Shoppingtour mit einem Psychologen "Je hipper der Laden, desto lauter die Musik"

Schildergasse in Köln. Quelle: imago images

Jens Lönneker ergründet im Auftrag von Händlern die versteckten Sehnsüchte von Käufern. Was denkt sich so einer, wenn er durch eine der beliebtesten Einkaufsstraßen läuft?

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Von der einen Seite weht der klebrige Geruch gebrannter Mandeln herüber, von der anderen Seite die Töne aus dem Saxophon eines Straßenmusikanten. Dazwischen: glitzernde Schaufenster, grelle Sonderangebote. Die Kölner Schildergasse gehört zu den beliebtesten und den belebtesten Einkaufsstraßen der Republik: Etwa 15.000 Menschen schlendern hier im Schnitt stündlich entlang.

„Die Leute kommen hier hin, weil sie etwas geboten bekommen wollen“, sagt Jens Lönneker. „Ein bisschen wie im Zirkus.“

Lönneker, 60, ist studierter Psychologe. Seit mehr als 25 Jahren ergründet er, was Kunden wirklich bewegt. Er deckt die verborgenen Sehnsüchte der Menschen auf. Wo bleiben sie beim Einkaufsbummel stehen – ohne sich später noch daran zu erinnern? Wovon fühlen sie sich angezogen – obwohl sie etwas anderes beteuern? Seine tiefenpsychologischen Analysen nutzt er, um Unternehmen zu beraten, wie sie ihre Produkte besser machen und besser verkaufen können.

Von seiner Agentur, Rheingold Salon, muss Lönneker nur den Fahrstuhl nach unten nehmen. Schon steht er mitten drin in diesem Zirkus. Mitten drin in der Schildergasse. Lönneker hat nun eine dicke Jacke über das graue Sakko mit blauem Einstecktuch gezogen – und steuert auf einen Rimowa-Laden zu. 

In einem solchen Zirkus, sagt Lönnecker, stelle sich für die Händler natürlich die Frage: Wie kann ich gegenüber der Löwennummer bestehen? Achtet dann noch jemand auf mich, wenn ich nur in den Ringen turne? „Wenn alle schreien, ist es vielleicht der Ruhige, der auffällt.“

Einkaufsbummel mit einem Psychologen

Bei Rimowa stehen metallene Koffer vor weißen Wänden. „Sieht aus wie gerade erst eingezogen“, sagt Lönneker – und schiebt hinterher: „Der Blick wird nicht abgelenkt, die Produkte sollen für sich sprechen.“ Wenn die Einkaufsstraße tatsächlich ein Zirkus ist, in dem jeder laut nach Aufmerksamkeit schreit, dann ist Rimowa der Leise. Im wörtlichen Sinne. In dem Laden läuft nicht einmal Musik.

Hersteller und Händler, sagt Lönneker, kämpfen um die Macht. Bislang waren die Händler in der besseren Position, weil sie den Kontakt zum Publikum hatten und die Preishoheit. Mit den Flagshipstores aber, wie nicht nur Rimowa ihn in der Kölner Innenstadt eröffnet hat, rücken die Hersteller an die Händler heran. Ein paar Schritte weiter finden sich auch Flagshipstores von Victorinox, der Fertiger der Schweizer Taschenmesser, oder Nespresso, der Anbieter teurer Kaffeemaschinen und noch teurerer Kaffeekapseln.

Lönneker nennt diese Flagshipstores „Tempel der Sinnlichkeit“. Es sind Orte, in denen ein Unternehmen seine Produkte erlebbar macht, rausrückt, wie Lönneker betont, „aus der Virtualität in die Anfassbarkeit.“

Anfassen, das ist ganz wichtig für die Psychologie. Denn wer etwas anfasst, der überprüft mit seinen Händen in gewisser Weise den Wahrheitsgehalt eines Werbeversprechens. Er widmet einem Produkt seine gesamte Aufmerksamkeit – statt sich nur beschallen zu lassen. Und je länger wir etwas in der Hand halten, das haben Experimente gezeigt, desto höher ist unsere Bereitschaft, dafür viel Geld auszugeben.

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