Getränkekonzerne Abgesang auf den Mythos Coca-Cola

Coca-Cola: Der Brausekonzern hat verlernt was seine Kunden wollen. Quelle: imago images

Der Markt für alkoholfreie Getränke wächst. Doch der größte Limohersteller der Welt steckt in der Krise. Der Brausekonzern hat verlernt, was seine Kunden wirklich wollen. Der Mythos Coca-Cola bröckelt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Weltherrscher verschwinden nur selten mit einem großen, lauten Knall. Sie gehen meist leise. Und manchmal bemerkt man das zuerst an den Rändern ihres Reichs, etwa an Orten wie diesem: einem Industriegebiet nahe Madrid, auf einem hochumzäunten, über 200.000 Quadratmeter großen Areal. Schon von Weitem ist das Weihnachtsmannrot der Fabrikdächer, Tore und Fahrradständer zu sehen. Diese Farbe, die weltweit jedes Kind kennt und immer dasselbe verspricht: Freiheit, Glück, Wohlstand. Taste the feeling, wirbt Coke gerne.

Wer aber näher kommt, dem Werk und seinem Konzern, der sieht das Rot abblättern, Patina ansetzen, verbleichen. Bis vor vier Jahren betrieb man hier eine der modernsten Anlagen Europas: Elf Produktionsstraßen befüllten 120 Millionen Kisten im Jahr, 580 Angestellte beluden jeden Tag 300 Lkws. Heute kommen noch zwei, drei Laster, um Leergut umzuschlagen. Geblieben sind riesige, menschenleere Hallen und Parkplätze, auf denen das Gestrüpp mehr und mehr durch den Asphalt drückt.

„Es ist eine wahre Schande“, sagt Juan Carlos Asenjo, 51 Jahre alt und der Gewerkschaftsführer hier. Ein kleiner Mann mit klugem Blick und struppigem Vollbart, den ein süßlicher Zigarrengeruch umgibt: „Als ich 1981 in diesem Werk anfing, war ich stolz auf unser Unternehmen, unsere Produkte, unseren Erfolg.“ Der Standort sei immer gewachsen, habe immer erste Qualität geliefert. Heute aber, schiebt Asenjo nach, müsse er der Firma beim Sterben zusehen.

Es klingt pathetisch, trifft die Sache aber: Coca-Cola, das mehr als ein Getränkekonzern noch ein Mythos ist, geht es nicht so gut. Asenjos Werk ist nur eine von vielen Geisterfabriken, die Coca-Cola noch irgendwie am Leben erhält. Sie stehen in Bayern und Thüringen, in Indien oder Australien. Das Unternehmen aus Atlanta steckt in der Krise, der Umsatz geht seit Jahren zurück. Sechs Prozent verlor man allein im letzten Quartal, fiel auf ein historisches Tief von neun Milliarden Dollar. Die Umsatzrendite war 2016 niedrig wie selten: 15,6 Prozent. Der Gewinn liegt noch knapp über dem der Wirtschaftskrise von 2007. Die Investitionen gehen zurück. Die Zahl der Mitarbeiter sinkt. Der Börsenkurs gibt seit Monaten nach. Der Gewinn je Aktie rutschte 2016 auf nur noch 1,5 Dollar.

Und das alles, obwohl die Branche um jährlich vier Prozent wächst: 38 Milliarden Dollar werden dieses Jahr global mit kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken umgesetzt. Im Jahr 2021 sollen es 40 Milliarden sein. Colas ewiger Rivale Pepsi legt stetig zu, macht inzwischen gar mehr Gewinn.

Wie konnte es so weit kommen? Wer sich auf die Suche begibt, sich zu vertraulichen Gesprächen mit Managern trifft, früheren und aktuellen, dem entsteht das Bild eines Konzerns, der in seiner großen Vergangenheit und überzogenen Zielen gefangen ist – und womöglich das aus den Augen verloren hat, was ihn einst groß gemacht hat.

Da ist zum einen der sich verändernde Markt. Vor allem in den westlichen Ländern. Die Menschen wollen weniger Zucker essen und gesünder leben. Und es sieht so aus, als hätte ausgerechnet Coca-Cola, der größte und lange Zeit auch coolste Hersteller, das viel zu spät kapiert.

Dazu aber kommt noch ein zweites Problem, ein hausgemachtes. Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, haben die Manager im roten Reich begonnen, Vertriebs- und Produktionsstrukturen umzubauen. Da werden Ländergesellschaften zusammengelegt, Standorte geschlossen, Vertriebsmitarbeiter entlassen. Am Ende wird wohl ein runderneuerter, zentralisierter Konzern stehen, der auf jedem Kontinent nur einige wenige riesige Produktionsanlagen hat und auf die heutigen, meist eigenständigen Länderorganisationen weitestgehend verzichtet. Eine schlankere, effizientere, hochprofitable Organisation. Allerdings auch eine, die den Draht zu ihren immer anspruchsvolleren Kunden zu verlieren droht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%