Aufsichtsratswahl bei SAP Wenn ein Kindergarten zum Politikum wird

Die Aufsichtsratswahlen bei Deutschlands größtem Softwarekonzern SAP werden von einem Streit überschattet, ob das Unternehmen Betriebsräte weichgespült hat – mit Geldern für zwei Kindergärten.

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Die Aufsichtsratswahlen bei SAP sorgen seit Jahren für Streit beim Softwarekonzern. Quelle: AP

Aus seiner Ablehnung gegenüber Betriebsräten hat Dietmar Hopp nie einen Hehl gemacht. „Unsere Hauptmitbewerber haben keine fremdbestimmten Betriebsräte“, schrieb der Mitgründer von SAP an seine Mitarbeiter, als die IG Metall Anfang 2006 erstmals Wahlen für eine Arbeitnehmervertretung bei Deutschlands Vorzeige-Softwarekonzern durchsetzte. „Ich betreibe hier keine Schwarzmalerei, aber wollen Sie von Leuten vertreten werden, die ihre Anweisungen von außerhalb erhalten?“, warnte Hopp vor dem Einfluss der Gewerkschaft.

Offenbar hat der heute 74-Jährige seine Berührungsängste gegenüber Arbeitnehmervertretern im eigenen Unternehmen in den vergangenen Jahren deutlich abgebaut. Diesen Eindruck legt eine Auseinandersetzung nahe, die SAP-intern die Gemüter bewegt, außerhalb des Unternehmens aber noch niemandem aufgefallen ist. Es geht um die Frage, ob Unternehmen Wohlwollen gegenüber Betriebsräten walten lassen dürfen – in der Hoffnung, dafür von den Arbeitnehmervertretern Gleiches zurückzubekommen. In der Praxis gelingt vielen Chefs eine solche Weichspülung, ohne dass sie damit gegen das Verbot der Begünstigung von Betriebsräten verstoßen. Gleichwohl haftet der Strategie immer auch ein Geschmäckle an.

Die Entwicklung von SAP

Im Zentrum bei SAP stehen in diesem Zusammenhang mehrere Großspenden von Mitgründer Hopp. Die Beträge ließ der Milliardär seit 2010 über seine Dietmar-Hopp-Stiftung der gemeinnützigen Firma family & kids @ work zukommen. Das Unternehmen betreibt zwei Kindergärten, den einen am SAP-Sitz im badischen Walldorf und den anderen im benachbarten St. Leon-Rot. Zu den Gesellschafterinnen von family & kids @ work zählen Christiane Kuntz-Mayr und Natalie Boulay.

Einfluss der deutschen Mitarbeiter sinkt

Zum Politikum im Unternehmen wird der Vorgang nun, weil die beiden Damen Betriebsräte bei SAP sind. Kuntz-Mayr war zudem bis Anfang 2014 stellvertretende Betriebsratschefin und fungiert bis heute auf der Arbeitnehmerbank im SAP-Aufsichtsrat als Stellvertreterin von Chefkontrolleur Hasso Plattner. Hinzu kommt, dass die indirekte Unterstützung durch SAP-Aktionär Hopp nicht die einzige Zuwendung von Arbeitgeberseite war. Gleichzeitig erhielt die Firma der Betriebsrätin und Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat Millionen vom SAP-Konzern selbst.

Dass dies alles jetzt hochkocht, ist kein Zufall. Denn Anfang der vergangenen Woche hat SAP den 17.000 Mitarbeitern in Deutschland die Unterlagen für die bevorstehende Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zugeschickt. Gleichzeitig hat sich SAP jüngst in eine Aktiengesellschaft europäischen Rechts, eine SE, umgewandelt. Dadurch dürfen die Beschäftigten nicht mehr fünf, sondern nur noch drei Vertreter direkt wählen. Weitere drei Aufsichtsratsmitglieder entsendet künftig der europäische Betriebsrat, auf den die hiesigen Mitarbeiter weniger Einfluss haben.

Die geringeren direkten Mitwirkungsmöglichkeiten der hiesigen Beschäftigten schüren nun bei Teilen des SAP-Betriebsrats die Sorge: Mitglieder des Gremiums, die Wohltaten mit Geld aus dem Unternehmen vollbrachten, könnten dadurch bei den anstehenden Aufsichtsratswahlen von einem Image-Plus profitieren. Betriebsrätin Kuntz-Mayr habe für ihre Kindergartenfirma family & kids @ work „erhebliche Geldzuwendungen von der SAP SE erhalten, deren Vorstand sie als Aufsichtsratsmitglied unabhängig kontrollieren und überwachen soll“, warnte SAP-Betriebsrat Dirk Wegner Anfang des Monats die Mitarbeiter in Walldorf. Dies sei ein „Interessenkonflikt“, den die Betriebsrätin in einem wichtigen Fall bereits zuungunsten der Belegschaft entschieden habe, nämlich indem sie im Jahr 2013, damals Vize-Betriebsratschefin, „als Schlüsselfigur“ einer Absenkung der Erfolgsbeteiligung für die SAP-Mitarbeiter zugestimmt habe.

Top 10 der Softwareunternehmen nach Umsatz 2013

Wegner hat früher im Betriebsrat mit Kuntz-Mayr und deren Anhängern zusammengearbeitet, sich mit denen aber überworfen, weil sie zu wenig bei der SAP-Führung herausgeholt hätten. Deshalb hatte er 2014 eine eigene Liste gegründet, über die er schließlich in den Betriebsrat gelangt war.

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