Werner knallhart

Der neue Kampf gegen die Tricks der Lebensmittel-Industrie

Der Tabak ist bei den meisten unten durch. Doch durchdesigntes Schrott-Essen, das systematisch unser Sättigungsgefühl ausschaltet, bahnt sich gerade als nächstes ins Bewusstsein der Gesellschaft. Das wird spannend.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Tiefkühlpizzen vom Fließband. Quelle: dpa

Wovon machen wir eigentlich abhängig, was wir gerne konsumieren? Ich habe das Gefühl, das ist auf die Gesellschaft hochgerechnet ein buntes Kuddelmuddel an den kuriosesten Einflüssen. Mit dem blöden Effekt, dass sich das für die Industrie oft nicht vorhersagen lässt.

Wer hätte etwa gedacht, dass die Apple Watch heute vielen als ein albernes Schnickschnack-Accessoire gilt, für das man sich vor seinen Freunden schämt? Wer hätte gedacht, dass die Menschen die Lust an Fernreisen verlieren? Dass sich einige sagen: Ich habe schon so viel von der Welt gesehen, ich bleibe lieber zuhause? Ist wirklich wahr. Das Phänomen ist laut Branche messbar.

War jemandem vorher klar, dass die Bionade für viele so schnell wieder so langweilig werden würde und dass das Jahrzehnte lang als Notlösung verpönte alkoholfreie Bier plötzlich DAS Sommergetränk werden würde? Mal Hand hoch.

Wenn man nicht möchte, dass der Erfolg seiner Produkte allein von irgendwelchen nicht kalkulierbaren Moden abhängt, dann gibt es da einen Trick. Man erzeugt beim Kunden eine unbändige Gier. Eine Art körperlicher Abhängigkeit. Niederträchtig, näch? Aber das ist erlaubt.

Deshalb schmiert umgekehrt der Tabak-Industrie hierzulande auch der Markt ab. Durch schlagkräftige Aufklärungs-Kampagnen wurden die wichtigsten Opfer den Nikotin-Verführern aus den Fängen gerissen: die Jugendlichen. Diese so formbaren, so unreifen Geschöpfe. Bekommt die Industrie die nicht in die Abhängigkeit gezogen, bevor deren Persönlichkeit robust genug ist, um den Zigarettenfirmen den Mittelfinger zu zeigen, dann wird es eng. Dann bricht der Nachwuchs weg, der im zweiten Schritt danach Jahrzehnte lang seiner Sucht verfallen wäre.

Wieviel Zucker steckt in...

Und so ist es jetzt. Die Vernunft siegt, bevor das Gehirn durch das Gift manipuliert werden kann. Der typische Raucher ist heute eher alt und ungebildet. Und das macht alles noch uncooler. Eine Image-Abwärtsspirale.

Es gilt also generell, die Konsumenten willenlos zu machen. Und jetzt kommt's. Nun ist es Forschern gelungen nachzuweisen, dass die Lebensmittelindustrie viele ihrer Produkte so designt, dass genau das passiert. Einfach nur durch die perfekte ungesunde Abstimmung der Inhaltsstoffe zueinander in industriell verarbeiteten Produkten. Man nennt es ultra-verarbeitete Lebensmittel: Brot aus der Plastiktüte, Backmischungen, Tütensuppen, Fertigpizza, Dosenwurst, Nuggets aus Hühnerfleisch, Knuspermüsli, Bonbons, Cola, Fertigsoßen, Kartoffelchips und solche Sachen.

Davon abgesehen, dass in diesem Mampf so unheimliche Sachen drin sind wie Stabilisatoren, Antioxidationsmittel, Feuchthaltemittel, hydrolysierte Proteine, künstliche Süßstoffe, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker, hmm, nomnom, kommt es den Lebensmittelgiganten vor allem auf eines an: dass wir nicht genug kriegen können. Dass wir essen, obwohl wir satt sind.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%