Brexit-Folgen für Mittelständler "Mit dem Brexit tritt sofort volle Besteuerung ein"

Viele Mittelständler mit Großbritannien-Geschäft ahnen noch nicht, welche Steuerprobleme der Brexit bringen kann. Matthias Krämer, Steuerrechtsanwalt in der Frankfurter Kanzlei GGV, warnt vor bösen Überraschungen.

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Matthias Krämer. Quelle: PR

WirtschaftsWoche: Herr Krämer, nachdem die britische Premierministerin Theresa May den vollständigen Austritt aus dem Europäischen Wirtschaftsraum angekündigt hat, sind Hoffnungen, Großbritannien wolle eine Zugehörigkeit ähnlich wie Norwegen – als „EWR-light“ - nicht mehr realistisch. Dann wären die britischen Beteiligungen deutscher Unternehmen nicht mehr durch die EU-Grundfreiheiten steuerlich besser gestellt. Was sind die Konsequenzen?
Matthias Krämer: Damit entfällt für manche betriebswirtschaftlich begründete Unternehmensentscheidung die Geschäftsgrundlage. So können zum Beispiel zukünftig Gewinne von UK-Tochtergesellschaften nicht mehr steuerfrei nach Deutschland ausgeschüttet werden, wo sie zumeist nur noch einer Besteuerung von rund 1,6 Prozent unterliegen.

Was wird stattdessen fällig?
Der britische Fiskus erhebt eine Quellensteuer von 5 Prozent. Diese Steuer ist endgültig, kann also nicht mit deutschen Steuern verrechnet werden und ist damit eine betriebswirtschaftlich voll wirksame Mehrbelastung.

Angenommen, die britische Regierung erließe zwecks Förderung der heimischen Wirtschaft neue Gesetze gegenüber Ausländern. Wäre das die Lösung?
Auch nicht wirklich, denn das würde jedenfalls nicht für Dividendenausschüttungen aus Deutschland gelten. Deutschland hat kein Interesse, auf die doppelbesteuerungsrechtlich festgeschriebenen Quellensteuer zu verzichten und wird sie auf Ausschüttungen deutscher Tochtergesellschaften britischer Mutterunternehmen erheben.

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Könnte es auch rückwirkend noch böse Überraschungen für deutsche Unternehmer geben?
Es wird häufig übersehen, dass es auch zu einer Nachversteuerung bereits abgeschlossener Unternehmensumstrukturierungen kommen kann. EWR-Länder wie UK profitieren am EU-Binnenmarkt auch dadurch, dass die Verlagerung von Unternehmensteilen in ihr Land je nach Gestaltung entweder komplett steuerfrei war oder zum Beispiel die deutsche Besteuerung auf fünf Jahre verteilt werden konnte. Mit dem Brexit ist Großbritannien aber plötzlich ein Drittstaat und die Voraussetzungen entfallen. Damit tritt sofort die volle Besteuerung ein.

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Was heißt das konkret?
Wird beispielsweise im Jahr 2017 ein Patent auf eine UK-Gesellschaft übertragen, mit dem das Unternehmen im Jahr eine Million Euro Gewinn bei einer Restlaufzeit von 15 Jahren gemacht hat, dann werden im Jahr 2019 – dem Jahr des angepeilten Brexits – rund 2,9 Millionen Euro deutsche Steuern fällig. Sie wären sonst erst über die nächsten Jahre verteilt angefallen und belasten nun sofort die Liquidität.

Und was bedeutet der Brexit für Firmen, die mit Unternehmensteilen oder dem kompletten Sitz nach Großbritannien übersiedelnd oder dort fusionieren wollen oder bereits haben?
Das wird noch gravierender: Konnte bislang davon ausgegangen werden, dass diese Transaktion ohne Besteuerung abgewickelt werden kann, kann es nun zu einer einmaligen Nacherhebung von bis zu rund 220% des jährlichen Unternehmensgewinns kommen!

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Was tun?
Unternehmen sollten überprüfen, ob sie in den letzten Jahren solche Überführungen von Unternehmensvermögen vorgenommen haben. Falls ja, sollten sie erwägen, vor Wirksamkeit des Brexits eine Repatriierung vorzunehmen. Oder man richtet seine Hoffnung darauf, dass der deutsche Finanzminister Milde walten lässt – wie immer die dann aussieht.

Könnte auch die EU Milde walten lassen?
Dafür müsste die EU den Briten steuerlich einen privilegierten Status zuerkennen, etwa wie anderen EWR-Staaten wie Norwegen, Island, Liechtenstein. Oder der deutsche Fiskus setzt unilateral im Bereich der Ertragsteuern so genannte Vertrauensschutz-Regeln in Kraft, zum Beispiel in dem trotz Brexit keine Steuerentstrickung unterstellt wird. Allerdings würde dies Überwachungsmöglichkeiten voraussetzen.

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