Versicherungen Wie Inga Beale Lloyd's gegen den Brexit absichert

Inga Beale ist Chefin des ältesten und größten Spezialversicherers der Welt – und muss Lloyd's nun durch die Veränderungen durch den Brexit führen.

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Quelle: Chris Gloag für WirtschaftsWoche

Es gibt da diese kleine Anekdote über Inga Beale. Sie liegt ein paar Jahre zurück, erklärt aber, wie die Chefin des weltgrößten Spezialversicherers Lloyd’s of London tickt. Beale war damals seit Jahren in der Finanzsparte von General Electric, eingesetzt in London. Nun hatte sie die Chance, in der Versicherungssparte des Konzerns Karriere zu machen, allerdings in Missouri, amerikanisches Hinterland. „Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich einließ“, sagt die Britin heute. Sie ging trotzdem. Zum Abschied bastelten ihr die Kollegen ein Buch mit Bildern der Filmmagierin Dorothy Gale. Die entdeckt, gewappnet mit knallroten Slippern, ständig neue Welten. Den Kopf der Dorothy überkleben die Kollegen mit Fotos von Beale.

Die nahm das als Ansporn, entspannt an die neue Aufgabe in der ungewohnten Weltecke zu gehen.

Drei Dinge erzählt das über Beale: Die Frau schlägt sich gerne durch unbekanntes Terrain; sie hat einen sehr offensiven Karrieregeist. Und ohne Zwischenmenschliches fehlt ihr das Umfeld für Topleistungen. Das war offenbar in Missouri gegeben. Denn der Schritt erwies sich als Grundstein für eine außergewöhnliche Karriere, die Beale mittlerweile auf den wohl extravagantesten Posten der weltweiten Versicherungswirtschaft geführt hat: Heute leitet Beale den mit Abstand größten und ältesten Spezialversicherer der Welt: Lloyd’s of London. 330 Jahre Geschichte. Fast 34 Milliarden Euro Prämiensumme. Lloyd’s ist dabei kein echtes Unternehmen sondern eine Versicherungsbörse.

Quelle: Chris Gloag für WirtschaftsWoche

Hier bilden Makler und Geldgeber Konsortien und Syndikate und verschaffen Kunden so Schutz gegen sehr spezielle Risiken. David Beckham versicherte bei Lloyd’s seine Beine, Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards seine Finger.

Und Inga Beale ist die Frau, die das Traditionshaus nun in ein neues Zeitalter führen muss. Denn die gesamte Versicherungswirtschaft steht vor den wohl dramatischsten Umbrüchen der vergangenen Jahrzehnte. Niedrigzinsen, politische Unsicherheit und der Brexit quälen die Branche. Doch Beale ist sich sicher, dass sie es kann. So wie sie es gegen alle Wahrscheinlichkeiten schaffte, in der männerdominierten Versicherungswirtschaft nach oben zu kommen, möchte sie es nun gegen alle Wahrscheinlichkeiten schaffen, ihr Unternehmen durch die Wirrnisse dieser Zeit zu navigieren.

Ein Julitag, London. Beale hat sich gerade die neueste Bevölkerungsstatistik für London angesehen. 8,8 Millionen Menschen leben jetzt in der britischen Hauptstadt, im Vergleich zum Vorjahr wieder ein kleines Plus. „London ist immer noch eine der aufregendsten Städte der Welt“, freut sich die Lloyd’s-Chefin. Ihr Blick streift durch die bodentiefe Glasfront ihres Büros über die Dächer der Stadt: Baukräne funkeln in der Nachmittagssonne, Blechlawinen in den Straßen; unten, winzig klein, hetzen Anzugträger durch die Hochhausschluchten.

Und doch ist in Beales Stadt seit dem Brexit-Votum fast nichts mehr, wie es mal war. „Alle blicken mit Sorge in die Zukunft“, sagt Beale, die mit Sorge in die Zukunft blickt. Das Lachen versiegt. Ernste Miene. Dann zählt die 54-Jährige auf: Versicherer, Banken, Broker. Alle, die durch ihren Herzug die City einst reich machten, haben ihre Notfallpläne in der Schublade. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, wird für die meisten von ihnen ein individueller Lexit folgen, der Auszug aus London. Beale selbst eröffnet für Lloyd’s gerade eine Dependance in Brüssel. Von dort aus wird der größte Spezialversicherer der Welt dann sein Geschäft mit Kunden in der Europäischen Union betreiben.

Beales Finger wandern durch eine Broschüre mit vielen Zahlen und Grafiken. Die Lloyd’s-Chefin referiert: Etwa 35.000 Spezialisten arbeiten in London für Lloyd’s, rund zehn Prozent steuert der Versicherer zur Wirtschaftsleistung der britischen Hauptstadt bei. Wenn Lloyd’s wegen des Brexits Aktivitäten in andere Länder verlagert, trifft das London. Doch der geplante EU-Austritt schlägt auch auf die Bilanz des Traditionsversicherers durch. „Die Vorbereitungen kosten viel Geld“, sagt Beale.

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