Lufthansa Business Class Neuer Sitz für weniger als eine Milliarde Euro

Die Lufthansa gestattet erste Blicke auf den neuen Business-Class-Sitz, der ab dem Jahr 2020 in die Flieger verbaut wird. Man verspricht den weltweit besten Sitz. Reicht das, um gegen die reiche Konkurrenz zu bestehen?

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Das Vorgängermodell hatte eine Milliarde Euro Entwicklungsbudget verschlungen. Die Computer-Animation zeigt den Entwurf des künftigen Sitzes.

Frankfurt Die Zukunft von Lufthansa lagert in einem unscheinbaren Logistikzentrum in Raunheim bei Frankfurt, gut verpackt in großen „Holzbuden“. „Mock-Up-Center“ nennt die „Hansa“ die gut 1000 Quadratmeter große Fläche. Übersetzt heißt das so viel wie Attrappen-Zentrum. Tatsächlich finden sich jede Menge davon in der Halle, Nachbauten von Flugzeugkabinen aus Holz, Sitze und andere Dinge, die Fluggäste vielleicht in einigen Jahren in echten Flugzeugkabinen finden können. Sogar eine komplette Flugzeugkabine mit Economy-Sitzen ist aufgebaut. Hier übt zum Beispiel das Kabinenpersonal neue Abläufe.

Regelmäßig begrüßen Lufthansa-Mitarbeiter hier Passagiere. „10000 unserer Kunden waren mittlerweile hier“ berichtet Andreas Otto, Vorstand bei der Lufthansa-Tochter AUA und zugleich konzernweit für das Produkt verantwortlich. Mit Tablet-Rechnern und langen Check-Listen ausgestattet testen sie über Stunden die Prototypen. „Anhand der Datenbank unseres Vielfliegerprogramms Miles & More können wir sehr genau Kunden ansprechen, von denen wir wissen, dass sie genau diesen Sitz später auch nutzen werden“, erklärt Reinhold Huber, Senior Vice President Produkt und Marketing bei Lufthansa. Tester zu gewinnen, falle überhaupt nicht schwer.

Auch den neuen Business-Class-Sitz haben die Vielflieger der „Hansa“ schon intensiv unter die Lupe genommen. Seit zwei Jahren arbeitet ein Team von rund zehn Lufthanseaten an dem neuen Gestühl, gemeinsam mit zahlreichen weiteren Spezialisten bei Zulieferern, deren Namen die Konzern-Manager aber partout nicht preisgeben wollen. 2020 soll der Sitz in den Markt kommen, eingebaut in die brandneue Boeing 777X, die dann ebenfalls ihren Betrieb starten soll.

Die Lufthansa-Verantwortlichen versprechen ihren Fluggästen Großes. „Wir werden mit dem Sitz weltweit Maßstäbe setzen“, glaubt Huber. Wie in der Autoindustrie gebe es für Flugzeugsitze gewisse Zyklen. „Und wir wissen recht gut, wer wie an welchen Dingen gerade arbeitet.“ Tatsächlich reibt sich, wer die aus Holz nachgebildete Kabine einer 777X in Raunheim betritt, erst einmal verwundert die Augen. Was für eine Verschwendung, fährt es einem durch den Kopf. Breit und ausladend stehen da mehrere Prototypen des neuen Business-Class-Sitzes. „Es ist noch nicht der Sitz, der dann am Ende eingebaut wird, wir haben noch zwei weitere Jahre Entwicklung vor uns“, erklärt Frank Maier, Head of Product Management, bei Lufthansa: „Aber vom Grundkonzept her ist das hier der Sitz, wie er kommen wird.“

Ein wichtiges Element dieses Konzeptes: Jeder Sitz hat direkten Zugang zum Gang. „Keiner wird künftig mehr über den anderen Passagier klettern müssen“, sagt Maier. Das erhöht nicht nur den Komfort, es ermöglicht auch den Flugbegleitern eine noch bessere und persönlichere Betreuung der Vielflieger. Und es schafft Platz. Davon gibt es jede Menge – Ablagen, Platz für den Laptop und kleine Annehmlichkeiten wie etwa eine Stelle, wo man die eigenen Mobilgeräte induktiv , also alleine durch Hinlegen, laden kann.


