konsum- und Wirtschaftssoziologie an der Technischen Universität Berlin. 2010 erschien sein Buch "Fetische Des Konsums: Studien zur Soziologie der Marke". Seine Aufsätze wie "Freizeit gestalten … im Freizeitregime", "Alles Konsum oder was? Zum Verhältnis von Freizeit und Konsum", oder "Der Zauberstab: ein Quell der Freude für jede gute Hausfrau." erscheinen reegelmäßig in Büchern oder Fachzeitschriften.
Eint denn die Concept Stores etwas?
Die Vielfalt. Es ist wichtig, dass Überfluss inszeniert wird. Es ist wichtig, dass man mit Komplexität geradezu überschüttet wird, dass man überwältigt wird von der Unübersichtlichkeit der Möglichkeiten. Es muss deswegen eine Mindestschwelle an Komplexität erreicht werden, um Konsumgesellschaft ästhetisch angemessen zu repräsentieren. Jeder einzelne Shop überfordert ja schon. Er lässt sich mit seinen vielfältigen Produktangeboten längst nicht mehr durchschauen, wie dies etwa beim Gründungskonzept von Aldi der Fall schien. Da fanden die Kunden eine überschaubare Anzahl von Grundlebensmitteln.
Die erfolgreichsten deutschen Luxus-Marken
Unternehmen: Talbot Runhof
Branche: Damenmode
Rang 2014: nicht vorhanden, da Neueinsteiger
Zum Ranking: Das Ranking der Markenbewerter von „Brand Networks“ und „Biesalski und Company“ zeigt die erfolgreichsten deutschen Unternehmen im Luxussegment. In ihrer Studie interviewten die Autoren über 180 Branchenexperten aus Einkauf, Handel und Fachpresse. Untersucht wurden Kriterien wie Bekanntheit, Perfektion, Design oder der Preisabstand der jeweiligen Marke zum Mittelfeld.
Doppelplatzierung, da gleiche Punktzahl:
Unternehmen: Schloss Elmau
Branche: Hotel
Rang 2014: 26
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Unternehmen: Dornbracht
Branche: Armaturen
Rang 2014: 21
Unternehmen: Interlübke
Branche: Wohnmöbel
Rang 2014: 20
Unternehmen: Occhio
Branche: Beleuchtung
Rang 2014: 22
Unternehmen: Nomos
Branche: Uhren
Rang 2014: 35
Unternehmen: Cor
Branche: Wohnmöbel
Rang 2014: 15
Unternehmen: Wempe
Branche: Schmuck und Uhren
Rang 2014: 25
Unternehmen: Walter Knoll
Branche: Wohnmöbel
Rang 2014: nicht vorhanden, da Neueinsteiger
Unternehmen: Robbe & Berking
Branche: Besteck
Rang 2014: 18
Unternehmen: Montblanc
Branche: Schreibgeräte
Rang 2014: 19
Doppelplatzierung, da gleiche Punktzahl
Unternehmen: Thonet
Branche: Wohnmöbel
Rang 2014: 13
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Unternehmen: Dedon
Branche: Gartenmöbel
Rang 2014: 14
Unternehmen: Iris von Arnim
Branche: Damen- und Herrenmode
Rang 2014: nicht vorhanden, da Neueinsteiger
Unternehmen: Wellendorff
Branche: Schmuck
Rang 2014: 16
Unternehmen: Meissen
Branche: Glas und Porzellan
Rang 2014: 10
Unternehmen: Jil Sander
Branche: Damen- und Herrenmode
Rang 2014: 17
Unternehmen: SieMatic
Branche: Küchenmöbel
Rang 2014: 12
Doppelplatzierung, da gleiche Punktzahl
Unternehmen: Leica
Branche: Foto/Optik
Rang 2014: 9
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Unternehmen: Poggenpohl
Branche: Küchenmöbel
Rang 2014: 11
Unternehmen: Schramm
Branche: Schlafmöbel
Rang 2014: nicht vorhanden, da Neueinsteiger
Unternehmen: Chronoswiss
Branche: Uhren
Rang 2014: 8
Unternehmen: T+A
Branche: Unterhaltungselektronik
Rang 2014: 7
Unternehmen: Gaggenau
Branche: Küchengeräte
Rang 2014: 6
Unternehmen: Jan Kath
Branche: Interieur
Rang 2014: nicht vorhanden, da Neueinsteiger
Unternehmen: Bulthaup
Branche: Küchenmöbel
Rang 2014: 5
Unternehmen: Porsche
Branche: Automobil
Rang 2014: 3
Unternehmen: Burmester
Branche: Unterhaltungselektronik
Rang 2014: 4
Unternehmen: Glashütte Original
Branche: Uhren
Rang 2014: 2
Unternehmen: A. Lange und Söhne
Branche: Uhren
Rang 2014: 1
Und die Kunden sind nicht überfordert?
Es ist doch so, dass wir Menschen in den vergangenen Jahrzehnten einen Sinn dafür entwickeln mussten, von immer mehr Komplexität, Innovation, Veränderung auszugehen. Mehr oder weniger gehen wir davon aus, dass es fast egal ist, was wir tun, weil es auch anders sein könnte. Das ist unsere Basissozialisation, mit der wir aufwachsen. Concept Stores bedienen diese Erwartungshaltung geradezu idealtypisch, also das, was die moderne Gesellschaft generell bedeutet. Im Konsumbereich kann der Mensch besser als irgendwo sonst die Erfahrung machen, was unsere Gesellschaft in Gänze bedeutet. Ob wir Politik, Recht, Wirtschaft oder Medizin betrachten: Immer geht es ja um ein Übermaß an Komplexität. Wir sind total überfordert, über irgendwas exakt Bescheid wissen zu können. Nur dass sich diese Überforderungserfahrung beim Konsum fast ins positive Gegenteil neigt, weil er Überfluss und Verschwendung symbolisiert.