Deutsche Telekom Nur ein Kritiker steht auf

Die Deutsche Telekom singt Lobeshymnen auf sich selbst. Auch die großen Aktionärsvereinigungen halten sich mit Kritik zurück. Nur Netzaktivist Thomas Lohninger möchte sich diesem Kuschelkurs nicht anschließen.

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Vom Freud und Leid der T-Aktionäre
Anfang 1995 und 18. November 1996 Quelle: dpa
28. Juni 1999 Quelle: dpa
06. März 2000 Quelle: Screenshot
17. April 2000 Quelle: dpa/dpaweb
19. Juni 2000 Quelle: dpa
31. Juli 2000 Quelle: dpa
21. Februar 2001 Quelle: dpa

Auf dem ersten Blick läuft die Hauptversammlung der Deutschen Telekom wie im vergangenen Jahr. Knapp 2000 Aktionäre sind die Kölner LanxessArena gekommen, um mit Telekom-Chef Tim Höttges das Erreichen der wichtigsten Geschäftsziele zu feiern. Bei allen wichtigen Kennziffern - Börsenwert, Umsatz und operativem Gewinn - weist die Telekom ein dickes Plus aus. Und deshalb halten sich auch die großen Aktionärsvereinigungen mit Kritik zurück. Alles super, könnte man meinen. Doch ganz so toll ist es dann doch nicht.

Ein Redner schließt sich diesen Lobeshymnen nicht an. Der Mann heißt Thomas Lohninger, ist Netzaktivist in Wien und einer der Kämpfer für digitale Rechte in Europa. Zum ersten Mal ist der Executive Director der Nicht-Regierungsorganisation epicenter.works zur Hauptversammlung der Telekom gekommen. Und das hat einen einfachen Grund: Lohninger will ein Plädoyer für die Netzneutralität im mobilen Internet abgeben. Denn die ist seiner Meinung nach akut gefährdet.

Anfang des Monats hat die Telekom einen neuen Mobilfunktarif mit dem Namen StreamOn eingeführt. Der Vorteil: Wer diesen Tarif wählt, kann unbegrenzt Musik hören und Videos schauen, verspricht die Telekom. Der Nachteil: Der Hör- und Videogenuss ohne Limit gilt nur für speziell ausgewählte Partner wie Apple Music, Amazon Music, ARD, ZDF oder Netflix. Denn nur bei diesen privilegierten Apps wird der Datenverbrauch nicht auf das gekaufte Datenvolumen angerechnet. "Die Kunden lieben das", ruft Höttges den Aktionären zu. "In nur drei Wochen haben sich 150.000 Kunden den Tarif besorgt." Der Tarif könnte also dafür sorgen, dass die Telekom in diesem Jahr Umsätze und Marktanteile in Deutschland dazu gewinnt.

Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt

Wie ein einsamer Rufer in der Wüste steht Lohninger nun vor den T-Aktionären und versucht in zehn Minuten zu erklären, warum dieser Wachstumsplan für die Telekom nicht aufgehen wird. Denn was sich auf dem ersten Blick so lukrativ anhört, ist seiner Ansicht nach nur der nächste Versuch, die Errungenschaften des offenen Internets durch einen Telekom-eigenen Hoheitsbereich mit einem sauber eingezäunten Garten einzuschränken. "StreamOn schränkt die Wahlfreiheit der Kunden und den freien Wettbewerb zwischen den Inhalteanbietern ein", kritisiert Lohninger. Denn das bei der Premiere des neuen Tarifmodells abgegebene Versprechen, dass alle Musik- und Videoanbieter diskriminierungsfrei mitmachen dürfen, lasse sich schon jetzt nicht mehr einhalten.

Lohninger hat sich die Geschäftsbedingungen genauer angeschaut: Schon bei der Anmeldung zu StreamOn verpflichtet sich ein  Inhalteanbieter, mit der Telekom dauerhaft zusammenzuarbeiten, um den eigenen Dienst im Netz der Deutschen Telekom identifizierbar zu machen. Jede Änderung am eigenen Produkt muss er der Deutschen Telekom vier Wochen im Vorhinein bekannt gegeben werden. "Vier Wochen sind eine lange Zeit gemessen an den Innovationszyklen des Internets", sagt Lohninger. Sollte ein Streaming-Anbieter diese Bedingungen nicht einhalten, riskiert er entweder von SteamOn ausgeschlossen zu werden oder andererseits eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verankerte Vertragsstrafe.

"Wie viele Anbieter sind bereit dieses Risiko einzugehen?" Fragt Lohninger. Für kleine und mittelständische Unternehmer aus Deutschland könnte das Risiko zu hoch sein. Lohninger berichtet von dem  Unternehmer Timo Hetzel, der seit vielen Jahren den erfolgreichen Podcast „Bits und So“ betreibt und sich entschieden hat, nicht bei StreamOn mitzumachen. Er will das unternehmerische Risiko einer Teilnahme an StreamOn nicht auf sich nehmen. Selbst größere Anbieter winken ab. Vimeo, der erfolgreichste Video-Streaming Anbieter in Deutschland nach YouTube, hat entschieden, nicht Teil von StreamOn zu sein. In einem offenen Brief an die Bundesnetzagentur erklärt das Unternehmen, dass sogar Vimeo mit seine 200 Mitarbeitern  technisch und administrativ nicht in der Lage sind. den Teilnahmebedingungen von StreamOn zuzustimmen.

Lohninger befürchtet: "StreamOn verstößt gleich auf mehreren Ebenen gegen geltendes EU Recht." Die Deutsche Telekom habe in einen Dienst investiert, dessen rechtliche Zulässigkeit stark zu bezweifeln ist. Die Bundesnetzagentur hat die Ermittlungen aufgenommen und schaut sich den umstrittenen Tarif bereits an. "Anstatt Firmen in Verträge mit StreamOn zu zwingen, sollte die Telekom die Datenvolumen für StreamOn für alle Dienste zur Verfügung stellen."

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