Für Stirnrunzeln sorgt bei den Deutschen bisweilen auch der Meinungsbildungsprozess der Eigentümer. „Die Verarbeitung von Wissen ist bei den Chinesen ein closed Shop“, sagt Ulrich, „da ist zu viel Passivität.“ Vorstandssitzungen seien keine Dialoge, sondern bestünden meist im „Versenden von Nachrichten“. Der Deutsche wünscht sich mehr Meinungsvielfalt und eine Streitkultur, die Firma müsse sich öffnen. Genau hier verläuft die Front zwischen der deutschen und der chinesischen Kultur, in der das Kollektiv und die Harmonie, statt Individualismus und Meinungsverschiedenheit im Vordergrund stehen.
Linde-Hydraulics-Chef Ulrich ist einer der wenigen Chefs deutscher Unternehmen mit chinesischem Eigentümer, die die Konflikte mit den Partnern aus Asien offen thematisieren. Vor allem aber: Ulrich scheut nicht die Auseinandersetzung mit den Chinesen, pflegt einen offenen Diskussionsstil. „Ich nehme mir die Freiheit“, sagt Ulrich, „auch, wenn es manchmal grenzwertig sein könnte.“ Wenn es fair, transparent und rational begründbar bleibe, sei ein solcher Stil aber in Ordnung. In fünf Jahren hat Ulrich gelernt, dass man mit einem offenen und direkten Kurs bei den Chinesen oft recht gut fährt. Und er hat gelernt, im Zweifel auch mal seine Meinung durchzusetzen. Ein wirksames Instrument ist dabei die Einbindung und Mobilisierung des Betriebsrates. Der Grund: Kaum etwas fürchten die Chinesen mehr als eine Störung des Betriebsfriedens.
Weichai erzielte zuletzt einen Umsatz von rund 20 Milliarden Dollar und will seine weltweiten Beteiligungen weiter ausbauen. Das Ziel wie bei vielen anderen chinesischen Unternehmen: der Aufstieg in die Rangliste der Fortune 500. Ulrich wundert sich allerdings auch hier über die Vorgehensweise. „Die machen das alles mit Chinesen aus China heraus“, sagt der Deutsche, „aber nicht mit westlichen Talenten. Dabei wäre das viel effektiver.“ Nur Know-how zentral aufzubauen, reiche einfach nicht. Ulrich: „Erkennen die Chinesen das? Ja. Ändern sie etwas? Nein.“ Höchstens zeitversetzt könne man mit einer Änderung des Verhaltens ändern, glaubt der Deutsche.
Die neuen starken Männer in China
Nach fünf Jahren im Amt der einflussreichste Parteichef seit Staatsgründer Mao Tsetung. Pragmatismus und Wirtschaftsreformen spielen unter dem 64-Jährigen nicht mehr so eine große Rolle, dafür die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei.
Kümmert sich als Premierminister vor allem um die Wirtschaft, musste aber viel Macht an den Präsidenten abgeben. Der 62-Jährige galt im Frühjahr noch als Wackelkandidat, weil er einer anderen politischen Strömung als Xi Jinping angehört.
Einer der engsten Verbündeten und langjähriger Weggefährte von Xi Jinping. Der 67-Jährige ist derzeit Stabschef des Präsidenten und wurde schon oft mit diplomatischen Missionen im Ausland betraut. Er soll möglicherweise Parlamentspräsident werden
Der 62 Jahre alte Vizepremier ist versiert in Wirtschafts- und Handelsfragen. Er ist das einzige neue Mitglied im Ständigen Ausschuss, das kein enger Vertrauter von Präsident Xi Jinping ist. Er wird dem Lager von Premierminister Li Keqiang zugeordnet.
Der Denker. Der 62-jährige diente drei Präsidenten als Berater und hat ein enges Verhältnis zu Xi Jinping entwickelt. Vermutlich steckt er hinter dessen Idee vom „chinesischen Traum“. Er wird Propaganda, Ideologie und Parteiorganisation verantworten.
Organisationschef der Partei. Als ehemaliger Parteichef von Shaanxi?, der Heimatprovinz von Xi Jinping, werden dem 60-Jährigen enge Verbindungen zum Präsidenten nachgesagt. Er wird das Amt des obersten Korruptionsbekämpfers übernehmen.
Arbeitete als Bürgermeister von Shanghai eng mit Xi Jinping zusammen, als der vor zehn Jahren Parteivorsitzender in der Metropole war. Ist heute selbst Parteichef Shanghais. Der 63-Jährige könnte neuer Vorsitzender der beratenden Konsultativkonferenz werden.
Bei anderen deutschen Unternehmen, die Chinesen in den vergangenen Jahren geschluckt haben, wirft das strategische Vorgehen zunehmend grundsätzliche Fragen auf. 2016 hatte etwa Osram sein Lampengeschäft an ein schwer zu durchschauendes Konsortium chinesischer Investoren verkauft. Die versicherten damals, eine langfristige Strategie für das Unternehmen zu haben. Inzwischen ist klar: Die neuen Eigentümer aus China werden 1300 Mitarbeiter entlassen und die Fabriken in Augsburg und Berlin schleißen. Die Chinesen hatten es vor allem auf den Markennamen und die Vertriebskanäle der Deutschen abgesehen. Nur die haben das zu spät erkannt.
Bei der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser setzt der chinesische Eigentümer Fosun zurzeit reihenweise deutsche Top-Manager vor die Tür. Fosun hatte das Geldhaus 2016 übernommen. Für die Deutschen hat sich das Engagement der Chinesen bislang kaum ausgezahlt; das Geschäft mit wohlhabenden Privatkunden aus China kommt offenbar kaum voran. Inzwischen scheint klar: Die Chinesen sahen in Hauck & Aufhäuser von Anfang an ein Vehikel, mit dem sie ihre Einkaufstour in Europa finanzieren können. Auf dem Zettel stehen ganz oben weitere Finanzinstitute.