Clemens Tönnies wirkt angeschlagen. Über Nacht scheint er um Jahre gealtert. Mit der freudigen Botschaft, die der Chef des milliardenschweren Tönnies-Konzerns an diesem Freitagvormittag in einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Firmensitz in Rheda-Wiedenbrück mitteilen möchte, hat das freilich nichts zu tun. Eher mit seinem Nebenjob.
Keine 12 Stunden vorher hatte der Boss des Bundesligisten Schalke 04 das bittere Ausscheiden seiner Königsblauen in der Europa-League in der heimischen Veltins-Arena miterleben müssen. Und damit haben die ehemals verfeindeten Familienmitglieder gleich eine Gemeinsamkeit: Auch Robert Tönnies ist Schalke-Fan und wirkte an diesem Morgen etwas geknickt.
Seit Jahren streiten sich die beiden Tönnies-Gesellschafter vor Gericht. Dieser Streit soll nun ein Ende gefunden haben. Alle Vorwürfe seien ab sofort gegenstandslos, heißt es in einer gemeinsam veröffentlichten Presseerklärung. Demnach haben sich Clemens (60) und Robert (38) gemeinsam mit Maximilian Tönnies (26), dem Sohn von Clemens Tönnies, auf eine Neuordnung der Tönnies-Gruppe und der Zur Mühlen Gruppe geeinigt. Damit sind auch die gerichtlichen und sonstigen Auseinandersetzungen beigelegt.
„Mit unserem Einigungsvertrag ziehen wir einen Schlussstrich unter die Vergangenheit und richten unseren Blick gemeinsam auf eine erfolgreiche Zukunft von Tönnies. Wir bündeln unsere Kräfte, um unser gemeinsames Unternehmen mit einer Neustrukturierung fit für die Zukunft zu machen“, sagen Clemens und Robert Tönnies. Die Einigung steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Kartellbehörden.
Das sagen die Streithähne zum Tönnies-Frieden
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass wir uns heute einmal nicht im Gerichtssaal treffen müssen, sondern in der Zentrale des Konzerns, für den ich zu 50 Prozent die Verantwortung trage. Ich freue mich aber auch, dass ich neben meinem Onkel und Mitgesellschafter Clemens Tönnies sitze und wir beide uns darauf geeinigt haben, ab jetzt gemeinsam an einem Strang zu ziehen und unsere vereinten Kräfte für die Fortentwicklung unseres Unternehmens einsetzen. Ich bin sehr froh, dass wir damit endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen. Ihm will ich auch meinen Dank dafür aussprechen, dass er unser Unternehmen in den letzten 20 Jahren so erfolgreich geführt und nach vorne gebracht hat.
Sie können sich sicher vorstellen, dass auch für mich die vergangenen fünf Jahre nicht einfach waren; ich will aber auch darauf verweisen, dass wir unsere familiären Meinungsverschiedenheiten konsequent aus dem Unternehmen herausgehalten haben, was die breite Öffentlichkeit nicht wirklich mitbekommen hat: Trotz aller Auseinandersetzungen haben mein Onkel Clemens und ich die ganz zentralen Weichenstellungen des Unternehmens gemeinsam und einvernehmlich getroffen. Das Ergebnis kann sich ganz sicher sehen lassen.
In solch unternehmerisch schwierigen Zeiten ist man auch auf gute Berater angewiesen. Ich möchte daher als erstes meinen ganz besonderen und persönlichen Dank an Jens-Uwe Göke aussprechen. Ursprünglich war er der Steuerberater unserer Familie; heute ist er zu einem engen Vertrauten und guten Freund geworden. Er hat die letzten fünf Jahre immer an meiner Seite gestanden. Und ohne ihn wäre eine solche Lösung, wie wir Sie jetzt haben, nicht möglich gewesen.
Danken will ich auch unseren weiteren Beratern, die in monatelangen, konstruktiven Verhandlungen die Einigung zum Erfolg geführt haben.
Hervorheben möchte ich Herrn Nottbrock und auf anwaltlicher Seite die Herren Dr. Rellermeyer, Dr. Gröblinghoff, Dr. Bürgers und Kollegen. Ohne Disziplin, einen guten Teamgeist und den Willen zum Ergebnis ist ein solches Projekt kaum zu bewältigen.
Ich danke daher auch meinem Onkel Clemens, den Tönnies-Geschäftsführern und den vielen Mitarbeitern, die vor allem in den letzten Monaten durch integres Verhalten, Diskretion und konstruktive Mitarbeit ihren Beitrag zum heutigen Ergebnis beigesteuert haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Heute ist ein guter Tag!
Nach insgesamt sechs Jahren Differenzen zwischen den Gesellschaftern haben wir – das bedeutet mein Mitgesellschafter Robert Tönnies, mein Sohn Maximilian als Gesellschafter der Zur Mühlen Gruppe, und ich - uns auf eine Neuordnung der Tönnies-Gruppe mit Integration der Zur Mühlen Gruppe geeinigt.
