Gegen Amazon, Zalando und Co. Wie ein Modehaus in der Provinz der Übermacht trotzt

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Eine Weichenstellung

„Dieses Konzept vom eigenen Modehaus in der eigenen Stadtgalerie, ergänzt durch externe Mieter, gibt es in einer Stadt dieser Größe nicht noch mal in Deutschland“, sagt Mitgeschäftsführer Jürgen Ahrens. Seit 32 Jahren arbeitet der Modespezialist in der Firma. Er ist damit der erfahren-abgeklärte Teil des Unternehmertrios. Gemeinsam mit Daniela Draberts Vater Fritz hat der Kahlkopf mit der schwarz umrandeten Designerbrille den radikalen Umbruch des Geschäftsmodells gewagt.

Eine Weichenstellung: Hagemeyer verabschiedete sich von einem Drittel der bisherigen Umsatzbringer und fokussierte sich auf ein rentableres Sortiment. Dadurch habe das Unternehmen Personalkosten gespart, sagt Ahrens: „Allein an Abteilungsleitern und Einkäufern brauchen wir heute nur die Hälfte der damaligen Besetzung.“

Die Konzentration auf Schuhe und Mode hat sich ausgezahlt. In dem schwierigen Markt hat Hagemeyer den Umsatz in den vergangenen 20 Jahren bei 50 Millionen Euro insgesamt stabil halten können. Im ausgebauten Kerngeschäft mit Mode sind die Erlöse um 72 Prozent gewachsen. „Wir haben uns ganz gut geschlagen“, sagt Ahrens. Zeit zum Ausruhen gebe es aber nie. Es sei „eine Anstrengung, in den schwarzen Zahlen zu bleiben“.

Zwei Familienstämme, zwei Generationen. Hagemeyer-Führungstrio Jürgen und Stephan Ahrens (v. l.), Daniela Drabert. Quelle: Marcus Simaitis für WirtschaftsWoche

Erreicht wird das – so banal es klingt – durch steten Wandel. Hagemeyer sieht sich als einen der Trendsetter im deutschen Mode-Mittelstand. Die erste Kaffeebar hat das Unternehmen schon im Jahr 2000 eingebaut, „bevor irgendwer sonst in der Branche darüber nachgedacht hat“, meint Drabert. Weit vorn waren die Mindener auch mit ihrem Schuhangebot. Gefällig arrangiert stehen Ballerinas, Pumps und Winterstiefel im Obergeschoss, neben Reisegepäck wie violetten Rimova-Koffern. Die Schuh-Fläche von 1000 Quadratmetern kann es mit jedem Fachgeschäft aufnehmen. 2011 führte Hagemeyer zudem als weltweit erstes Geschäft das neue Accessoire-Konzept des Modelabels Tommy Hilfiger ein. Der zweite derartige Laden im Laden machte danach in New York auf.

Im Frühjahr steht der nächste Innenumbau an. Das Sortiment für Damenmode wird neu geordnet, der Eingangsbereich für jüngere Kundinnen aufgefrischt. Zudem richtet das Modehaus 2017 Räume mit eigener Umkleidekabine für das „Personal Shopping“ ein: Der vom jeweiligen Kunden bevorzugte Verkäufer zeigt dort nach einem Rundgang durchs Haus, welches Hemd und welche Krawatte am besten zu Anzug und Schuhen passen. Auf Wunsch kommen Verkäufer zum „Kleiderschrank-Check“ sogar nach Hause.

Der Reiz der europäischen Luxuskaufhäuser
Luxuskaufhäuser Quelle: dpa
Harrods Quelle: dpa
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KaDeWe Quelle: dpa
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La Rinascente Quelle: dpa
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In der Nähe zu ihren Kunden sehen die Geschäftsführer ihre größte Stärke im Kampf mit dem Onlinehandel. „Unsere Mitarbeiter sind besser als jeder Algorithmus“, sagt Ahrens. Viele Verkäufer beraten ihre Kunden seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten. Sie kennen ihren Geschmack, wissen, ob sie eher nach Schnäppchen jagen oder die neuesten Fashion-Trends testen. „Wir müssen unseren Angestellten nur modernere Werkzeuge an die Hand geben. Und wir müssen schneller werden“, sagt Ahrens. Bisher neige Hagemeyer dazu, „Ideen zu lange zu perfektionierten, bevor wir sie ausrollen“.

Bestes Beispiel: die Kundenkarte. Die hat Hagemeyer erst im Frühjahr herausgebracht. „Wir haben den Mehrwert früher nicht gesehen“, sagt Ahrens. Die Kunden sehr wohl: Nach nur einem Dreivierteljahr haben fast 42 000 Käufer Karten aktiviert. Bei der Hälfte des Gesamtumsatzes kommen sie schon zum Einsatz. Inhaber können den hauseigenen Schneiderservice gratis nutzen, ein Bonusprogramm belohnt sie mit Punkten, die künftige Einkäufe verbilligen. Dabei bindet die Karte die Kundschaft nicht nur ans Unternehmen, sondern verrät auch viel über sie.

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