Krise als Lebensaufgabe Schluss mit selbstinszeniertem Scheitern

Wir Deutschen tun uns mit dem Scheitern schwer, sagt man. Doch mancher gefällt sich als Retter und Krisenmanagers - so wie Matthias Härzschel. Er machte Scheitern zur Passion. Auf Dauer tat ihm das nicht gut.

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Scheitern und wieder aufstehen. Quelle: Marcel Stahn

Matthias Härzschel kreiert sich immer wieder sein Scheitern. Der erfolgreiche Sportökonom war Geschäftsführer bei zwei Handball-Bundesligisten (Damen und Herren) und einem Fußball-Zweitligisten (Herren). Er trieb mit viel persönlichem Einsatz Sponsoren auf und sorgte für eine gute finanzielle Basis der Profiteams. Doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere kommt der Knick. In beiden Fällen quittiert er den Job und steht vor einem emotionalen Neuanfang. Einmal ist es Ärger mit dem Präsidenten. In einem anderen Fall, die Forderung des Verwaltungsrats nach mehr Kommerz bei einem Kinderprojekt, das der 40-Jährige als Lizenz-Nehmer vorantreibt. „Es scheint wie verhext zu sein“, resümiert der ehemalige Zweitliga-Tennisspieler aus Leipzig.
„Mit Hexerei hat das wenig zu tun“, erläutert Manuel Marburger. Der Hesse coacht Härzschel und geht mit ihm Stationen seiner Biografie durch, die ursächlich für sein selbstinszeniertes Scheitern sein könnten. Gemeinsam finden sie ein Motiv.

Die Rolle als Retter gefiel ihm gut

„Härzschel gefällt sich in der Rolle des Krisenmanagers – darin ist er sehr erfolgreich“, erklärt Marburger. Solange er sinnbildlich Leben retten kann – etwa bei einem abstiegsbedrohten Verein – erfüllt ihn die Arbeit. Verändert sich dieses Szenario, weil etwa genügend Sponsorengelder eingesammelt sind und das Feld bestellt ist, zieht der studierte Sportmanager die Reißleine und kündigt.

Sportökonom Härzschel kündigte immer dann, wenn es bei einem Verein wieder gut lief. Quelle: Presse

„Ich bin jedes Mal in ein Loch gefallen“, erinnert sich Härzschel. Eine Woche in einem Yoga-Camp zusammen mit seiner Frau, richten den Vater dreier Kindern wieder auf. Die Innenschau wirkt. Zumindest kurzfristig. Denn auf den umtriebigen Manager wartet schon die nächste Aufgabe. „Zeit zum Innehalten nehme ich mir sehr selten“, gesteht er sich in den Gesprächen mit Berater Marburger ein.

Nach einem weiteren Ausstieg lernt Härzschel, sich zu hypnotisieren. Auch das wirkt beruhigend auf den Macher. „Es hat mir gut getan“, räumt er unumwunden ein. Doch nach wenigen Wochen lässt er die Technik schleifen. Hört am Ende ganz damit auf. Und schliddert erneut in seine Rolle als Macher, der wortlos geht – statt anzuhalten und zuzuhören.

Für Marburger sind solche, sich wiederholende Szenarien Alltag. Der Coach baute eine eigene Firma für Industriekletterer auf, die er vor zwei Jahren mit einem Millionengewinn verkaufte. Auch engagiert er sich für Männerarbeit, ist zwei Jahre Bundesvorstand des Mankind-Projects (MKP) und saniert in dieser Zeit ehrenamtlich den Verein.
„Suche Hilfe, um Muster zu erkennen und aufzulösen“, nennt er die Strategie, um sich nicht immer wieder an ähnlichen Situationen aufzureiben. Mit dieser These ist der Gründer der Unternehmensberatung muve nicht alleine. Hirnforscher Gerhard Roth sagt in einem Zeitungsinterview: „Ohne Hilfe von außen ist es so gut wie nicht möglich, die Persönlichkeit in größerem Umfang gezielt zu ändern“.

Manchmal braucht es einen Tritt in den Hintern

Gestützt wird das durch eine Studie von Harvard-Wissenschaftlern: Um das Verhalten zu ändern, bedarf es oft persönlicher Krisen wie Krankheit, Scheidung oder Jobverlust. Marburger ist pragmatischer. Er nennt das: „Einen Tritt in den Hintern.“ Denn aus seiner Sicht wäre es schlimm, wenn sogenannte „teachable moments“, in denen wir mit alten Gewohnheiten brechen, nur stattfinden können, wenn zuvor ein Tsunami durchs Leben fegt.

von Lin Freitag, Katharina Matheis, Daniel Rettig

Auf ein stürmisches Wochenende stellt sich Matthias Härzschel schon ein: Im Juli will er auf der bayerischen Bettenburg ein MKP-Initiationswochenende für Männer besuchen. „Ich denke, dort werde ich die Ursache für mein wiederkehrendes Verhalten erkennen können“, so der Sport-Manager. Sein Ziel ist, diese Blockade anschließend aufzulösen. Berater Marburger hat ihn dazu ermutigt.

„48 Stunden Selbstreflektion können sehr eindrücklich sein“, sagt er. Wichtig sei jedoch die Nachsorge. Die bietet ihm Marburger, der darauf drängt, dran zu bleiben, um nicht auszubrennen. Denn noch einmal möchte Härzschel nicht von vorne beginnen. Seit drei Jahren ist er Geschäftsführer bei Expika, einer Agentur, die Kampagnen zur ganzheitlichen Entwicklungsförderung konzipiert. 1000 Ernährungsworkshops in Kindergärten und 300 Projekttage zur Bewegung in Grundschulen stehen für dieses Jahr auf dem Programm – da will der Macher mit Herzblut dabei sein.

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