Mit der Einigung auf diese Aufstellung verbunden ist die Beilegung aller gerichtlichen und sonstigen Auseinandersetzungen. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe sind damit ebenfalls gegenstandslos.
Zusammengefasst bedeutet das: Wir haben uns geeinigt und unseren Streit beendet!
Diese Nachricht ist für unser Unternehmen vielleicht die beste Nachricht, die es je gab.
Im Kern haben wir gemeinsam beschlossen:
Wir werden auch in Zukunft ein Familienunternehmen sein. Beide Gesellschafterstämme haben 50 Prozent Anteile und damit gleich viele Stimmrechte.
Wir werden unsere Unternehmensgruppe weiter entwickeln, um den bestehenden Erfolg zu sichern und auszubauen. Das tun wir in Zukunft als Lebensmittelproduzent, der neben den Aktivitäten der Tönnies-Gruppe nun auch die der Zur Mühlen Gruppe mit verantwortet.
An der Spitze des Unternehmens stehen die Vertreter der Familie.
Uns zur Seite steht ein Beirat, der uns in strategischen Fragen unterstützt und, sollte es je zu keiner einstimmigen Entscheidung der Gesellschafter kommen, auch eine Pattsituation auflösen kann.
An der Spitze der operativen Sparten stehen die Geschäftsführer, die seit Jahren erfolgreiche Arbeit leisten und unser vollstes Vertrauen haben.
Meine Damen und Herren,
Die Lebensreife mit über 60 Jahren führt dazu, Dinge differenzierter zu sehen und so manches auch zu relativieren. So bin ich überzeugt, dass der Friede für die Zukunft unseres Unternehmens das höchste Gut ist. Und diesen Frieden haben wir jetzt erreicht!
Ich bin froh, dass in den vergangenen Monaten verantwortungsvolle Berater und Anwälte mit der Thematik befasst waren, die ihre Aufgabe in der Befriedung unseres Unternehmens gesehen haben.
Die vergangenen sechs Jahre waren geprägt durch Misstrauen, viele Missverständnisse, und eine damit verbundene öffentliche und mediale Diskussion um unsere Differenzen.
Aber: Wir blicken heute nach vorne.
Es gibt nur Gewinner durch diese Einigung. Unser Unternehmen, die Mitarbeiter, und die Region.
Ich bin froh, dass mein Mitgesellschafter Robert Tönnies und ich diese gemeinsame Lösung gefunden haben.
Eine Lösung, die unserem Unternehmen eine gute Zukunft verspricht. Eine Lösung, die ALLE strittigen Fragen umfasst und ALLE Streitigkeiten beendet.
Zugleich bin ich überzeugt, dass wir mit der zukünftigen Aufstellung weiterhin so erfolgreich sein können und werden, wie wir das in den letzten Jahren und Jahrzehnten waren.
Ich bedanke mich bei allen, die an dieser Einigung mitgewirkt haben.
Und ich freue mich darauf, die nächsten erfolgreichen Jahre bei Tönnies auch persönlich weiter mit zu gestalten.
Die Neuordnung des Tönnies-Konzerns werde von sieben wichtigen Eckpfeilern getragen, hieß es am Freitagmorgen. Unter dem Dach der künftigen Tönnies Holding werden in neustrukturierten Sparten alle bisherigen Aktivitäten der Tönnies Gruppe und der Zur Mühlen Gruppe integriert und weiterentwickelt. An der Tönnies Holding sind die Gesellschafterstämme Clemens Tönnies und Robert Tönnies gleichberechtigt beteiligt. Clemens Tönnies behält also seine 50 Prozent am Konzern. Im Gegenzug bringt er seine privaten Beteiligungen, die Zur-Mühlen-Gruppe um den Würstchenhersteller Böklunder, in den gemeinsamen Konzern ein. Robert Tönnies, der zuletzt aus dem Unternehmen und den Leitungsgremien herausgedrängt worden war, rückt in einen neu formierten Beirat ein.
Durch die Zusammenführung des Schlacht-Giganten Tönnies (Umsatz: 6,3 Milliarden Euro) mit dem Wurst-Riesen Zur Mühlen (Umsatz: 1 Milliarde Euro) entsteht ein neues Super-Unternehmen. Die Zur Mühlen Gruppe ist eines der führenden Unternehmen der Wurstbranche in Europa. Zu ihr gehören beliebte Wurst-Marken wie Böklunder, Könecke, Redlefsen, Schulte und Plumrose. In Deutschland ist die Unternehmensgruppe Marktführer bei Wurst- und Wurstkonserven in Selbstsbedienung. Hinzu kommen die privaten Aktivitäten von Maximilian Tönnies. Max hatte in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls Wurstfirmen wie DöllingHareico, Nölke (Gutfried) und Hochwald mit der Marke Poppenburger auf eigene Rechnung gekauft.