Rickmers-Insolvenz Die sinnloseste Gläubigerversammlung Deutschlands

Die HSH hat die Sanierungspläne von Rickmers vereitelt, die Reederei muss Insolvenz anmelden. Dutzende Anleihen-Gläubiger versammeln sich trotzdem in Hamburg. Sie bringen viel Enttäuschung mit.

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Quelle: dpa

Schon als sie die Anleihen der Rickmers Reederei kaufte, hatte Anna Nitschke ein ungutes Gefühl. Sie wusste, dass es den Reedern nicht gut geht, dass die Schifffahrt in einer Krise steckt. Aber die wird schon vorbeigehen, dachte sie sich. „Aber neun Prozent Zinsen locken natürlich.“ Und Rickmers? „Das ist ja ein alt eingesessenes Unternehmen“, sagt sie. Als Hamburgerin kennt sie den Namen. Schon von der Rickmer Rickmers, das prächtige Museumsschiff im Hamburger Hafen.

Mehr als 180 Jahre reicht die Geschichte der Schifffahrtsdynastie Rickmers zurück. Ein Teil von ihr endet heute. Eigentümer Bertram Rickmers hat mit seinem Vorstand heute Morgen einen Insolvenzantrag gestellt. Eigentlich wollte er seine Reederei retten, heute hätten die Anleihengläubiger über den Sanierungsplan abstimmen sollen. Dazu kam es nicht. Die HSH Nordbank, der größte Gläubiger von Rickmers, hat gestern Abend ihre Zustimmung zu dem Insolvenzplan zurückgezogen.

Viele Anleihen-Inhaber kamen trotzdem nach Hamburg, in das Courtyard Marriott Hotel – zur vielleicht sinnlosesten Gläubigerversammlung Deutschlands.

„Ich habe das mit dem Insolvenzantrag gestern Abend gar nicht mehr mitgekriegt“, sagt ein junger Anleger aus Hamburg. „Ich dachte, wir stimmen über die Sanierung ab.“ „Ich hatte die Reise halt schon gebucht“, sagt ein älterer Herr aus Berlin. „Wir wollten das uns hier einfach mal angucken“, sagt Anna Nitschke. „Das ist ja schon merkwürdig, was hier passiert ist“.

Eng aneinander gedrängt auf roten Polsterstühlen hören sich die Anleger die Gründe für das Scheitern von Rickmers noch mal an. Seit neun Jahren herrscht in der Branche Notstand. Die Wirtschaftskrise 2008 überraschte die Reeder, sie hatten auf Wachstum gewettet und fleißig Schiffe gekauft. Doch für die gab es nun keine Nachfrage mehr. Die Reeder reagierten, in dem sie noch größere Schiffe bauen ließen, damit die Kosten für den Transport eines Containers geringer sind. Doch damit verschlimmerten sie das Problem nur.

Besonders Charterreedereien wie Rickmers leiden. Sie vermieten ihre Schiffe an Linienreedereien wie Maersk oder Hapag-Lloyd, samt Crew. Doch die brauchten die fremden Schiffe auf einmal kaum noch. Und zahlen wollten sie dafür erst recht nicht viel. Vor allem für kleine Schiffe, die nicht mal 5000 Container transportieren können. Und davon hat Rickmers besonders viele.

Trotzdem will die Reederei an die Börse, und nimmt 2013 eine Anleihe über 275 Millionen Euro auf. Von dem Geld werden die Gläubiger wohl nicht mehr viel wiedersehen. Im Sanierungsplan war vorgesehen, dass die Anleihengläubiger wenigstens noch ihre knapp neun Prozent Zinsen bekommen, die in der nächsten Wochen fällig wären. Doch mit der Entscheidung der HSH kann Rickmers selbst die Zinsen nicht mehr zahlen. „Ich rechne mit einem Totalverlust“, sagt Anna Nitschke.

Auf der Tagesordnung der Gläubigerversammlung steht heute nur ein einziger Programmpunkt: Die Wahl eines Gemeinsamen Vertreters. Der soll im Insolvenzverfahren die Interessen der Anleihengläubiger vertreten, möglichst viel von ihrem Investments für sie zurückholen. Er ist der einzige, der dann noch in ihrem Namen Entscheidungen fällen kann. Drei Kandidaten stehen zur Wahl.  In den Pausen sprechen die Anwälte bei Kaffee und Suppe die Gläubiger an, um sie von ihren Firmen zu überzeugen. Das Mandat ist auch für sie wichtig. Es bedeutet Prestige. Und Geld.

Marktanteile der größten 10 Container-Reedereien

Am Ende gewinnt Frank Günther, Partner bei One Square Advisors. Der hatte vorher Rickmers noch bei der Sanierung beraten und soll nun auf die Anlegerseite wechseln, kritisiert Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Es gibt die Gefahr eines Interessenskonflikt“, warnt er. „Das ist für uns eine rote Linie“.

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