Berlinale Wenn die Filmbranche mit der Staatsministerin fremdelt

Am ersten Tag der Berlinale sind Film- und Fernsehproduzenten in Feierlaune – vernachlässigen dabei trotzdem die Lobbyarbeit in eigener Sache nicht. Sie ringen mit Politikern vor allem um eine Sache: mehr Fördergeld.

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Regelmäßiger Gast auf der Berlinale: Kulturstaatsministerin Monika Grütters (r.). Hier bei der Eröffnungsgala 2015 mit der französischen Schauspielerin Juliette Binoche (m.) und der katalanischen Regisseurin Isabel Coixet. Quelle: dpa

Berlin Es war ihr Tag. Eingerahmt von der Schauspielerin Iris Berben und Alexander Thies, dem Vorsitzenden des Branchenverbandes Produzentenallianz, stand Kulturstaatsministerin Monika Grütters hinter dem Rednerpult und sagte: „Mutige Filme brauchen nicht nur mutige Filmemacher, sondern auch mutige Filmförderer und mutige Filmförderentscheidungen.“ Die anwesenden Film- und Fernsehproduzenten wussten, dass die Ministerin sich da gerade kräftig selbst lobte. Dennoch spendeten sie kräftig Applaus.

Am Eröffnungstag der Berlinale ist der von der Produzentenallianz ausgerichtete Deutsche Produzententag der erste Höhepunkt. Dass Grütters diesmal umjubelter Ehrengast der Veranstaltung war, wäre vor Jahresfrist kaum vorstellbar gewesen. Damals fremdelte die Branche noch mit der Staatsministerin. Sie hatte auf Druck von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) um zehn Millionen Euro gekürzt. Den Produzenten, die Grütters‘ Vorgänger, dem bekennenden Cineasten Bernd Neumann, nachtrauerten, galt sie als durchsetzungsschwach.

Das war ein Irrtum. Die Christdemokratin erwies sich als Glücksfall für den deutschen Film. Sie erhöhte die kulturelle Filmförderung nicht nur von 13 auf 28 Millionen Euro. Die Pragmatikerin zapfte auch den DFFF-Etat für 2016 an, weil die Mittel des Vorjahres – wie erwartet – schnell erschöpft waren, weshalb mehrere Großproduktionen zu scheitern drohten. Schließlich hat sie noch eine Novelle des Filmförderungsgesetzes auf den Weg gebracht, die ganz im Sinne der Produzenten ist. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel legte zudem noch im Dezember den German Motion Picture Fund auf, der mit zehn Millionen Euro ausgestattet ist und die Innovationskraft der deutschen Filmwirtschaft stärken soll.

Gemessen an den Wohltaten, die ihr die Politik in den vergangen zwölf Monaten hat angedeihen lassen, ist die Produzentenallianz wohl einer der erfolgreichsten deutschen Lobbyverbände. Die Interessenvertretung agierte nicht nur geschickt auf dem politischen Parkett. Mit der ARD handelte sie erst kürzlich ein Eckpunktepapier aus, das den Produzenten deutlich verbesserte Konditionen und mehr Rechte an ihren Filmen garantiert und das Erste 50 Millionen Euro pro Jahr kosten wird. Dafür ließ sich Verbandschef Thies zu Beginn des Produzententages gebührend feiern. Das Eckpunktepapier sei ein „Meilenstein“, eine „Zäsur“ jubelte Thies. „Wir haben endlich Augenhöhe erreicht.“ Die ARD-Vorsitzende Karola Wille trug die wichtigsten Punkte der Vereinbarung vor. Im vergangenen Jahr hatte sie sich an gleicher Stelle noch die Wünsche der Produzenten anhören müssen.


Was schaut das deutsche Fernsehpublikum?

Doch allen Verbesserungen zum Trotz sind zumindest im Fernsehen keine neuen innovativen Höhenflüge zu erwarten. Offenbar will der deutsche TV-Zuschauer dergleichen nicht. Zuletzt floppten ambitionierte Produktionen wie „Deutschland 83“ (RTL) und „Die Stadt und die Macht“ (ARD). Das deutsche Fernsehpublikum schaut lieber das, was es schon seit einer gefühlten Ewigkeit sieht: „Tatort“, „Polizeiruf 110“, Florian Silbereisens Musiksendungen und „Wer wird Millionär?“.

Zwar beteuerten im zweiten Teil der Veranstaltung RTL-Geschäftsführer Frank Hoffmann und ARD-Chefin Wille, auch künftig innovativen Formaten eine Chance geben zu wollen. Doch Hoffmann sagte auch, das Fernsehen sei der Platz für Bewährtes. Experimentiert werden könne auf Online-Videoplattformen wie Netflix.
Nach Ansicht von Bettina Reitz, der Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film in München, ist es so leicht aber nicht. Internationale Plattformen würden kaum in Europa produzieren. Zudem hätten deutsche TV-Produzenten Probleme mit den Standards von Anbietern wie Amazon und Netflix. Sie zitierte Amazons Filmchef Roy Price, der von allen seinen Produzenten „Kinoqualität“ verlangt. „Das Geld so zu produzieren, ist in Deutschland gar nicht vorhanden“, sagte Reitz.

Am Ende der Diskussion blieb der Eindruck, dass die deutschen Produzenten vor einem Dilemma stehen: Sie haben es zum einen mit älteren Zuschauern zu tun, die das immer Gleiche sehen wollen und nur sehr bedingt offen für Innovatives sind. Andererseits wächst ein junges TV-Publikum nach, das sich zunehmend vom klassischen linearen Fernsehen abwendet und auf Online-Videoplattformen innovative teure US-Serien wie „Breaking Bad“, „House of Cards“ oder „Game of Thrones“ schaut. Mit deren Etats können hiesige Produktionsfirmen beim derzeitigen Zustand der deutschen Fernsehlandschaft aber kaum mithalten. Trotz aller Erfolge bleibt für die Produzentenallianz also noch einiges zu tun.

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