Cannabis in der Medizin Hanf-Medikamente auf dem Vormarsch

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Nachschub aus Holland stockt

Eine entsprechende Genehmigung zu erhalten, ist nicht einfach: Die 50-jährige Angelika Lingelbach aus Gelsenkirchen musste mehrere Monate  auf die Erlaubnis warten. Etliche Formulare musste die langjährige Schmerzpatientin  dafür einreichen – inklusive eines ausführlichen Arztberichtes mit Angaben etwa zur Diagnose, bisherigen Behandlungen und einer Einschätzung zur Therapietreue der Patientin.

Lingelbach  hat früher Morphine geschluckt – mit schlimmen Nebenwirkungen. Seit sie das Apotheken-Hanf raucht, sind ihre  Schmerzen stark gelindert, Depressionen und Suizidgedanken verschwunden: „Ich bin ansprechbarer und besser konzentriert.“ Ihre Tochter sagt: „Meine Mutter lebt und lacht wieder.“

 

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In Mexiko ist Cannabis jetzt legal erhältlich. Quelle: dpa
StimmungsumschwungUS-Präsident Barack Obama hatte im Januar mit der Bemerkung für Aufsehen gesorgt, er halte Kiffen nicht für gefährlicher als das Trinken von Alkohol. Zugleich bezeichnete Obama, der in seiner Jugend selbst zum Joint griff, das Rauchen von Marihuana in einem Interview mit der Zeitschrift "The New Yorker" aber als "schlechte Idee" und "Laster". Laut einer Umfrage des Nachrichtensenders CNN von Anfang des Jahres spricht sich mittlerweile eine Mehrheit von 54 Prozent der US-Bürger für die Legalisierung von Marihuana aus. Quelle: AP
MedizinIn 18 US-Bundesstaaten darf das Rauschmittel für medizinische Zwecke verwendet werden. Die medizinischen Bedingungen sind allerdings unterschiedlich streng. Während viele Staaten Marihuana nur bei Krebs und anderen schweren Erkrankungen erlauben, kann es in Kalifornien schon für Rückenschmerzen verschrieben werden. Quelle: AP
Was Banken dürfenIm Februar 2014 steckte die Regierung in Washington einen engen Rahmen ab, in dem die Finanzinstitute Dienstleistungen für die Cannabis-Branche erbringen können. Die Banken müssen demnach genau darauf achten, dass ihre Kunden über die nötigen Lizenzen verfügen und sich an die gesetzlichen Auflagen halten.  Dazu gehört unter anderem das Verbot, Marihuana an Minderjährige zu verkaufen oder mit Drogenkartellen zusammenzuarbeiten. Außerdem müssen die Banken den Behörden über ihre Marihuana-Geschäfte regelmäßig Bericht erstatten und „verdächtige Aktivitäten“ melden. Quelle: dpa
CoffeeshopsBisher konnten ihre Geschäfte nur in bar abwickeln. Die neuen Regeln würden „größere finanzielle Transparenz in der Marihuana-Industrie fördern“ und „die Gefahren reiner Bargeschäfte abschwächen“, begründete die Direktorin der Strafverfolgungsbehörde des Finanzministeriums, Jennifer Shasky Calvery, die neuen Richtlinien. Quelle: AP
GeldquellePer Volksentscheid legte Colorado die Steuern auf Cannabis fest: Im Großhandel beträgt die Abgabe 15 Prozent, im Einzelhandel zehn Prozent. Außerdem müssen Konsumenten die übliche Mehrwertsteuer von 2,9 Prozent entrichten. Allein im Januar flossen so 2,9 Millionen Dollar an Steuern und knapp 600.000 Dollar an Gebühren in die Staatskasse. "Der erste Monat des Marihuana-Verkaufs hat den Erwartungen entsprochen", sagte die Leiterin der Steuerbehörde von Colorado, Barbara Brohl. Quelle: dpa
Börsengang in KanadaTweed Marijuana Inc. ist der erste börsengehandelte Marihuana-Hersteller Kanadas. Die Aktie hat beim Börsendebüt Anfang April im Vergleich zum Preis der am 7. März erfolgten Privatplatzierung deutlich zugelegt. Zum Börsenschluss in Toronto kostete sie am vergangenen Freitag 2,59 Kanada-Dollar. Bei der Privatplatzierung betrug der Preis 89 Cent. Damit lag das Plus bei 191 Prozent. Quelle: Screenshot

Für die schwerbehinderte Frührentnerin gehen die Kosten allerdings ans Eingemachte:  Fünf Gramm kosten 85,95 Euro, das reicht für etwa drei bis fünf Tage. Zum Vergleich:  Auf dem Schwarzmarkt könnte Lingelbach die gleiche Menge schon für fünfzig Euro beschaffen.

Lieferungen aus Holland

Das Hanf beziehen die Apotheken von holländischen Plantagen. Der holländische Hersteller Bedrocan hat dafür von der holländischen Behörde für medizinisches Cannabis eine exklusive Lizenz erhalten. Doch häufig stockt die Lieferung aus Holland  -  wenn der Hanf-Nachschub stockt, werden  im Zweifel die niederländischen Patienten zuerst versorgt. 

Besonders schlimm war es Ende 2014. „Von November bis Mitte Februar blieben die Lieferungen aus“, sagt Patientin Lingelbach, die sich dann noch etwas Hanf über Freunde besorgen konnte.  Eine staatlich kontrollierte Cannabisagentur in Deutschland, wie sie nun im Gesetzentwurf vorgesehen ist, würde gegen solche Engpässe helfen. 

Durch die geplante Neuregelung hofft die Bundesregierung auch, den Eigenanbau von Hanf eindämmen zu können. Im vergangenen Jahr haben einige Patienten vor dem Kölner Verwaltungsgericht  das Recht erstritten, ihr Hanf zuhause selbst anbauen zu dürfen. Der Eigenanbau solle jedoch eine Ausnahme bleiben.

Die CSU-Bundesdrogenbeauftragte Mortler wendet sich klar gegen den Eigenanbau. Gegen die Entscheidung des Gerichts hat das BfArM Klage eingereicht. Das Argument der Kritiker: Die Patienten hätten zu wenig Erfahrung mit dem Anbau. Schädigungen, etwa  durch Verunreinigungen,  seien nicht auszuschließen. Die oft  beengten Wohnverhältnisse der Schmerzpatienten, etwa in Heimen, ließen den Eigenanbau auch häufig nicht zu.  

Derweil wird sich  Bionorica-Chef Michael Popp über die nächsten Jahre weiter mühen, für sein Dronabinol eine Zulassung als Arzneimittel zu erhalten, um mehr Patienten wie Ute Köhler- und  auf Kosten der Kassen - versorgen zu können. Einen Vorteil haben die Medikamenten-Hersteller auf alle Fälle gegenüber dem Eigenanbau: Sie können eine gleichbleibende, hohe Qualität ihrer Hanfpräparate garantieren. Zudem klappt die Lieferung zuverlässiger  als mit dem Medizinalhanf aus Holland. 

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