Die Konkurrenz legt nach

Ein zweites Element: die Individualität. Es wird künftig nicht nur einen Sitz geben, sondern sechs verschiedene. „Frauen etwa sitzen gerne am Fenster und sind für sich. Andere Kunden legen mehr Wert auf Platz zum Arbeiten, ein dritter möchte gerne zusammen mit seiner Begleiterin oder seinem Begleiter reisen“, beschreibt Maier die Idee. Also sind die Sitze unterschiedlich gebaut und zudem flexibel – etwa durch rein- und rausfahrbare Trennwände. Natürlich kann jeder Passagier seinen Sitz künftig auch über eine App auf seinem eigenen Gerät einstellen und steuern.

Und dann ist da noch die Nachtruhe an Bord. „Wir haben bei der Entwicklung sehr viel Wert den Aspekt Schlafen gelegt“, sagt Huber. Nicht nur bietet der Sitz ein komplett flaches Bett. Auch kann die Armlehne so heruntergefahren werden, dass das Bett damit die angenehme Breite von bis zu 57 Zentimetern erreicht. „Wer will, kann sich sogar eine richtige Matratze auf den Sitze legen lassen“, so Huber. Noch dazu misst eine Sensorik das Körpergewicht und steuert die Festigkeit so, dass der Schulterbereich optimal einsinken kann.

Die üppige Ausstattung macht eine andere Bestuhlung als üblich notwendig. So wird es im Mittelteil der Kabine abwechselnd einen Doppel- und einen Einzelsitz geben. Bisher sind hier immer zwei, bei größeren Flugzeugen sogar drei Sitze verbaut. Das sei keine Platzverschwendung, sagt AUA-Vorstand Otto: „Der Trend geht in Richtung Individualität. Ich glaube, dass wir auch in der Economy-Class am Ende angekommen sind, was Einsparungen beim Sitzabstand angeht. Wir werden hier künftig wieder mehr Platz haben.“

Jede Menge Versprechen also. Und die sind auch notwendig. Als der aktuelle Business-Class-Sitz von den Lufthanseaten 2012 mit viel Wirbel vorgestellt wurde, war das Echo der Fluggäste durchwachsen. Unter anderem wurde das enge Fußteil beim Umbau zum Bett kritisiert, aber auch der fehlende direkte Zugang zum Gang bei einigen Sitzen. Es besteht also Nachholbedarf.

Zudem räumen auch Lufthansa-Manager ein, dass die Entwicklung des Vorgängers viel zu lange gedauert habe und mit einer Milliarde Euro an Kosten wohl auch zu teuer geriet. Das soll dieses Mal besser laufen. Auch deshalb bindet die „Hansa“ die Passagiere eng in den Entwicklungsprozess ein. Der Konzern folgt damit dem Modell des „Design Thinking“ – dem regelmäßigen Bau von Prototypen, die dann von den Kunden getestet und mit Verbesserungsvorschlägen versehen werden. Über 100 Ideen habe es zu Beginn dieses Prozesses gegeben, berichtet Huber. Manche davon seien wirklich schräg, etwa die Idee, Sitze übereinander anzuordnen wie Stockbetten. „Bei anderen verrückten Ideen kommt man aber ins Grübeln, ob da nicht wirklich was dran ist.“

Ein Aufwand, der sich lohnen soll und muss. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Im Branchenvergleich von Skytrax landete die Business Class der Lufthansa zuletzt im weltweiten Vergleich auf dem fünften Platz - hinter Konkurrenten wie Etihad, Singapore Airlines und Qatar Airways.

Und die Konkurrenten legen nach: Qatar Airways etwa hat dieses Jahr auf der ITB seine QSuite vorgestellt, ein Businesssitz, der sich mit einem zweiten erstmals sogar zu einem Doppelbett umbauen lässt. Auch hier hat jeder Sitz Zugang zum Gang. Ein ähnliches Konzept haben das Business Studio von Etihad Airways oder die Polaris Business Class von United. Und auch die One Suite, die Delta in den neuen A350-Flugzeugen verbaut, hat vergleichbare Merkmale, etwa Schiebetüren zum Gang für mehr Privatsphäre.

Dennoch ist Lufthansa-Manager Huber fest davon überzeugt, mit dem Lufthansa-Sitz in zwei Jahren der Konkurrenz die Show stehlen zu können. Und noch ist ja Zeit, gemeinsam mit den Passagieren im Mock-Up-Center in Raunheim an weiteren pfiffigen Ideen zu feilen.

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