Autoproduktion in Marokko Aus der Wüste geschickt

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44-Stunden-Wochen sind normal

Marokko, das bisher vor allem von Agrarexporten lebte, wandelt sich. Derzeit arbeiten zwar noch arbeiten rund 40 Prozent aller Beschäftigten in Marokko in der Landwirtschaft, doch ihr Anteil sinkt. Das Königshaus verfolgt den Plan, das Land stärker zu industrialisieren – bevor der Klimawandel auch die Agrarindustrie im heißen Wüstenstaat immer schwieriger macht. Das Land, das immer wieder durch soziale Unruhen erschüttert wird, braucht schnelle Erfolge.

Auch deswegen bemühen sich die Autobauer, zu betonen, dass ihre Produktion die Wasserreserven und die Umwelt im ohnehin schon gebeutelten Marokko nicht belaste. Durch einen geschlossenen Kreislauf und Wasserrecycling spare man im Werk Tanger 900 Kubikmeter Wasser im Jahr, betont beispielsweise Renault. „Durch erneuerbare Energien wollen wir die Fabrik außerdem CO2-neutral betreiben“, sagt Jean-Philippe Hermine, der bei Renault das Umweltprogramm leitet.

Was ein Gelände-Kombi für 12.000 Euro bietet
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia
Dacia Logan MCV Stepway Quelle: Dacia

Sätze, die man im marokkanischen Wirtschaftsministerium gerne hört. Das Königshaus um Mohammed VI., lockt die Industrie mit günstigem Bauland und staatlicher Förderung. In den ersten fünf Jahren werden die Unternehmen in den Freihandelszonen gänzlich von der Unternehmenssteuer befreit, danach gilt für 20 Jahre ein ermäßigter Satz von 8,75 Prozent. Von der Gewerbesteuer und Mehrwertsteuer sind die Unternehmen gleich ganz befreit.

Innerhalb weniger Jahre ist das Land so zu einem großen Exporteur von Autos geworden. Der Anteil der Autoindustrie am Export stieg innerhalb von fünf Jahren von 1,5 Prozent auf 24,4 Prozent im Jahr 2016. In den kommenden drei Jahren soll der Umsatz pro Jahr auf zehn Milliarden Euro gesteigert werden, dann sollen in Marokko mehr als eine halbe Million Autos gebaut werden.

Auch der Anteil der lokalen Zulieferindustrie soll deutlich ausgebaut werden. Große Zulieferer wie Leoni, Valeo und Delphi haben angekündigt, ihre Produktion in Nordafrika hochzufahren. Das ist auch dringend nötig. Bisher müssen viele Teile, die in den marokkanischen Werken verbaut werden, noch importiert werden. Nur rund 40 Prozent kommen aus lokaler Produktion – dieser Anteil soll in den kommenden Jahren massiv steigen.

Neben Marokko gilt auch Algerien als interessanter Produktionsstandort für die Industrie. Hier hatte zuletzt Volkswagen ein eigenes Montagewerk eröffnet. Damit soll der Anteil der lokal produzierten Fahrzeuge in Nordafrika deutlich steigen. Von den rund 1,5 Millionen Fahrzeugen, die von Marokko bis Ägypten verkauft werden, kommt bislang nur jedes dritte aus der Region.

Kritiker werfen den Konzernen vor, in Nordafrika „Oasen des Lohndumpings“ geschaffen zu haben. Tatsächlich ist der Mindestlohn in Marokko mit 280 Euro sogar deutlich niedriger als in Osteuropa. Die Wochenarbeitszeit liegt bei 44 Stunden. In Frankreich kritisieren die Gewerkschaften die Expansion nach Nordafrika darum schon seit langem.

Diese Kritik wollen die Autobauer allerdings nicht gelten lassen. Die Bezahlung in den Werken liege deutlich über dem Mindestlohn, teilt Renault mit – meist zwischen 10 bis 15 Prozent. Das ist allerdings immer noch wenig verglichen mit dem Dacia-Stammwerk in Rumänien. Allerdings ist die Produktivität auch deutlich niedriger. Die Autowerke in Marokko sind wegen des geringen Lohnniveaus auch deutlich weniger automatisiert als vergleichbare Werke in Europa. Nur 16 Prozent aller Arbeiten werden von Robotern übernommen.

Trotz einer vergleichsweisen hohen Arbeitslosigkeit in Marokko sind Facharbeiter weiter knapp. Mit Unterstützung des marokkanischen Königshauses wurde deswegen auch ein eigenes Ausbildungszentrum neben das Werk in Tanger gebaut. Hier sollen jedes Jahr 5.000 Mitarbeiter geschult werden, insbesondere Frauen, die derzeit rund 15 Prozent der Belegschaft ausmachen. Mit der Expansion der Autobauer wächst auch die Hoffnung, dass die Stabilität in die Region zurückkehrt.

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