Steven Wilson "Ohne Cyber-Sicherheit wird es bald wirklich ungemütlich"

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„Industrie 4.0 und das Internet der Dinge stellen eine große Gefahr dar“

Wie müssen wir uns die bösen Jungs vorstellen, sind das Hacker im Kapuzenpulli, die in irgendeiner Mietwohnung den ganzen Tag vorm PC hocken?
Cybercrime ist mittlerweile zum globalen Geschäft geworden, das es fast jedem ermöglicht, einzusteigen und mitzumischen. Vor ein paar Jahren waren noch etliche Spezialisten nötig, um einen Erpresserangriff wie Wannacry oder Petya vorzubereiten. Heute können sie alles outsourcen.

Was heißt das?
Im Internet können sie sich alle Experten zusammensuchen, die am Ende den Angriff für sie ausführen, von der Programmierung bis hin zum Abheben des erpressten Geldes am Automaten. Kriminelle brauchen kein technisches Verständnis mehr, es reicht aus, Sub-Unternehmer anzustellen, um richtig Geld zu machen. Diese Entwicklung hat das Geschäft maßgeblich verändert.

Kommen Sie dieser Professionalisierung noch hinterher?
Wie gesagt, es ist essenziell, dass jeder Beteiligte seine Informationen teilt. Unternehmen und Behörden müssen von lokaler bis zur internationalen Ebene alle Schnipsel teilen, die sie gesammelt haben. Dann können wir gemeinsam das Puzzle lösen, mit dem wir am Ende auch die Hintermänner bekommen. Ein Beispiel, wie wir solche Netzwerke ausheben können, ist die Operation Avalanche. Ende des letzten Jahres konnten wir die Betreiber einer kriminellen Infrastruktur festnehmen, die allein von deutschen Bankkonten sechs Millionen Euro gestohlen haben.  Hier hat die Staatsanwaltschaft Verden mit der Polizei Lüneburg, dem FBI und uns bei Europol zusammengearbeitet. Insgesamt waren 30 Länder beteiligt.

Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen

Solche kriminellen Netze kapern oft Geräte, die ungesichert mit dem Internet verbunden sind, um darüber unerkannt arbeiten zu können. Bald sollen im Internet der Dinge nicht nur Maschinen in den Fabriken sondern auch Straßenlaternen miteinander vernetzt werden. Macht Ihnen das Angst?
Industrie 4.0 und das Internet der Dinge stellen eine große Gefahr dar, und diese Gefahr wächst. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr war Liberia für mehr als 20 Stunden komplett offline, weil 600.000 Überwachungskameras gekapert werden konnten. Wenn wir solche Geräte vernetzen, die wenig gesichert oder manchmal gar nicht gesichert werden, dann bieten wir den Kriminellen natürlich Chancen, die sie nie bekommen sollten.

Müssen wir uns von der Idee smarter Geräte verabschieden, ist Industrie 4.0 tot?
Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit, die neue Infrastruktur so aufzubauen, dass sie wirklich sicher ist. Das Internet ist über Jahre gewachsen, aber Sicherheit war nie ein notwendiger Teil des Internets. Daraus müssen wir lernen und das Internet der Dinge anders aufbauen.

Mehrere Großkonzerne in verschiedenen Ländern sind erneut von einer Cyber-Attacke betroffen. Bereits vor gut einem Monat hatten Hacker mit dem Trojaner "WannaCry" weltweit einen Angriff auf Computernetze gestartet.

Wie könnte das funktionieren?
Es fängt mit Ausschreibungen an. Wenn Regierungen oder Städte Großprojekte vergeben, muss der Sicherheitsaspekt ein wichtiger Teil dieser Ausschreibungen sein. Kosten dürfen nicht im Vordergrund stehen. Ein Beispiel: Schon wenn bisherige Straßenlaternen mit smarten LED-Leuchten ersetzt werden sollen, müssen diese ausreichend gesichert sein. Natürlich, wenn eine Stadt Millionen Euro für hunderttausende Geräte ausgeben muss, dann machen schon drei bis vier Cent Preisunterschied für sicherere Laternen einen enormen Unterschied. Aber nur so können wir ein System aufbauen, das von Grund auf sicher ist und ein Vertrauen in die Technologie schafft.

Und wenn Städte oder Unternehmen nicht bereit sind, diese Zusatzkosten zu tragen?
Wenn wir es nicht schaffen, Sicherheit als neuen Standard zu etablieren, wird es in ein paar Jahren wirklich ungemütlich.

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