Und dann wäre da noch der drittgrößte Markt: Großbritannien. Welche Handelshemmnisse drohen mit dem Brexit, wenn das Vereinigte Königreich nicht länger Teil des EU-Handelsraums bleibt? Schon jetzt halten sich deutsche Unternehmen mit neuen Investitionen zurück.
Auch Russland macht es für die Deutschen nicht besser. Erst im März hat die EU ihre Sanktionen in Folge der Ukraine-Krise um weitere sechs Monate verlängert. Das trifft nicht nur russische Unternehmen, sondern auch deren deutsche Zulieferer, vor allem aus dem Bergbau und der Landmaschinentechnik.
In tuto sieht die IKB für 41 Prozent aller deutschen Maschinenexporte ein erhöhtes Prognoserisiko.
Vorsprung durch Technik
Wie sollen die die deutschen Maschinenbauer darauf reagieren? „Vorsprung durch Technik“ lautet seit Jahrzehnten die Standardantwort. Aber haben sie den wirklich noch? Und wenn ja, wie lange?
Professor Matthias Putz kennt ihre Stärken und Schwächen nur zu gut. Auch die unternehmerischen Eitelkeiten und politischen Hindernisse, die die Technologieführer zunehmend ausbremsen. Er leitet den Wissenschaftsbereich für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU am Chemnitzer Fraunhofer Institut.
Zunächst lobt er aus Überzeugung: „Bei Werkzeugmaschinen, Autozulieferern, technischen Textilien oder der Papierindustrie sind die Deutschen sehr, sehr gut.“ Dann holt er tief Luft und es folgt das eindringliche Aber: „Wir entwickeln zu lange. Uns fehlen regionale und nationale Strategien um die Wertschöpfungsketten besser zu nutzen. Wir brauchen zu lange, um nationale Strategien zu entwickeln und uns in Deutschland und der EU zu verknüpfen. Die große Gefahr ist schon da: Andere Nationen sind längst schneller.“
Auch beim Top-Thema Industrie 4.0 mahnt der Experte: „Wir erheben nicht mal alle Daten um davor konkurrenzfähig zu sein. Industrie 4.0 bedeutet: Aus Daten werden Informationen, wird Wissen, wird Geld. Und wenn sich am Ende kein Geld damit verdienen lässt, ist es nicht 4.0.“
Alle Beteiligten wissen das längst. Doch auch hier gilt: Es herrscht verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre. „Ob Industrie 4.0 für Deutschland ein Erfolg wird, ist ganz klar eine Frage des Generationenwechsels“, analysiert Putz, „die Entscheider im Maschinenbau sind 50 Jahre und älter, hochintelligent und arbeiten sich vorbildlich in alles ein. Aber sie haben die Digitalisierung nicht im Blut.“
Dies und mangelnde Risikobereitschaft teilten sie mit an den Fördertöpfen sitzenden Politikern. „Während die ganze Welt schneller wird, haben sich die Entscheidungswege in Deutschland verlängert. Das ist extrem gefährlich: Eine gute Idee wird in Deutschland erst mal zwei Jahre lang von Gremien bewertet.“
Auch zum Thema neue Standards spricht der Weitgereiste Klartext: „Typisch deutsch fordern viele Unternehmen: Erst sollen doch mal die anderen in Vorleistung gehen! Aber Standards werden von Industrien und Märkten gesetzt, schauen Sie auf Amerika!“
Oder auf die täglich wachsende Konkurrenz aus China. Dort trifft eine junge, hungrige Ingenieursgeneration, zunehmend auch praktisch statt theoretisch ausgebildet, auf politische Unterstützung und Töpfe voll Geld. Und die Produktionsnachteile, die die Chinesen jetzt noch haben, holen sie durch schnellere Softwareentwicklung und -anwendung gerade auf.