Künstliche Intelligenz Roland-Berger-Chef sieht Google scheitern

Charles-Edouard Bouée prognostiziert einen Umbruch im Digital-Geschäft. Der Roland-Berger-Chef ist sicher: Newcomer auf der Feld der Künstlichen Intelligenz verdrängen in wenigen Jahren die Internet-Riesen aus den USA.

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Google und Co. sind mittlerweile zu groß, um auf die Umbrüche zu reagieren, die von künstlicher Intelligenz ausgelöst werden, sagt der Roland-Berger-Chef. Quelle: AP

München Einer der bekanntesten Unternehmensberater glaubt an Künstliche Intelligenz (KI), aber nicht an Google – das ist vielleicht die überraschendste Erkenntnis, die Charles-Edouard Bouée vermittelt. Der Chef von Roland Berger ist sich sicher, dass KI „in den nächsten zehn Jahren alles verändern wird“, wie er bei einem Gespräch in der Münchener Zentrale erklärte. Die Technologie werde ein „entscheidendes Element“ für das Wachstum der Zukunft – und ganz neue Global Player hervorbringen.

Große Unternehmen wie Google oder Facebook, die heute noch den digitalen Markt beherrschen, seien in der Regel zu groß für die erforderlichen Innovationen, urteilt Bouée. Und sie würden alles tun, um ihr Stammgeschäft nicht zu gefährden: „Doch die Werbeerlöse, von denen Google und die anderen heute leben, gibt es in einigen Jahren so nicht mehr.“ Das sei  rückläufiges Geschäft.

Die bisherigen KI-Investitionen der großen US-Konzerne dienten andererseits nur dazu, mit alter Technik mehr Gewinn aus den eigenen Kunden herauszuquetschen. Innovativ sei das nicht, findet der Berater, der in Kürze auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in einem kleinen Kreis mit dem langjährigen Google-Chef Eric Schmidt diskutieren wird.

Wichtig sei nun, so die Botschaft des französisch-stämmigen Roland-Berger-Chefs, dass sich Deutschland und Frankreich zusammentun, um das Feld von KI gemeinsam zu entwickeln – zum Beispiel, um neue Standards für alle festzulegen. „Das könnte ein Push für Europa sein“, der Kontinent müsse „mit seinen eigenen Waffen spielen“, so Bouée. Durch den Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Elysee-Palast seien die Voraussetzungen jetzt  gut, das Klima habe sich komplett verändert: „Früher war alles grau, jetzt ist es rosa.“

Während in Deutschland die industrielle Kompetenz hoch sei, habe sein Heimatland eine bessere Gründungsmentalität, lobt der Experte ein deutsch-französisches Team aus. Nur im Zusammenspiel sei der Vorstoß der chinesischen Regierung aufzuhalten, die Mitte 2017 in Peking ein Zentrum für Künstliche Intelligenz gegründet hat, um 2030 Weltmarktführer auf dem Gebiet zu werden.

Den Umsatz auf diesem Feld sieht die Unternehmensberatung Roland Berger in China von 23 Milliarden Dollar (2020) auf 150 Milliarden in 2030 ansteigen. Noch aber befänden sich China (600 KI-Firmen) und Europa (620 KI-Firmen) gleichauf. Die USA kommen demnach auf 1000 Firmen. Dort aber gebe es bei weitem die meisten Venture-Capital-Deals, um solche jungen Firmen aufzupäppeln. Auch wenn die Vereinigten Staaten nun mit Donald Trump einen „unprofessionellen Politiker“ als Präsidenten haben, sei das Land nie zu unterschätzen, sagte Bouée. KI sei eine „Herausforderung für Nationen“.

Für Bouée ist die digitale Entwicklung insgesamt in vier Zyklen verlaufen. Erst hätten große US-Konzerne wie IBM und Microsoft das Sagen gehabt, dann seien Handyfirmen (Nokia, Deutsche Telekom, Vodafone) dominant geworden und schließlich reüssierten Plattformen rund um Smartphones wie Apple, Amazon, Google und Facebook. In Zukunft aber – bei der „vierten Welle“ - würden Newcomer mit ihren KI-Produkten vorpreschen und beispielsweise Konsumenten Dinge wie Einkaufsplanung oder Geldanlage abnehmen. Sie könnten dabei jenes Vertrauen erzeugen, für das ein Gerät wie Alexa von Amazon womöglich bei vielen nicht sorge.

Vor allem die Autoindustrie und Finanzfirmen sollten sich intensiv mit KI beschäftigen, erläuterte Bouée: Wer vom Silicon Valley am stärksten bedroht werde, müsse am schnellsten reagieren. Der Firmenchef hat 2017 in Paris selbst ein Buch über die neuen digitalen Trends unter dem Titel „La chute de l'Èmpire humain“ publiziert, also über den „Absturz des menschlichen Imperiums“. Bouées Wunsch, eine Prognose über das Jahr 2025 hinaus zu publizieren, kam der Verleger der renommierten Editions Grasset aber nicht nach: „Wir verlegen Proust, aber keine Science-Fiction.“

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