Siemens-Aufsichtsratschef Crommes letzter großer Auftritt

Gerhard Cromme Quelle: Bloomberg

Europas Technologiekonzern Nummer Eins durchlebt turbulente Zeiten. Nach 15 Jahren im Aufsichtsrat verlässt nun auch noch Chefaufseher Cromme das Unternehmen. Was sein Nachfolger dringend anpacken muss.

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Zum Abschied muss Joe Kaeser noch einmal die Wegmarken, die herausragenden Stationen, an denen Gerhard Cromme dem Konzern geholfen hat, nachzeichnen. „Die Korruptionsaffäre im Jahr 2007, die man etwas beschönigend als Compliance-Affäre bezeichnet hat, hat Siemens in eine existenzielle Krise gestürzt“, sagt Kaeser. „Das Unternehmen stand damals am Abgrund.“

„Oder 2013“, sagt Kaeser. Siemens musste damals gewaltige Abschreibungen auf schief gelaufene Großprojekte vornehmen, die Konzernmarge schrumpfte. „Das Unternehmen drohte den Anschluss an seine Mitbewerber zu verlieren“, erinnert der Siemens-Chef. Dazu kam ein Chaos in der Konzernführung rund um die Nachfolge des damaligen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher.

„Herr Cromme, sie haben entschlossen diese Entwicklungen korrigiert“, lobt Löscher-Nachfolger Kaeser und fordert sein Publikum zu Applaus auf. In schwierigen Zeiten habe Cromme Mut bewiesen, fügt der Siemens-Chef hinzu. Der Beifall ist Cromme sicher.

Es ist die letzte Siemens-Hauptversammlung, die Gerhard Cromme am Mittwoch in München leitet. 15 Jahre saß der 74-Jährige im Kontrollgremium des Münchner Konzerns, elf Jahre stand er ihm vor. Jetzt tritt der frühere Thyssenkrupp-Chef ab. „Es war mir stets eine Ehre, diesem faszinierenden Unternehmen dienen zu dürfen“, ruft Cromme den Siemens-Aktionären zu.

Siemens steckt in keiner existenziellen Krise, steht nicht am Abgrund, und ein Führungschaos gibt es in München schon gar nicht. Doch unruhig ist es mal wieder bei Europas bedeutendstem Technologiekonzern. Vor der Olympiahalle, in der die Aktionäre zusammengekommen sind, demonstrieren rund 250 Siemensianer bei strahlendem Sonnenschein gegen den drohenden Stellenabbau in der Kraftwerkssparte. Kaeser hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, weltweit 6900 Arbeitsplätze streichen zu wollen, eine Reihe von Werken könnte geschlossen werden.

Siemens-Chef Kaeser verteidigt geplanten Stellenabbau

Das Geschäft mit Windkraftanlagen, das Siemens kürzlich mit dem des spanischen Konkurrenten Gamesa zusammengelegt hat, hat schwere Schlagseite. Kaeser, der angesichts guter Geschäftszahlen bis Herbst vergangenen Jahres mit ordentlichem Rückenwind unterwegs war, hat derzeit größere Probleme vor der Brust. „Der Aktienkurs dümpelt“, klagt denn auch Daniela Bergdolt, Vorsitzende der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Um zwölf Prozent schlechter als der Dax hat sich der Kurs des Siemens-Papiers seit der letzten Hauptversammlung im Januar 2017 entwickelt.

Cromme tritt angesichts der Herausforderungen nicht ab, ohne der Konzernführung einige Warnungen und Appelle mit auf den Weg zu geben. So drängt er, die Probleme in der Kraftwerkssparte müssten rasch gelöst werden. „Wir leben in einer Welt voller Umbrüche“, mahnt der scheidende Chefkontrolleur, da müsse man weit in die Zukunft blicken. „Wer heute zu den Siegern zählt, kann morgen schon der Verlierer sein“, warnt Cromme. Er nennt kriselnde oder längst untergegangene Handyhersteller und aufstrebende asiatische Schwellenländer als Beispiele.

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