Studie zur Konjunktur Wirtschaftsgesetze top, Nachwuchs flop

Wirtschaftsprüfer bewerten die heimische Ökonomie: Deutschland landet nach einer Studie im oberen Mittelfeld. Viel positiver bewerten die Experten die wirtschaftlichen Bedingungen. Die Befragten sehen aber auch Probleme.

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Gut aufgestellt: Nach einer Studie liegt die deutsche Unternehmenskultur über dem EU-Durchschnitt. Quelle: dpa

Darüber freut sich jeder Unternehmer: billige Kredite, effektive Wirtschaftsgesetze und ein gutes Bildungssystem. Genau das ist es, was 107 Wirtschaftsprüfer aus Deutschland laut einer Umfrage hierzulande positiv bewerten. Genauso wie die staatlichen Rahmenbedingungen und die Unternehmenskultur. Die Befragung war Teil einer erstmals erscheinenden Studie eines Netzwerkes von Wirtschaftsprüfern, „RSM“, die „Handelsblatt Online“ exklusiv vorliegt. „RSM“ berät vor allem mittelständische Firmen in rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen.

Im Sommer befragten Mitarbeiter der Unternehmerhochschule „Bits“ im Auftrag von RSM Wirtschaftsprüfer aus 13 EU-Mitgliedsstaaten und Norwegen über die dortigen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Unternehmenskultur der jeweiligen Länder. Gelobt wird Deutschland in der Studie vor allem für seine effektiven Wirtschaftsgesetzte. 77 Prozent der deutschen Wirtschaftsprüfer sind mit der Gesetzgebung zufrieden. Im EU-Schnitt äußerten sich nur 20 Prozent der Befragten positiv über die Rechtslage.

Ein weiterer Pluspunkt für die deutschen Unternehmen ist die gute Verfügbarkeit von Bankkrediten. Dies gilt allerdings nicht für die Risikofinanzierung. Dort liegt Deutschland laut der Studie im EU-Schnitt. In Krisenländern wie Spanien und Griechenland ist es schwierig an neue Kredite zu kommen. „Je höher das Vertrauen der Akteure einer Volkswirtschaft zueinander ist, desto einfacher ist es für die Unternehmen Kredite zu erhalten“, sagt Michael Vogelsang, VWL-Professor an der Bits und Koordinator der Studie. Dieses Vertrauen der Banken in die Unternehmen sei nach der Rezension in den beiden Ländern noch nicht wieder da.

Die zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt

Die Wirtschaftsprüfer beobachten bei deutschen Unternehmen unterschiedliche Strategien, je nachdem, ob die Firma global oder nur national aktiv ist. International tätige Unternehmer agieren offensiver. so die Studie. Das bedeutet, sie setzen auf Wachstum, steigern ihre Marktanteile und entwerfen neue Produkte. In anderen EU-Staaten ist das genauso. Es gibt noch einen weiteren Unterschied in den Strategien von international und national aktiven Firmen. Deutsche Unternehmen, die ihre Produkte weltweit verkaufen, setzten eher auf Qualität als auf den Preis als Verkaufsargument. Bei Firmen mit nationalem Fokus gibt es keine eindeutige Zuordnung.

Frankreich ist ein Verlierer der Studie

Eine andere Erkenntnis der Studie ist, dass deutsche Unternehmer gerne initiativ sind: Sie entwerfen lieber neue Produkte als sie zu imitieren. Deshalb legen sie auch wert auf die Forschung. Obwohl die deutschen Firmen lieber agieren als reagieren, meiden sie das Risiko.

Die guten Rahmenbedingungen und die deutsche Unternehmenskultur führen laut der Studie im kommenden Jahr zu einem Wirtschaftswachstum zwischen 1,5 und 2,1 Prozent. Damit liegt Deutschland über dem EU-Schnitt. Außerdem sagen die Wirtschaftsprüfer steigende Nettoinvestitionen bei den Unternehmern voraus und einen Anstieg des Leistungsbilanzkontos. Das bedeutet, dass Deutschland mehr Güter exportiert als es in das Land einführt. Außerdem meinen die Befragten, dass deutsche Unternehmer überdurchschnittlich gut in der Lage sind wirtschaftliche Krisen zu verkraften.

