EU ermittelt gegen Daimler & Co. Lkw-Kartell droht Milliardenstrafe

Die wichtigsten Lastwagen-Hersteller sollen ihre Kunden über Jahre hinweg systematisch durch Preisabsprachen geprellt haben. Die EU-Kartellbehörden ermitteln seit 2011 und stehen vor dem Abschluss ihrer Untersuchungen.

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Daimler hat bereits Millionen für die erwartete Kartellstrafe zurückgelegt. Quelle: dpa

Europas Lkw-Herstellern droht die höchste Kartellstrafe der EU-Wirtschaftsgeschichte. Prominente Namen wie Daimler, Renault, Volvo und Scania stehen auf der Liste der Angeschuldigten. Wie die Financial Times am Montag berichtet, werden die EU-Kartellbehörden die Strafe in Kürze aussprechen. Im Fokus der Ermittlungen stehen vor allem Preisabsprachen unter den großen europäischen Lastwagen-Konzernen. Außerdem sollen sie neue Emissionsvorschriften gemeinsam verhindert haben.

Die Kartellstrafe dürfte jetzt etwas niedriger ausfallen als noch vor einem Jahr erwartet. Geldbußen im Volumen von etwa 1,4 Milliarden Euro wollen die Brüsseler Behörden angeblich verhängen. Vor gut einem Jahr war noch von bis zu vier Milliarden Euro die Rede. Aber auch die Kartellstrafe von 1,4 Milliarden Euro wäre immer noch die höchste Summe in der EU-Geschichte. Bislang hielten Kabelnetzbetreiber im Jahr 2012 den Negativrekord.

Ein Großteil der betroffenen Lkw-Hersteller hatte bereits Rückstellungen für die erwarteten Kartellstrafen gebildet. DAF aus den Niederlanden hat dafür bereits rund 860 Millionen Euro zurückgelegt, der Stuttgarter Daimler-Konzern mindestens 600 Millionen, Iveco aus der Fiat-Gruppe etwa 450 Millionen und Volvo aus Schweden rund 400 Millionen Euro.

Lkw-Hersteller stehen unter Kartellverdacht
LKW-Hersteller unter Kartellverdacht Quelle: dpa
Platz 10: Weichai Power - ShaanxiAbsatz: 104.100*Der chinesische Konzern Weichai Power ist bekannt für seine Dieselmotoren. Das Tochterunternehmen  Shaanxi Heavy-duty stellt die passenden schweren Lkw her und ist vierstärkster Hersteller auf dem chinesischen Markt. Mit dem Getriebehersteller Shaanxi Fast Gear ist Weichai sogar Marktführer in China.*Weltweite Verkaufszahlen für das Jahr 2013, Fahrzeug über 6 Tonnen GVW, ausgenommen sind Busse und Off-Highway Lkw (Construction, Mining, Military etc.). Quelle: IHS Automotive Quelle: Presse
Platz 9: TataAbsatz: 133.000Dem indischen Industriekonzern gehören über 100 verschiedene Firmen, darunter auch die britische Sportwagen- und Offroader-Schmiede Jaguar-Land-Rover. Tata setzt seine Trucks nahezu vollständig in China und der Asien-Pazifik-Region ab. Quelle: Presse
Platz 8: BAIC - FotonAbsatz: 136.600Die Bejing Automotive Industry HoldingBAIC ist ein chinesischer Staatskonzern, der mehrere Auto- und Industrieunternehmen besitzt. In Deutschland ist der Name manchen durch die Kooperation mit Daimler ein Begriff. Schwaben und Asiaten kooperieren unter der Marke Bejing Foton Daimler in China auf dem Markt für schwere Nutzfahrzeuge - mit großem Erfolg (siehe Daimler). Quelle: Presse
Platz 7: Paccar Absatz: 139.200Paccar zählt zu den größten Herstellern auf dem US-Markt. Der Hauptsitz ist Seattle, das Unternehmen ist im amerikanischen Aktienindex S&P 500 gelistet. 2012 legten die Amerikaner eine Ebit-Marge von 9,4 Prozent vor. Paccar ist aber nicht nur stark auf dem nordamerikanischen Markt. Die US-Trucks rollen auch über westeuropäische Straßen - dem zweitstärksten Markt für Paccar. Quelle: Presse
Platz 6: CNHTC - SinotrukAbsatz: 150.800Sinotruk ist mit rund 20 Prozent Marktanteil einer der führenden Hersteller schwere Lkw in China. Die Marke gehört zur China National Heavy Duty Truck Group - CNHTC. MAN baut gemeinsam mit dem chinesischen Schwergewicht unter dem Namen "Sintrak" Nutzfahrzeuge für Schwellenländern. Die Marke wurde 2013 gelauncht - die ersten Lkw sind auf chinesischen Straßen unterwegs. Quelle: Creative Commons - Kruglovsasha
Platz 5: Volvo TrucksAbsatz: 177.200 Derzeit noch die Nummer fünf am Markt. Zum Jahreswechsel beschloss der Lkw-Bauer die Produktion zu drosseln. Viele Kunden deckten sich noch mit den günstigeren Lkw der Abgasnorm Euro 5 ein. Diese Vorzieheffekte ließen die Nachfrage nach den neuen Euro-6-Lastern erstmal sinken. Doch die Schweden haben Großes vor – sie wollen zur Nummer eins auf dem Weltmarkt aufsteigen. Quelle: Presse

