Osram-Chef Berlien Wie Osram den LED-Boom unterschätzt hat

Vor zwei Jahren wurde Osram für seine Malaysia-Pläne von den Investoren abgestraft. Jetzt hat Konzernchef Olaf Berlien die LED-Fabrik eröffnet – ein weiterer Schritt auf dem Weg von Osram zum High-Tech-Unternehmen.

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Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren sitzt Olaf Berlien, Vorstandsvorsitzender bei Osram, auf einem Podium in der Konzernzentrale in München-Schwabing. Berlien präsentiert die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr. Gegen Ende macht der Osram-Chef noch eine Ankündigung – eine folgenschwere: Berlien sagt, man werde eine Milliarde Euro in die Fertigung von LED-Chips investieren, den ganz überwiegenden Teil davon in eine riesige neue Halbleiterfabrik im malaysischen Kulim.

Analysten und Investoren sind entsetzt. Binnen weniger Minuten bricht der Kurs der Osram-Aktie um fast 30 Prozent ein. LED-Chip-Fertigung, so geht die Kritik, können asiatische Hersteller besser und billiger. Berlien möge sich bitte auf das Kerngeschäft mit Leuchten und der Automobilbeleuchtung konzentrieren.

Am Donnerstag dieser Woche sitzt der damals so Gescholtene in einem klimatisierten Festzelt in Kulim, direkt hinter der neuen Chipfabrik. Der malaysische Handelsminister ist gekommen und preist die Investoren aus Deutschland. Einheimische Künstler führen zu Trommelklängen traditionelle Tänze auf. Es gibt ein flottes Imagefilmchen, Häppchen, Tee und Limonade – Osram feiert die Eröffnung der neuen LED-Chipfabrik in Malaysia. 370 Millionen Euro haben die Münchner in den Bau der ersten Stufe der Fertigung investiert. Zwei weitere Ausbaustufen werden folgen. Berlien hat es einfach durchgezogen.

Die wichtigsten LED-Hersteller nach Umsatz 2016

Der Ärger von damals ist längst verflogen, die Osram-Aktie eilt von einem Rekordhoch zum nächsten, und die Investoren loben das neue Werk. Denn mit der Eröffnung der neuen Fertigung macht Osram einen weiteren Schritt bei seiner Neuausrichtung: Aus dem 111 Jahre alten Hersteller von Glühbirnen, Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen wird allmählich ein Hochtechnologiekonzern, und die Nachfrage nach hochwertigen LED-Chips kennt nur eine Richtung – nach oben. „Eine Ausrichtung des Konzerns auf Leuchten, wie es einige gefordert haben, hätte für Osram zu einem schwierigen Jahr 2017 und zu einem noch schwierigeren Jahr 2108 geführt“, sagt Berlien heute lediglich. Nachkarten gegen die seinerzeitigen Kritiker ist seine Sache nicht.

Osram wächst – Ledvance streicht Stellen

Das Geschäft mit den konventionellen Leuchtmitteln hat der frühere Thyssenkrupp-Manager bereits im vergangenen Jahr verkauft. Ein Konsortium um das chinesische Unternehmen MLS hat die Sparte mit insgesamt 9000 Mitarbeitern übernommen. Seitdem firmiert sie unter dem Namen Ledvance. Für die Belegschaft war das ein folgenschwerer Schritt. Vor wenigen Tagen kündigte Ledvance an, die Werke in Berlin und Augsburg zu schließen. Betroffen sind etwa 800 Mitarbeiter. An den zwei übrigen deutschen Standorten in Wipperfürth und Eichstätt sollen weitere Arbeitsplätze wegfallen.

Der Markt für Glühbirnen, Leuchtstoffröhren oder Energiesparlampen löst sich allmählich auf. So haben die EU-Behörden bereits bestimmte Halogenlampen verboten, im kommenden Jahr folgt ein Verbot für eine Reihe von Leuchtstoffröhren. „Die traditionelle Lichttechnik geht runter“, sagt Berlien. Der Trend geht zu energiesparenden LED-Lampe.

Das ist die Lage bei Ledvance

Die Investoren aus China, das ist inzwischen klar, hatten es bei ihrem Kauf der Osram-Lampensparte vor allem auf die Vertriebskanäle der Deutschen und den Markennamen abgesehen. Den dürfen sie nämlich noch zehn Jahre nutzen.

Berlien verweist tapfer darauf, die Mitarbeiter im Vertrieb profitierten immerhin von der Übernahme durch MLS – allerdings ausschließlich dadurch, dass die Chinesen ihre LED-Lampen aus China in die Osram-Vertriebskanäle drücken konnten. Dadurch kletterte der Ledvance-Umsatz innerhalb eines Jahres um 300 Millionen. Die Mitarbeiter in den deutschen Fertigungen blicken trotzdem in die Röhre.

Auf dem Weg in den Reinraum der neuen Fabrik in Kulim geht es vorbei an einem Fitnessraum, einem Billardtisch und einem Tischkicker. Überall laden orangefarbene Sitzgruppen zum Ausruhen ein. Osram bemüht sich sichtlich um seine malaysischen Mitarbeiter. Der Grund: Der Kampf um Talente in Malaysia ist hart, die Fluktuation hoch. Unter den ersten 300 Mitarbeitern, die die Münchner für ihre neue Fertigung angeheuert haben, hat eine ganze Reihe vorher bei Infineon gearbeitet. Der Halbleiterhersteller aus Neubiberg bei München hat in der Nachbarschaft eine große Fabrik.

Und Osram wird noch mehr Mitarbeiter brauchen. Wenn die erste Stufe der Fertigung Ende 2018 voll läuft, sollen in den Werkshallen 1500 Menschen arbeiten. Kurz darauf dürfte der weitere Ausbau der Fertigungskapazitäten starten. Der deutsche Botschafter in Malaysia, Nikolaus Graf Lambsdorff mahnt darum, die malaysische Regierung müsse dringend ihr Bildungssystem in Ordnung bringen, um die Zahl der Fachkräfte zu erhöhen.

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