Experten sprechen schon lange über das Thema, bereits in den 90er-Jahren gab es Experimente mit Datenbrillen – für die Rechenleistung musste allerdings ein Rucksack voller Technik herumgetragen werden. So richtig Fahrt nimmt das Thema erst jetzt auf. „Vieles steht noch am Anfang“, sagt Forscher Bockholt. „Aber der Schritt von der Forschung in die echte Anwendung ist getan.“
Die Liste der Industrieunternehmen, die Anwendungen planen oder gestartet haben, ist lang: Salzgitter stellt gemeinsam mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau auf der Cebit einen Augmented-Reality-Schutzhelm vor. Porsche arbeitet an einem AR-System für Werkstatt-Mitarbeiter. Thyssen-Krupp stattet seine Servicetechniker mit Datenbrillen aus, um die Zeit für die Wartung von Aufzügen zu verkürzen.
„Fernwartung mit Datenbrillen ist ein Thema, das gerade für sehr viele Unternehmen interessant ist“, sagt Steffen Beilmann vom IT-Dienstleister Computacenter. Denn viele Unternehmen haben Niederlassungen auf der ganzen Welt – aber nur wenige Experten für die komplexen Maschinen. „Der Kollege, der in China ein Problem mit der Maschine hat, setzt die Datenbrille auf – und der Experte in Deutschland sieht live mit“, sagt Beilmann. „Er kann dann Anweisungen geben und Informationen ins Blickfeld des Kollegen einblenden.“
Für virtuelle Realität gibt es verschiedene Brillen
Und für den nächsten ähnlichen Problemfall kann alles aufgezeichnet werden. „Solche Anwendungen setzen viele Unternehmen bereits um“, sagt Beilmann. Zum Einsatz kommen Datenbrillen wie etwa Google Glass oder Modelle der Firmen Epson oder Vuzix. „Wir sprechen hier von Assisted Reality, eine Art Vorstufe zur Augmented Reality.“
Getrieben ist der Trend von immer besserer Hardware, speziell sogenannten Head-Mounted-Displays (HMD), also am Kopf getragenen Ausgabegeräten. Für die virtuelle Realität gibt es schon seit einiger Zeit verschiedene Brillen, etwa von der Facebook-Tochter Oculus, von HTC oder von Samsung. Für die erweiterte Realität hat Microsoft vor kurzem einen Meilenstein gesetzt. Das Modell Hololens kann deutlich mehr als bisherige Datenbrillen – und gilt als verhältnismäßig angenehm zu tragen.
„Die Hololens ist die erste Brille, die auch in der Industrie breite Akzeptanz findet“, sagt Dirk Schart, Sprecher des Unternehmens Reflekt aus München, das VR- und AR-Lösungen unter anderem für Bosch, Trumpf und Range Rover entwickelt hat. Konkurrenz kommt aus dem Silicon Valley: Das Start-up Meta liefert seit kurzem sein neues Modell aus. Und mit Spannung wird erwartet, was das von Google mitfinanzierte Unternehmen Magic Leap bald vorstellt.
Bei vielen Anwendungen ist die Software noch der Knackpunkt. Schart formuliert das Ziel: „Unternehmen müssen möglichst einfach eigene Modelle in die AR-Welt laden können. Am besten direkt aus den schon vorliegenden Konstruktionsdaten.“ Eine solche Software habe Reflekt entwickelt. „Solche Systeme sind notwendig, damit die virtuellen Modelle nahtlos in die vernetzte Dokumentation eingebunden sind.“
Ein virtueller Zwilling des Produkts, der von der Planung bis zum Kunden im System verfügbar ist – das ist auch die Vision bei Weidmüller. Dabei sind Schnittstellen die Herausforderung. „Noch gibt es Stellen, an denen Informationen von Hand eingescannt werden müssen“, sagt Weidmüllers Digitalisierungsleiter Bök. „Daher ist unser erklärtes Ziel, analoge Prozesse so weit wie möglich auf null zu reduzieren.“