MAN aus dem VW-Konzern dürfte straffrei ausgehen. Der Münchener hatte die Aufdeckung des Kartells im Jahr 2011 durch eine Selbstanzeige überhaupt erst möglich gemacht. Hausinterne Ermittler waren im Zuge der Aufarbeitung von Korruptionsvorwürfen auf das Kartell gestoßen. Die VW-Tochter profitiert insofern von der Kronzeugen-Regelung der EU-Kartellbehörden. Zu dem Preiskartell gehörte pikanterweise auch die MAN-Konzernschwester Scania. Die Schweden werden von der Kronzeugenregelung keinen Gebrauch machen können und müssen wahrscheinlich ebenfalls eine Millionenstrafe nach Brüssel überweisen..

Der Brief, den EU-Wettbewerbshüterin Margrethe Vestager im November 2014 verschickte, hatte prominente Empfänger. Daimler in Deutschland erhielt ebenso Post wie Volvo und Scania in Schweden, DAF in den Niederlanden und Iveco in Italien. Die Adressaten haben sich aus Sicht der Brüsseler Wettbewerbshüter schwer an der freien Marktwirtschaft versündigt. Mehr als ein Jahrzehnt, so der Vorwurf, hätten die Lastwagenhersteller das wohl mächtigste Kartell des Europäischen Binnenmarkts gebildet. Die systematischen Preisabsprachen für Lastwagen dürften die Transportbranche um sehr viel Geld geprellt haben.

Die Marktanteile der fünf größten Lkw-Marken


Die Beweislast soll Insidern zufolge erdrückend sein. Die EU-Kommission listet in den Schreiben an die Konzerne auf, wie aus ihrer Sicht der Wettbewerb systematisch ausgehebelt wurde. Kernpunkt sei eine Absprache der Lieferzeiten und Preise für Großkunden, hieß es in Branchenkreisen.

Anders als im Autogeschäft geht es bei Lastwagen meist um Spezialausführungen für den Kühltransport oder den Baustelleneinsatz – Ausführungen, die nicht jeder Hersteller immer auf Lager hat. Das soll sich die Branche zunutze gemacht haben: Konnte der Stammkunde bei seinem Lieferanten die gewünschten Lastwagen nicht sofort bekommen, sollte er bei Wettbewerbern auch kein Glück haben.

Trucker haben ihre Lieblings-Brummis gewählt
Wie 2011 hieß der Sieger bei den Fernverkehrs-Lkw Mercedes-Benz Actros. Der Actros siegte auch bei den Kippern bis 32 Tonnen.
Mercedes gewann außerdem mit dem Sprinter (Transporter/Lkw bis 3,5 Tonnen) ...Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
... und dem Tourino in der Kategorie Midibusse.
Auch der Mercedes Citaro lag bei den Stadtlinienbussen vorne.Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler
MAN siegte zusammen mit der Tochter Neoplan in den Kategorien Transporter/Lkw bis 7,5 Tonnen (MAN TGL) ...Foto: Auto-Medienportal.Net/MAN
... und Verteiler-Lkw (MAN TGM).
In der Kategorie Überlandbusse siegt der MAN Lion’s Regio.Foto: Auto-Medienportal.Net/MAN

Weder beim Preis noch bei der Lieferzeit sollte es ein vernünftiges Konkurrenzangebot geben. Laut dem Brief der EU-Kommissarin sollen die Absprachen von 1999 bis zur Zerschlagung des Kartells im Jahr 2011 gelaufen sein.

Volvo und Daimler haben wie MAN ihre Beteiligung eingeräumt und der Kommission ebenfalls umfangreiches Material geliefert, wie es in Branchenkreisen hieß. Im Gegenzug könnten die Unternehmen auf etwa Milde hoffen. Wer nach dem Kronzeugen als Zweiter oder Dritter Informationen zum Kartell einreicht, kann auf einen Strafabschlag zwischen 30 und 50 Prozent erwarten. Dennoch stellen sich die Firmen auf harte Strafen ein.

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