Homann Wie Molkemilliardär Theo Müller eine Kleinstadt narrte

Theo Müller macht den Feinkosthersteller Homann in Niedersachsen dicht. Die Kleinstadt Dissen fühlt sich betrogen.

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Bekannt aus der Werbung: Moderatorin Barbara Schöneberger gehörte schon zu den Werbeträgern von Homann. Quelle: dpa, Montage

In der niedersächsischen Kleinstadt Dissen sind Parks nach dem Feinkosthersteller Homann benannt, der alte Wasserturm neben der Werkseinfahrt heißt im Volksmund Butterfinger. Hinter Backsteinbauten und einem stillgelegten Schornstein mit Homann-Schriftzug werden Sahne-Heringsfilets, Rollmops und Geflügelsalat Hawaii hergestellt. Doch spätestens in drei Jahren soll damit Schluss sein. 141 Jahre Homann wären Geschichte, 1200 Jobs im Landkreis Osnabrück verloren.

Aufwärts geht es dafür 500 Kilometer entfernt im sächsischen Leppersdorf. Dort erwarten Politiker, Handwerker, Baufirmen und Bevölkerung den 500 Millionen Euro teuren Neubau eines Homann-Werks. 1000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen.

Entschieden hat das der deutsche Molkemilliardär Theo Müller, zu dessen Reich der Feinkosthersteller mit rund 600 Millionen Euro Umsatz gehört. Er ist für sprunghafte Entscheidungen bekannt – und auch mit Standortoptimierung kennt er sich bestens aus, zog er selbst doch schon 2003 mitsamt Hausstand ins Schweizer Steuerexil nahe Zürich. Seine Firmengruppe mit knapp sechs Milliarden Euro Umsatz sitzt in Luxemburg. Der Umzugsplan hat die Branche überrascht und Niedersachsen schockiert. Doch für Sentimentalitäten hat Müller nicht viel übrig, allzu verlockend sind die möglichen Synergien in Sachsen.

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Dennoch versuchen Belegschaft, Betriebsräte und Politiker – vom niedersächsischen Ministerpräsidenten bis zum Dissener Bürgermeister – den 77-Jährigen von seinen Umzugsplänen abzubringen. Bisher vergeblich. Theo Müller bleibt stur und stellt sich, wenn es sein muss, gegen den Rest der Welt.

Mit dem Gedanken an einen großen Fabrikneubau schlägt sich der Vater von neun leiblichen Kindern schon seit Ende 2011 herum. Da gibt er erste interne Analysen für mögliche Standorte und damit erzielbare Einsparpotenziale in Auftrag. So richtig begeistert ist von den Plänen seinerzeit niemand. Doch der Patriarch lässt nicht locker, hakt immer wieder nach. Im Spätherbst 2015 schließlich entscheidet er, dass neu gebaut wird. Wo, lässt er erst mal offen.

Eine Milliarde für Sachsenmilch-Sanierung

Vieles deutet auf Dissen hin. Die Stadt tritt in Vorleistung, reißt Häuser ab, kauft Grundstücke und stellt dem Unternehmen ein 20 Hektar großes Gelände zur Verfügung. Den Tarifvertrag, gültig bis 2019, schließt das Unternehmen unter der Voraussetzung ab, dass Homann in der Region bleibt.

Ein Schild am Werkstor des Homann Werks in Dissen weist auf den Fabrikverkauf hin. Quelle: dpa

Dabei, so meinen Insider, dürften bei Theo Müller da schon Pläne gereift sein, den Müller-Standort Leppersdorf um ein neues Homann-Werk zu erweitern. Seit dem Erwerb der DDR-Sanierungsruine Sachsenmilch vor 23 Jahren hat Müller mehr als eine Milliarde Euro in das dortige Werk gesteckt. Von der EU, dem Bund und dem Land Sachsen kamen zusätzlich 70 Millionen Euro Subventionen. Heute arbeiten in der größten und modernsten Molkerei Europas 2500 Mitarbeiter. „Theo Müller liebt diese Fabrik, sie ist so etwas wie sein zehntes Kind“, sagt ein ehemaliger Manager.

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Auf dem Firmengelände, das größer ist als der Wachauer Ortsteil Leppersdorf selbst, gibt es bereits eine Becherproduktion, ein Logistikzentrum, eine Lkw-Werkstatt und ein eigenes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk. Erst im vergangenen Jahr spendierte Müller zudem 200 Millionen Euro für „Molke V“, eine Produktionsanlage für hygienisch hochsensible Säuglingsnahrung. Die Infrastruktur würde sich noch besser rechnen, wenn Müller sie nicht nur für Sachsenmilch, sondern auch für Homann nutzt.

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