Künstliche Intelligenz Wie Autos das autonome Fahren lernen sollen

Viele Hersteller träumen von Autos ohne Lenkrad und Pedale. Noch fehlt aber die künstliche Intelligenz dafür. Die Branche will deshalb die Fahrzeuge schlauer machen – und ihnen sogar das Lippenlesen beibringen.

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So stellt sich Toyota das Autonome Fahren der Zukunft vor. Das Concept-i präsentierte der Konzern Anfang Januar auf der Fachmesse CES in Las Vegas. Quelle: Reuters

Stuttgart/Sindelfingen Der Fahrer tippt den Blinker nur leicht an, schon wechselt das Auto im dichten Autobahnverkehr ohne sein Zutun die Spur. Die Hände lässt der extra geschulte Testfahrer nur zur Sicherheit am Lenker, die Füße nutzt er gar nicht. Die S-Klasse von Daimler hält selbstständig Abstand, gibt automatisch Gas und bremst. Auch um Knöllchen muss sich der Fahrer keine Sorgen machen. Denn er kann einstellen, dass sich das Auto an Tempolimits hält.

Die Testfahrt rund um Sindelfingen zeigt aber auch: Das automatisierte Auto hat noch zu lernen. Ampelsignale erkennt es nicht – und wenn bei der Einfahrt in den Kreisverkehr von links plötzlich Verkehr kommt, muss der Fahrer selbst auf die Bremse treten. Doch an der Lösung für das Problem wird gearbeitet: Audi etwa macht in den USA bereits Feldversuche, um seine Autos in großen Städten mit Ampelsystemen zu vernetzen.

Trotz der Hürden: Die Technik macht immer mehr Fortschritte – auch dank neuer Verfahren der künstlichen Intelligenz. Daimler-Experten beispielsweise haben ihre Software mit tausenden Bildern aus deutschen Städten gefüttert, um das System für komplexe Verkehrssituationen zu trainieren. Die automatische Erkennung von Tempolimits und Verkehrsschildern funktioniert in der S-Klasse denn auch erstaunlich gut.

Künstliche Intelligenz (KI) im Auto beschäftigt die gesamte Branche. Der Zulieferer Bosch hat für die nächsten Jahre angekündigt, das „Gehirn“ für das Auto liefern zu wollen: einen Bordcomputer, der Verkehrssituationen interpretieren und Vorhersagen über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer treffen soll. Dafür will auch Bosch eng mit Daimler zusammenarbeiten. Ihr gemeinsames Ziel: Vollkommen autonom fahrende Autos für den Stadtverkehr bis zum Beginn des kommenden Jahrzehnts auf den Markt bringen.

Auch Konkurrent Continental arbeitet in einer Forschungspartnerschaft mit der Oxford University daran, welche Algorithmen die optische Objekterkennung verbessern können. Der amerikanische Chiphersteller Nvidia entwickelt Technologien, die dem Auto ermöglichen soll, Gesichter zu erkennen und sogar Lippen zu lesen.

Die elektronische Abbildung des menschlichen Gehirns mit Hilfe elektronischer Vernetzung dürfte laut Jürgen Schmidhuber, Leiter des Schweizer Instituts für Artifical Intelligence (IDSIA), aber noch nicht so schnell kommen: „Wir brauchen noch 25 Jahre, um dort mithalten zu können.“


Nur die Hälfte der Fahrer vertraut Autopiloten

Tatsächlich wird es noch dauern, bis Computer die Kontrolle im Auto übernehmen. Als erstes dürften sich die Fahrzeuge in streng begrenzten Räumen wie Parkhäusern ohne Fahrer bewegen können. Schon jetzt werde künstliche Intelligenz bei Nebenaufgaben eingesetzt, die nichts mit dem eigentlichen Fahren zu tun haben, sagt Frederik Diederichs vom Fraunhofer IAO in Stuttgart. Dazu zählt zum Beispiel Navigationsrouten vorzuschlagen oder Musikwünsche zu antizipieren. „Sicherheitsrelevante Entscheidungen werden aber noch nicht von Systemen mit künstlicher Intelligenz getroffen“, so Diederichs.

Dafür fehlt zum einen nach wie vor die rechtliche Grundlage. Der aktuelle Gesetzentwurf von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht weiterhin vor, dass der Fahrer irgendwann eingreift.

Ein anderes Problem sei, dass die Entscheidungen der Technik nicht auf Daten basieren, die der menschlichen Wahrnehmung entsprechen. „Die Entscheidungsprozesse sind nicht vorhersagbar, sie basieren auf Wahrscheinlichkeiten“, erklärt Diederichs. Entscheidend sei aber auch, dass der Nutzer immer nachvollziehen könne, warum eine Entscheidung gefällt wurde. „Das geht bei KI-Systemen schnell verloren.“

Bei Bosch lässt man die möglichen Entscheidungen des Autos noch einmal von Programmierern überprüfen. „Die klassischen Hersteller gehen den Weg der Absicherung“, sagt Michael Frey vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bislang fehlten aber standardisierte Prüfverfahren für künstliche Intelligenz im Auto.

Kathrin Pollmann, die im „Neurolab“ des Fraunhofer Instituts mit ihren Kollegen erforscht, welche Wirkungen intelligente Systeme auf die Nutzer haben, geht noch einen Schritt weiter. Sie beschäftigt sich beispielsweise mit der Frage, wie sich die Konzentration eines Fahrers erfassen lässt, damit dieser jederzeit eingreifen kann, wenn er denn muss. Pollmann will aber auch die Zustimmung der Autofahrer zu Assistenzsystemen messen.

Denn obwohl die Autobauer immer mehr technische Helferlein in ihre Fahrzeuge einbauen, ist die Skepsis noch hoch. Selbst bei einem Sicherheitsnachweis würden sich lediglich 47 Prozent der deutschen Verbraucher mit Autopiloten kutschieren lassen, hat die Unternehmensberatung Deloitte ermittelt. In anderen Ländern ist de Akzeptanz höher: In China liegt sie bereits bei 81 Prozent.

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