Verbot von VPN-Verbindungen China dreht das freie Internet ab

VPN-Verbot: China dreht Unternehmen das freie Internet ab Quelle: dpa

China verschärft seine Internet-Zensur: Bald könnten VPN-Zugänge verboten werden, über die geblockte Seiten zugänglich waren. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Ausland haben dann ein Problem.

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Die Frist rückt näher: Noch zwei Wochen, dann verlieren sämtliche Unternehmen in China den Zugang zum freien Internet. Denn zum 1. Februar werden einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge alle unlizenzierten VPN-Verbindungen in China verboten. Bisher erlaubten die sogenannten Virtual Private Networks (VPN) Nutzern nämlich, das abgeriegelte Internet der Volksrepublik zu umgehen, indem sie statt mit einer chinesischen mit einer ausländischen Landeskennung im Netz surften. Doch mit dem Verbot sind künftig nicht nur die meisten Chinesen vom Rest der digitalen Welt abgeschottet – sondern auch ausländische Firmen und deren Mitarbeiter in China (Expats).

Schon jetzt mehren sich die Anzeichen für die Stilllegung der VPN-Zugänge. Im Dezember beschwerte sich die Europäische Union schriftlich, dass zwei europäischen Botschaften in China im Herbst die VPN-Zugänge abgeschaltet wurden.

Ein IT-Dienstleister, der mehr als 30 deutsche Unternehmen betreut, berichtet ähnliches über seine Kunden. Einem sei sogar das Internet geblockt worden, weil er laut China Telecom eine VPN-Alternative genutzt habe. Auch die „Financial Times“ berichtete kürzlich von fünf ausländischen Unternehmen, deren Betriebs-VPNs gestört oder gar stillgelegt worden waren.

Keiner der oben beschriebenen Fälle will namentlich genannt werden. Zu groß ist die Angst vor Repressalien durch die Behörden. Man wolle auch künftig noch Geschäfte in China machen, heißt es regelmäßig.

Firmen nutzen VPNs, um sich in ihr Intranet einzuwählen oder ihre Kommunikation vor Dritten zu schützen. Sensible Daten wie Gehaltsabrechnungen, Baupläne, Strategiegespräche können so übermittelt werden, ohne mitgelesen zu werden. Privatpersonen können damit auf Google, Facebook und Twitter surfen. Es ist die einfachste und preiswerteste Methode, um an ungefilterte Nachrichte zu kommen – Zugänge die normalen Chinesen schon seit Jahren verwehrt sind.

Künftig wird der Freiraum immer enger. Denn die chinesische Regierung will ihre digitale Sphäre vollkommen kontrollieren können – sowohl ökonomisch, kulturell, technologisch wie auch politisch. Wer sich in China aufhält, muss dem chinesischen Gesetz folgen – im analogen wie auch digitalen Leben. Staatspräsident Xi Jinping hat für diese Politik einen eigenen Begriff geprägt: „Cybersouveränität“.

Gemeint ist damit beispielsweise, dass Webseiten Such- und Filterkriterien an chinesische Anforderungen anpassen müssen. Wer nicht Folge leistet, wird geblockt: So ist etwa Google seit 2010 in China nicht erreichbar. Mit dem Cyber-Sicherheitsgesetz, das im vergangenen Sommer in Kraft trat, werden unter anderem die ausländischen Firmen dazu verpflichtet, ihre Daten in China zu speichern. Sollte die Sicherheitsbehörde anfragen, müssen sie diese ihr auch zur Verfügung stellen. Wer mit „kritischer Infrastruktur“, wie zum Beispiel Energieversorgung, Transport oder Finanzen zu tun hat, muss nun staatlich geprüfte IT-Produkte erwerben.

Im Januar 2017 veranlasste die chinesische Regierung, das Internet bis März 2018 von freien Zugängen ins Internet zu „säubern“ – dazu zählen auch die VPN-Leitungen, die für „grenzüberschreitende Geschäfte“ genutzt werden. Fast alle kommerziellen chinesischen VPN-Dienstleister sind schrittweise abgeschaltet worden. Allein der amerikanische Tech-Gigant Apple entfernte im vergangenen Jahr insgesamt 674 VPN-Zugänge, die in der China-Zentrale genutzt wurden.

Künftig sollen die Firmen eine staatlich genehmigte Software nutzen. Die damit anfallenden Kosten liegen bei mehreren Tausend Euro im Monat. Und der Schutz vor dem Einblick oder gar einem Eingriff des Staates ist damit nicht gewährleistet. Alternativen wie Standleitungen von Drittanbietern nach Hongkong sind ähnlich teuer. Bei Leitungen mit einer Bandbreite von zwei Megabit pro Sekunde – gerade schnell genug für E-Mails, für Bilder schon zu langsam – müssen Nutzer mit monatlichen Kosten von fast 1300 Euro rechnen. Schnellere Verbindungen kosten deutlich mehr.

Ein IT-Dienstleister mit jahrzehntelanger Erfahrung in China sagt, große Unternehmen hätten durchaus das Know-how und die Ressourcen, um die große chinesische Firewall auch weiterhin zu umgehen. Doch für kleine und mittelständische Unternehmen sei der Wegfall der VPN-Kanäle eine echte Belastung – und in einigen Fällen ein Grund, den Standort zu wechseln.

Denn welcher Mitarbeiter wolle etwa noch aus Deutschland in ein Land versetzt werden, wo er noch nicht einmal mehr Kontakt mit Familie und Freunden halten könne, weil Facebook, WhatsApp und Skype geblockt seien. Nachdem viele Expats China wegen der schlechten Luft verlassen haben, könnten nun diejenigen folgen, die die digitalen Einschränkungen nicht mehr hinnehmen wollen.

Auch die deutsche Botschaft weist darauf hin, dass die Sorge deutscher Unternehmen über die unklare Rechtslage und schwer kalkulierbare zusätzliche Kosten wachse. Sorge würden zusätzlich offene Fragen über mögliche Risiken im Bereich Datensicherheit und Schutz von Geschäftsgeheimnissen bereiten. Doch wiederholte Anfragen der Botschaft um Gesprächstermine mit Entscheidungsträgern auf der chinesischen Seite seien bislang ergebnislos geblieben.

Es scheint, als wolle die chinesische Regierung die ausländischen Unternehmen bewusst im Unklaren lassen. Keine Kanzlei, keine Beratungsfirma, keine Organisation, keine diplomatische Vertretung weiß Genaueres. Auch das Datum 1. Februar ist keineswegs gesichert, eine offizielle Äußerung gibt es nicht. Chinesische Funktionäre zucken nur mit den Achseln. Alle nicht vom Staat lizenzierten VPNs würden dieses Jahr auf jeden Fall stillgelegt werden, sagen sie hinter vorgehaltener Hand. Aber wann genau, wüssten sie auch nicht. Nur eins ist sicher: Wer sich für den digitalen Blackout nicht wappnet, sitzt im chinesischen Netz fest.

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