Das schwierige Ringen um die Zukunft der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann nimmt eine unerwartete Wende. Ein Schlichtungsverfahren soll eine Lösung im festgefahrenen Konflikt um die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann bringen. Auf Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und dem Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske hätten sich Edeka, Tengelmann und Rewe heute auf ein solches Verfahren unter Leitung des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder verständigt, teilte das Ministerium am Montag mit.
Ebenfalls an Bord geholt werde der langjährige Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Bert Rürup. „Für die Unternehmen werden die Vorstandsvorsitzenden an der Mediation teilnehmen“, hieß es weiter. Ziel sei es, auf der Grundlage der von Gabriel erteilten Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka zeitnah einen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten zu ermöglichen. „Für die Dauer des Verfahrens wird keine Übergabe von Tengelmann-Filialen an Dritte erfolgen und ist zwischen den Parteien Stillschweigen vereinbart“, heißt es in der Mitteilung. Damit ist die Zerschlagung der kriselnden Kette zunächst gestoppt.
Bsirske begrüßte die Einigung auf das Schlichterverfahren als "ein wichtiges Signal". Es zeige, dass "alle bereit seien, aufeinander zuzugehen und einen fairen Interessenausgleich anzustreben", heißt es in einer Verdi-Mitteilung.
Zuvor hatten Gabriel und die Gewerkschaft Verdi versucht, die Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann doch noch abzuwenden. Gabriel nehme an Gesprächen zu Kaiser's Tengelmann teil, sagte eine Sprecherin des Ministers am Montag.
Auch Verdi betonte, es gebe weiter Kontakte. Zuvor hatte nach dem Discounter Norma auch die Handelskooperation Markant angekündigt, ihre Klage gegen Gabriels Sondererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Branchenprimus Edeka zurückzuziehen.
Gabriels Sprecherin wertete dies als Signal für andauernde Bemühungen, noch eine Lösung zu finden. "Der Ball liegt erst einmal bei den beteiligten Unternehmen", fügte sie hinzu. Gabriels Sondererlaubnis kann nur in Kraft treten, wenn auch Rewe seine Klage zurückzieht. Der Kölner Handelsriese erklärte, er begrüße die Fortsetzung der Gespräche zu Kaiser's Tengelmann. Rewe setze weiter auf eine Aufteilung der Kette.
Gabriel unterstrich über seine Sprecherin noch einmal sein Interesse daran, im Sinne der über 15.000 Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann eine Lösung für den Übernahmestreit zu finden. Der Wirtschaftsminister hatte mit seiner Sondererlaubnis für die Übernahme, bei der er Einwände des Bundeskartellamts beiseite geräumt hatte, die Klagen der Konkurrenten Rewe, Markant und Norma ausgelöst. In einer Eilentscheidung hatte das Düsseldorfer Oberlandesgericht dann im Sinne der Kläger entschieden und den Vollzug der Ministererlaubnis erst einmal gestoppt. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub will Kaiser's Tengelmann indes an Edeka verkaufen.
Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann
Der Handelskonzern Tengelmann teilt mit, seine Supermärkte an Edeka verkaufen zu wollen. Die verbliebenen rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die seit Jahren rote Zahlen schreiben, sollen bis Mitte 2015 komplett an den deutschen Marktführer gehen.
Das Bundeskartellamt untersagt Edeka die Übernahme. Die Behörde befürchtet Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb.
Tengelmann und Edeka wollen das Veto des Kartellamts nicht hinnehmen. Sie beantragen eine sogenannte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt grünes Licht für die Übernahme - unter harten Auflagen. So muss Edeka den Erhalt von über 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Edeka-Konkurrent Rewe legt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis ein, wie auch Markant und Norma.
Das Oberlandesgericht stoppt die Ministererlaubnis vorläufig. Die Ausnahmegenehmigung Gabriels sei rechtswidrig. Er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Gabriel wirft dem Gericht schwere Versäumnisse vor. Das Urteil enthalte falsche Behauptungen.
Edeka geht juristisch gegen den Stopp der Fusion durch das Oberlandesgericht vor. Das Unternehmen reicht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH will darüber am 15. November entscheiden.
Auch Gabriel legt Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Darüber soll ebenfalls Mitte November entschieden werden. Kaiser's Tengelmann läuft unterdessen die Zeit davon.
Die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen sich zu einem Rettungsgespräch treffen.
Der Aufsichtsrat von Kaiser's Tengelmann soll angesichts hoher Verluste über die Schließung von Filialen und den Abbau Tausender Arbeitsplätze beraten. Damit würde der Deal mit Edeka platzen und die Kette wohl zerschlagen.
Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.
Die Verhandlungen zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und Verdi sind gescheitert. Die Supermarktkette wird nun zerschlagen. Noch am Abend bereitet Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub die Mitarbeiter auf den Verlust vieler Arbeitsplätze vor.
Haub erklärte am Sonntagabend, nach Norma habe er sich auch mit Markant auf eine Rücknahme der Klage gegen die Ministererlaubnis verständigt. Über Zugeständnisse an den Handelsverbund machte er keine Angaben. Ziehen alle drei Edeka-Konkurrenten ihre Klagen zurück, wäre der Weg für Edeka doch noch frei. Gelingt dies nicht, will Haub die verlustreiche Kette zerschlagen. Er holt bereits Offerten von Interessenten für die Märkte in Nordrhein-Westfalen ein.
Die Chefs der Supermarktketten hatten bereits in zwei von Verdi vermittelten Spitzentreffen erfolglos um eine Lösung gerungen. Bei dem letzten Treffen am 6. Oktober war Norma zugesagt worden, im Gegenzug für einen Verzicht auf die Klage einen Ausgleich in Höhe eines Umsatzvolumens von 150 Millionen Euro zu erhalten. Rewe sollte Zugriff auf Märkte in Nordrhein-Westfalen und Berlin bekommen, die Kaiser's-Tengelmann-Filialen in Bayern sollten an Edeka fallen. Dieser Kompromissvorschlag war gescheitert.
Für Rewe ist er aber nicht vom Tisch: "Wir stehen nach wie vor für eine faire Aufteilung (..), so wie die beteiligten Parteien dies zuletzt bei ihrem Spitzengespräch am 6. Oktober vereinbart hatten", erklärte Rewe nun. Am Dienstag können die Betriebsräte von Kaiser's Tengelmann nun noch einmal bei Rewe-Chef Alain Caparros für eine Lösung werben: Caparros habe sie zu einem Gespräch eingeladen, berichtete die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" vorab.