Machtforschung Die Lehre von Aufstieg und Fall
Lust auf Einfluss? Wer an die Macht will und sie auch behalten möchte, sollte einige Tipps befolgen.
Chef respektieren
Wer sich bei seinem Vorgesetzten ins Abseits befördern will, sollte ihn in einer Besprechung oder Konferenz rhetorisch übertrumpfen – und unbedingt klüger oder witziger wirken. Niemand. Mag. Besserwisser. Vorgesetzte erst recht nicht. Die Psychologen Nathanael Fast von der Universität von Southern California und Serena Chen von der Universität Berkeley liefern für dieses Gesetz eine wissenschaftliche Grundlage. Vor allem Mächtige reagieren demnach aggressiv, wenn sie mit der eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert werden. In ihren Studien versetzten die Forscher Menschen in einen Zustand, in dem sie sich inkompetent fühlten. Während die Machtlosen dieses Gefühl nicht veränderte, wurden die Mächtigen rachsüchtig. Sie neigten dann eher dazu, Untergebene einem schmerzhaften, lauten Geräusch auszusetzen oder ihnen schaden zu wollen. Allzu devot und duckmäuserisch gerieren sollte man sich aber auch nicht. Wer Ambitionen hegt und nach Höherem strebt, darf seine Kompetenz ruhig zur Schau stellen – solange der Chef dadurch nicht dumm dasteht.
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Umfeld wählen
Menschen umgeben sich gerne mit Mächtigen – in der Hoffnung, dass deren Glanz auf sie abstrahlt. Das funktioniert tatsächlich. Die Psychologen Noah Goldstein und Nicholas Hays versetzten Teilnehmer ihrer Studien an der Universität von Kalifornien in Los Angeles in eine Situation, in der sie mit vermeintlich mächtigeren Personen verhandeln mussten. Selbst kleinste Machtunterschiede zwischen den Verhandlungspartnern führten dazu, dass sich die Teilnehmer nach der Interaktion mit den Einflussreicheren mächtiger fühlten als zuvor.
Diesen Mechanismus beobachteten die Forscher aber nur bei Männern. Anscheinend empfinden sie Macht im Schnitt immer noch als erstrebenswerter und reagieren deshalb bereits auf kleine Unterschiede.
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Sprache beachten
„Gib einem Menschen Macht“, schrieb US-Präsident Abraham Lincoln im 19. Jahrhundert, „und du erkennst seinen wahren Charakter.“ Tatsächlich konnten Psychologen den Macht-Mechanismus inzwischen in zahlreichen Experimenten bestätigen. Auf Macht gepolte Probanden sind impulsiver, hinterhältiger und risikofreudiger.
Außerdem setzen sie sich eher über Normen und Regeln hinweg. Lautes Auftreten, unfreundliches Abkanzeln: Bei Mächtigen wird es fast erwartet. Dieses Wissen kann man strategisch einsetzen – um anderen vorzugaukeln, man sei mächtig. Etwa durch Sprache. Die Managementforscherin Cheryl Wakslak von der Universität von Southern California weiß aus mehreren Studien: Es reicht nicht, die richtigen Themen mit den richtigen Menschen zu besprechen – man sollte es in möglichst abstrakten Worten tun. Deshalb sprechen Manager lieber von „notwendigen Umstrukturierungen“ als von 1000 entlassenen Mitarbeitern. Skurriler Nebeneffekt: Wer so formuliert, gilt als bessere Führungsperson. Denn abstrakte Sprache signalisiert, dass jemand das große Ganze im Blick hat und sich in den Niederungen des Tagesgeschäfts nicht aufhält. Genau das erwarten Menschen von Anführern.
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Verbündete statt Freunde
Echte Freundschaften im Büro sind selten, das weiß inzwischen auch Georg Thoma. Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, holte den befreundeten Anwalt in das Kontrollgremium – nur um ihn im Mai 2016 zum Rücktritt zu bewegen. Psychologen warnen daher, dass das Verhältnis zum Kollegen immer auf einer Art ungeschriebenem Vertrag beruht: Ich helfe dir und du hilfst mir – aber im Zweifel kämpft jeder für sich. Das Problem der Mächtigen ist, dass sie diese Regel oft vergessen. Im einen Moment sind sie umgeben von loyalen Alliierten, im nächsten drängt einer der vermeintlichen Verbündeten auf den Thron. Wer mächtig ist, gibt sich dieser „Illusion of Alliance“ eher hin, fanden Sebastien Briona von der IESE Business School in Barcelona und Cameron Anderson von der Haas School of Business in Berkeley heraus. Die Forscher analysierten Dutzende gefühlter Freundschaften und konnten zeigen: An der Macht bleiben nur jene, die ihre Netzwerke taktisch klug nutzen.
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Etikette missachten
In der Konferenz lieber E-Mails zu lesen statt dem Vortrag des Angestellten zu lauschen – höflich ist anders. Hinderlich ist es aber nicht, wenn sich Führungskräfte über die Regeln des guten Benehmens hinwegsetzen. Das fand der niederländische Sozialpsychologe Gerben van Kleef an der Universität von Amsterdam in einer Studie heraus. Er konfrontierte Hunderte von Teilnehmern mit Situationen, in denen sie das Verhalten anderer Menschen bewerten sollten. Manche traten dabei rüpelhaft auf, andere höflich und nett. Die Regelbrecher hinterließen dabei jedes Mal einen größeren Eindruck als die, die nach den Regeln spielten. Die Probanden trauten ihnen eher zu, im wahren Leben Entscheidungsträger zu sein, Einfluss zu haben, Autorität zu genießen oder Personalverantwortung zu haben. „Regelbrecher wirken mächtiger“, schreibt van Kleef, „weil sie den Eindruck hinterlassen, als könnten sie sich alles erlauben.“
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Kompetenz statt Wärme
Macht hat man nur dann, wenn andere sich unterordnen. Besonders häufig kommen diejenigen in die Herrscherrolle, die bei ihren Mitmenschen den Eindruck von Kompetenz erwecken. Dazu muss man aber nicht unbedingt besonders schlau sein oder viel wissen, wie unter anderem die Psychologin Teresa Amabile herausfand. Sie ließ eine Reihe von Freiwilligen Buchrezensionen analysieren, die dann einschätzen sollten, ob die Verfasser fachkundig wirkten. Das Ergebnis verewigte sie im Titel ihrer Studie: „Grausam, aber brillant“. Ausgerechnet die kritischen und negativen Rezensoren wirkten besonders kompetent. Ähnliches ergaben die Studien der Harvard-Psychologin Amy Cuddy. Demnach werden Menschen, die besonders vertrauensvoll wirken, von anderen als weniger fähig angesehen.
Ein sympathisches Auftreten fördert vielleicht die Beliebtheit – dem Machtzuwachs ist es abträglich.
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