GKV Die Krankenkassen schwimmen im Geld

Gesundheitsminister Gröhe hat den Koalitionsvertrag abgearbeitet. Dabei hat er den Krankenkassen neue Kosten aufgeladen. Wegen der guten Konjunktur rächt sich das erst nach der Wahl.

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Dank der gut laufenden Wirtschaft und etlicher Zuwanderer nehmen die Krankenkassen reichlich Geld ein. Quelle: dpa

Dank der gut laufenden Wirtschaft und etlicher Zuwanderer nehmen die Krankenkassen reichlich Geld ein. Deshalb wird der Beitrag für die rund 72 Millionen gesetzlich Versicherten im kommenden Jahr wohl nicht steigen. Das sagte die Chefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Doris Pfeiffer, in Groß Behnitz. "Für 2018 rechnen wir nicht damit, dass der durchschnittliche Kassenbeitrag erhöht wird." Die Einnahmen stiegen stärker als die Ausgaben. Dazu trügen auch eine große Zahl Zuwanderer bei, die neue Kassenmitglieder seien.

Pfeiffer sagte, allein 2016 seien rund 480.000 Männer und 310.000 Frauen neu in die Kassen dazu gekommen. Das seien vor allem jüngere Zuwanderer aus der EU, die zum Arbeiten nach Deutschland kämen, außerdem seien es Flüchtlinge, die nicht auf Hartz-IV angewiesen seien, und Wechsler aus der Privatversicherung. Deshalb würden die gesetzlich Versicherten in letzter Zeit im Schnitt nicht mehr älter. "Diese neuen Mitglieder nehmen weniger Leistungen in Anspruch als Gleichaltrige in der gesetzlichen Krankenversicherung." Sie schätzt, dass eher Gesündere zum Arbeiten kämen und vielleicht auch das Gesundheitssystem noch nicht so kennen würden. Über Einnahmen und Ausgaben für Flüchtlinge, die von Hartz-IV-Leistungen abhängen, machte sie trotz Nachfrage keine konkreten Angaben. Diese große Gruppe dürfte für die GKV nicht kostendeckend sein.

Die Kassen schwimmen im Geld, weil so viele Menschen wie noch nie arbeiten und dabei Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Für die Krankenkasse wird aktuell im Schnitt 15,7 Prozent des Gehalts fällig. Doch obwohl einzelne Kassen ihren Satz etwas senken könnten, tun sie das nicht. Hat ihnen doch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit einigen Gesetzen zusätzliche Milliardenkosten beschert, die nach der Bundestagswahl dafür sorgen dürften, dass die Kassen wieder zusätzliche Einnahmen brauchen.

Die größten Krankenkassen

Für Gröhe ist die Situation vor der Bundestagswahl vorteilhaft. Er hat wenig Gegenwind von Kassen, Ärzten oder Apothekern zu fürchten. Stabile Beiträge sorgen auch dafür, dass die Forderung von SPD, Grünen und Linkspartei weniger greift, die zurück zur Parität wollen. Dann würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder hälftig den Beitrag zahlen und höhere Kosten teilen. Zurzeit ist festgelegt, dass Arbeitgeber nur 7,3 Prozent Kassenbeitrag überweisen, alles darüber und alle Beitragssteigerungen werden vom Gehalt Einzelner abgezogen.

Gröhe hat anders als fast alle Gesundheitsminister vor ihm keine Spargesetze durchgesetzt. Unter Gröhe wurden allerdings Entscheidungen getroffen, die viel kosten. So gibt es in einigen Regionen zu viele Krankenhäuser mit hohen und deutlich steigenden Kosten. Durch seine Klinikreform kommen neue hinzu. Ein Palliativgesetz bringt zusätzliche Ausgaben. Ungebremst steigen auch die für Medikamente und Arzthonorare - ohne dass damit eine bessere Versorgung für Versicherte verbunden wäre. So blieb die Pharmaindustrie von neuen Einsparungen verschont. Die lange verschleppte Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt nur schwer voran.

Die Chefin der gesetzlichen Kassen Pfeiffer kritisierte: "Es hat eine ganze Reihe teurer Reformen in dieser Legislaturperiode gegeben." Zugleich sei wenig geschehen, um das System effizienter zu machen. "Nur weil die Beiträge stabil sind, heißt das noch nicht, dass alles was ausgegeben wird, auch sein muss." Die Ausgaben pro Kopf stiegen mehr als drei Prozent. Das werde durch die gute Konjunktur zurzeit noch ausgeglichen. Aber: "Vor Jahren wären solche Steigerungen noch Horrorwerte gewesen."

Ende März hatten die 113 Kassen beinahe 17 Milliarden Euro Reserven – bei rund 230 Milliarden Euro Gesamtkosten in diesem Jahr. Einzelne Kassen dürften im laufenden und im kommenden Jahr allerdings gezwungen sein, ihren Beitrag zu erhöhen.

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