Digitale Transformation Wie der deutsche Mittelstand zur Elite aufschließen kann

Vielen Mittelständlern in Deutschland machen die neuen IT-Technologien Angst, zeigt eine neue Studie. Dabei zeigen einige, wie der Wandel gelingen kann.

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Deutschlands steile Lernkurve bei der digitalen Transformation. Quelle: Illustration: Mark Conlan

Männer wie Jürgen Mangelberger sind in Deutschland selten: Aus dem Acht-Mann-Elektromeisterbetrieb mit einer Handvoll örtlicher Kunden im fränkischen Städtchen Roth, den sein Vater noch führte, hat er in nicht einmal zwei Jahrzehnten einen global agierenden Hersteller von Elektroschaltanlagen geformt. Ein gutes Produkt allein reichte für solch einen Aufstieg nicht. „Ich musste mehr bieten, um die Manager von Starbucks und McDonald’s davon zu überzeugen, mit einem kleinen Mittelständler wie uns Geschäfte zu machen“, sagt Mangelberger, „musste etwas riskieren.“

Unternehmen in der Schockstarre

Schon Ende der Neunzigerjahre, als das Schlagwort der Digitalisierung noch nicht die Runde in der Wirtschaft machte, begann Mangelberger, die Schalt- und Lichtanlagen via Internet mit der Firmenzentrale zu verbinden, um bei Störungen aus der Ferne rasch die Ursachen ermitteln zu können. Inzwischen beschäftigt Mangelberger mehr als 70 hoch qualifizierte Fachkräfte, darunter fast ein Fünftel Ingenieure. Und draußen in der weiten Welt – von Sydney über New York bis London – steuern nun Restaurantketten und Lebensmitteldiscounter ihre Kühltruhen, Klimaanlagen und Kassen mit der Technik aus der deutschen Provinz.

Vom Aufstieg des fränkischen Unternehmers könnten deutsche Mittelständler viel lernen. Denn noch fremdeln die meisten im Land der Ingenieure und Tüftler mit der neuen Welt von Vernetzung, datengetriebenen Geschäften und dem Internet der Dinge. Einer Welt, in der nicht mehr nur die Menschen, sondern auch Maschinen und Produkte pausenlos miteinander kommunizieren – und daraus auch eigene Schlüsse ziehen. Statt die Herausforderungen energisch anzugehen, wartet das Gros der Unternehmen ängstlich ab. Und riskiert so, den Anschluss zu verlieren. Das ist das Ergebnis einer Studie zum Digitalisierungsgrad im Mittelstand, jenem für Deutschlands Wohlstand so wichtigen Teil der Wirtschaft, die die Unternehmensberatung McKinsey exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat.

Die Untersuchung hat aus Sicht von Niko Mohr, Digitalisierungsexperte und Partner von McKinsey in Düsseldorf, zwar auch Hoffnungsvolles hervorgebracht. „Es gibt innovative Vorreiter, die mit internationalen Konzernen und erst recht mit Mittelständlern in anderen Ländern mithalten können und diese sogar übertreffen.“ Aber sie hat noch mehr Erschreckendes zutage gefördert.

„Viele Mittelständler schauen der digitalen Revolution noch tatenlos zu und gefährden so ihr Geschäftsmodell und ihre bisherige Stärke.“ Gerade einmal zu 10,5 Prozent schöpfen die untersuchten Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 100 Millionen und zwei Milliarden Euro ihr digitales Potenzial aus. In der deutschen Gesamtwirtschaft liegt diese Quote mit 10,0 Prozent sogar noch darunter. Grund sind die zahlreichen Kleinstfirmen, die noch weniger digital sind als der Mittelstand und den Wert trotz einiger vorbildlicher Dax-Konzerne runterziehen.

Als Maßstab haben die Berater die IT- und Telekommunikationsbranche in den USA genommen, die 100 Prozent ihres digitalen Potenzials nutzt. In die Analyse fließen Ausgaben für IT, die Nutzung neuer Technik in internen Prozessen und bei Kundeninteraktionen sowie der Digitalisierungsgrad der Arbeitsplätze ein. „Da der Mittelstand in anderen Ländern keine große Rolle spielt, haben wir dort die Gesamtwirtschaft als Vergleichsmaßstab herangezogen“, sagt Mohr.

Die deutschen Mittelständler, sonst fast immer fortschrittlich, hängen damit weit hinter der US-Wirtschaft zurück, die von Internetkonzernen wie Google und Facebook getrieben wird. Die junge Internetbranche konnte ohne Ballast starten, deutsche Familienbetriebe müssen den Wandel meistern. Der Exportweltmeister zehrt vor allem von altem Ruhm. Statt bei der vierten Technologierevolution nach Dampfkraft, Fließbandfertigung und Computer vorne mitzumischen, erreichen die Deutschen nicht einmal den europäischen Durchschnitt von zwölf Prozent. „Da ist viel Luft nach oben“, resümiert Mohr.

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