Lidl will den Zucker- und Salzgehalt in seinen Eigenmarken um 20 Prozent reduzieren. Aldi Süd arbeitet seit Jahresanfang klimaneutral. Rewe schickt die Plastiktüte in Rente. Und Edeka wirbt mit der bundesweiten Einführung von Milch und Milchprodukten mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“. Ob Umweltschutz, Tierwohl oder Verbrauchergesundheit: Die großen deutschen Lebensmittelhändler greifen immer häufiger gesellschaftliche Reizthemen auf.
Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU ist das Engagement der Handelsketten eine Antwort auf die geänderten Erwartungen der Verbraucher. „Von Einzelhändlern wird heute viel mehr verlangt als nur gute Ware zu einem günstigen Preis. Die Käufer erwarten, dass die Unternehmen auch bei gesellschaftlichen Themen und in Umweltfragen Flagge zeigen. Dem müssen Firmen wie Aldi, Lidl oder Rewe Rechnung tragen“, erklärt er die aktuelle Entwicklung.
Der Kampf um das gute Gewissen der Kunden wird inzwischen fast genauso verbissen geführt wie der Preiskampf im Handel. Seitdem Lidl im Sommer vergangenen Jahres beschloss, die unter der Eigenmarke „Milbona“ verkaufte Frischmilch komplett „Ohne Gentechnik“ anzubieten, bauten auch die Konkurrenten ihr Angebot gentechnikfreier Milch Schritt für Schritt aus. Die Tiere bekommen dafür unter anderem also kein Futter von gentechnisch veränderten Pflanzen. „Wir sehen einen regelrechten Wettlauf im Lebensmitteleinzelhandel“, berichtete Alexander Hissting vom Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik“ (VLOG) dem Branchenfachblatt „Lebensmittel Zeitung“.
Und die nächsten Schritte sind schon eingeleitet. Bis Ende des Jahres will Lidl bundesweit auch gentechnikfreies Rindfleisch anbieten. Und Edeka und Rewe sind dabei, Eigenmarken-Milchprodukte wie Käse, Sahne oder Quark auf gentechnikfreie Produktion umzustellen. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg sieht diese Entwicklung mit Freude. „Im Bezug auf Gentechnik ist es wirklich ein Schritt nach vorne, wenn die Händler hier Nägel mit Köpfen machen. Die Verbraucher wollen keine Gentechnik.“
Und einen ähnlichen Wettlauf gibt es in anderen Bereichen. Nachdem Rewe den Verkauf von Plastiktüten aus Umweltschutzgründen stoppte, kündigten auch Lidl und andere an, die umweltschädlichen Tragehilfen aus dem Angebot zu streichen. Auch mit dem Tierschutz werben Handelsketten immer wieder: etwa durch die Einführung von Tierschutzlabeln oder strikten Vorgaben für den Pestizideinsatz, die weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehen.
Im Umweltschutz überraschte Aldi Süd vor wenigen Monaten mit der Ankündigung, ab Januar in Deutschland klimaneutral zu arbeiten. Dazu setzt das Unternehmen nicht nur auf Sonnenenergie und Grünstrom, sondern unterstützt auch Aufforstungsprojekte in Uganda und Bolivien.
Wer isst was? - Vegetarismus
Neben pflanzlichen Produkten ergänzen sie den Speiseplan durch Milchprodukte.
Zusätzlich zu pflanzlichen Produkten verzehren sie auch Eier.
Milch und Eier sind ebenfalls erlaubt.
Ihre Devise heißt: Keine toten Tiere, solange es keine Fische sind - die werden verzehrt.
Fleisch und Fisch werden gemieden, die Ernährung besteht größtenteils aus Fertiggerichten und diversen Süßigkeiten.
Zusätzlich zum Verzicht auf Fleisch und Fisch verzehren Frutarier lediglich pflanzliche Produkte, deren Konsum der Pflanze nicht schadet (ein Apfel, der von selbst vom Baum fällt, darf verzehrt werden, eine Karotte hingegen nicht).
Alle Produkte tierischen Ursprungs werden gemieden. Diese Art von Vegetarismus grenzt an den Veganismus, jedoch wird hier nur auf die Ernährung geachtet, Mäntel oder Schuhe aus Leder werden getragen.
Viele Menschen verzichten bewusst gelegentlich auf Fleisch, sie heißen auch "Teilzeitvegetarier".
Auch das Thema Gesundheit haben die Handelsketten für sich entdeckt. Lidl kündigte erst vor wenigen Wochen an, das Unternehmen habe sich zum Ziel gesetzt, in Produkten seiner Eigenmarken „den Anteil an zugesetztem Zucker und Salz bis 2025 um jeweils 20 Prozent zu reduzieren“. Damit wolle man die Bemühungen der Bundesregierung im Kampf gegen fehlernährungsbedingte Krankheiten unterstützen.
Der Ernährungsexperte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg kann angesichts dieser Ankündigung allerdings eine gewisse Skepsis nicht verhehlen. „Wenn man in ein hochgezuckertes Müsli 20 Prozent weniger Zucker reintut, wird es nicht viel gesünder“, meint er. Wichtig sei auch, welche Ersatzprodukte stattdessen eingesetzt würden. „Das muss man sich sicher genauer angucken.“
Wer isst was? - Veganismus
Sie kaufen nur dort ein, wo parallel keine Tiere gehalten werden, der Bauernhof muss ohne Tierhaltung auskommen.
Sie essen Früchte von solchen Pflanzen, deren Verzicht nicht die Zerstörung der Pflanze bedeutet.
Um die Vitamine der Nahrung zu erhalten, werden die Lebensmittel nicht oder kaum mit Hitze behandelt.
Beim sogenannten "Containern" werden Lebensmittel aus Containern verzehrt, um damit die Lebensmittelverschwendung zu verringern, es wird jedoch nicht immer streng auf die vegane Lebensweise geachtet.
Nicht nur die Ernährung ist vegan, tabu sind zudem Leder, Wolle, Daunen und bestimmte Kosmetika. Ebenso verboten: Zoobesuche oder Haustierhaltung. Auch Zirkusveranstaltungen, bei denen Tiere auftreten, werden gemieden. Eine Welt ohne Jagd und Tierversuche stellt das Ideal dar.
Müssen die Kunden angesichts derart vieler Umwelt-, Tierschutz- und Gesundheitsbemühungen mit Preiserhöhungen rechnen? Eher nicht, glaubt Marketingexperte Fassnacht: „Auch wenn die Ansprüche der Kunden an das gesellschaftliche Engagement und das Umweltbewusstsein der Unternehmen wachsen, darf man nicht glauben, dass die Verbraucher deswegen bereit sind mehr zu bezahlen.“ Für ihn steht fest: „Diese Aktivitäten werden nicht zu einem höheren Preisniveau in Deutschland führen.“