Starker Norden, schwacher Rest
Platz 81 - Griechenland:Griechenland ist am härtesten von der Euro-Krise getroffen worden – überwunden hat es sie noch lange nicht. Der griechische Gütermarkt liegt weltweit auf Platz 85, was zum einen an dem schwachen Wettbewerb liegt (Rang 71) und zum andern an dem unflexiblen Arbeitsmarkt (Rang 118). Nichtsdestotrotz fruchten die Reformen: Das Haushaltsdefizit hat sich verringert. Will Griechenland wieder wettbewerbsfähig werden, ist die Arbeit damit aber noch lange nicht getan. Griechenlands Institutionen sind nach wie vor ineffizient, ebenso die Regierung (Rang 129). Der Finanzmarkt hat sich von der Krise bis heute nicht erholt (Rang 130), genau so wenig der Bankensektor (Rang 141). Der Zugang zu Krediten gehört zu einem der größten Probleme der griechischen Wirtschaft (Rang 136). Die Innovationsfähigkeit Griechenlands (Rang 109) und das Bildungssystem (Rang 111) sind ebenfalls große Baustellen. Es ist noch viel zu tun. Quelle: dpa
Platz 49 - Italien:Weit vor Griechenland aber immer noch weit entfernt von einer Topplatzierung liegt Europas drittgrößte Volkswirtschaft: Italien. Die staatlichen Institutionen gelten als ineffizient (Rang 106) genau so wie die Arbeit der Regierung (Rang 143). Der Arbeitsmarkt ist unflexibel und trägt nicht zum Aufschwung bei (Rang 136). Auch finanziell läuft es in Italien nicht besonders gut. Die Unternehmen leiden nach wie vor unter den Schwierigkeiten, an frisches Geld zu kommen (Rang 139) und an den hohen Steuern (Rang 134). Italien hat Reformen dringend nötig, die helfen, seine guten Voraussetzungen zu nutzen. Es verfügt über starke Unternehmen (Rang 25), die ein nicht zu verachtenswertes Innovationspotenzial haben (Rang 39) und sich auf wettbewerbsintensiven Märkten messen (Rang 12). Solange Italien aber nicht die notwendigen Reformen umsetzt, wird es sein Potenzial nicht umsetzen können und weiter wenig wettbewerbsfähig sein. Quelle: dpa
Platz 36 - Portugal:Die Probleme der Banco Espirito Santo rufen den Portugiesen die beinahe überwunden geglaubte Finanzkrise zurück in die Erinnerung. Entmutigen lassen sollte sich das Land davon aber nicht. Ganze 15 Ränge ist es seit dem vergangen Jahr aufgestiegen, was zeigt, dass die ambitionierten Reformen wirken. Der Arbeitsmarkt ist flexibler geworden (Rang 119) – allerdings ist hier noch einiges zu tun. Weiter aufbauen kann Portugal auf seine starke Infrastruktur (Rang 18) und seine gut ausgebildeten Arbeitskräfte (Rang 29). Die Konzerne in Portugal haben allerdings nach wie vor ein Schuldenproblem (Rang 129), ebenso der Staat selbst (Rang 138). Der Finanzsektor hat sich bis jetzt nur minimal erholt (Rang 104), weswegen der Zugang zu Krediten weiter eingeschränkt ist (Rang 108). Der Arbeitsmarkt muss flexibler werden (Rang 40) und an der Innovationsfähigkeit muss auch weiter gearbeitet werden (Rang 37). Trotzdem sehen die Autoren Portugal auf einem guten Weg. Quelle: REUTERS
Platz 35 - Spanien: Auch Spanien loben die Autoren. Hier zeigen die Reformen erste Wirkungen. Das Haushaltsdefizit ist zwar nach wie vor hoch, aber gesunken (Rang 128). Der Finanzsektor ist robuster geworden (Rang 85), der Arbeitsmarkt flexibler (Rang 120) – in beiden Bereichen ist aber noch viel Luft nach oben. Die staatlichen Institutionen gelten als korrupt (Rang 80) und die Regierung als ineffizient (Rang 105). Trotzdem profitiert Spanien von seiner exzellenten Infrastruktur (Rang 6) und einer gebildeten Bevölkerung (Rang 8). Würde der Arbeitsmarkt besser funktionieren (Rang 120), könnte Spanien diese Potenziale noch weiter ausschöpfen. Auch das Innovationspotenzial Spaniens ist ausbaufähig (Rang 60) – zum Beispiel durch höhere Investitionen in die Forschung (Rang 52). Quelle: REUTERS
Platz 29 - Estland: Estland ist nicht nur eines der jüngsten Euro-Länder, sondern auch, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht, das stärkste osteuropäische Land. Das liegt vor allem daran, dass Estlands Arbeitsmarkt effizienter ist als der anderer Länder in der Region (Rang 11). Daneben glänzt Estland mit einem starken Bildungs- und Ausbildungssystem (Rang 20), was hoffen lässt, dass Estland sein Innovationspotenzial (Rang 30) weiter ausbaut. Auch in die Infrastruktur sollten die Esten laut den Autoren deutlich mehr investieren (Rang 38), denn sie liegt weit unter dem westeuropäischen Standards (Rang 58). Quelle: dpa
Platz 25 - Irland:Als Enda Kenny 2011 irischer Ministerpräsident wurde, hatte er alle Hand voll zu tun. Irland hatte die Finanzkrise übel mitgespielt. Immer noch ist die finanzielle Lage Irlands nicht gut und die Staatsverschuldung hoch (Rang 130). Dafür funktionieren der Güter- (Rang 10) und der Arbeitsmarkt (Rang 18) hervorragend, was sich auf lange Zeit auszahlen wird. Die Unternehmen sind innovativ (Rang 20) und technologisch gut ausgestattet (Rang 12). In Kombination mit dem exzellenten Bildungs- und Ausbildungssystem (Rang 8) und einer jungen Bevölkerung, werden diese Faktoren dazu führen, dass Irlands Wettbewerbsfähigkeit weiter zunimmt und weiter zu den führenden Euro-Staaten aufschließt. Quelle: dapd
Platz 23 - Frankreich:Europas zweitgrößte Volkswirtschaft bereitet den Europäern schon länger Sorgen. Als Frankreichs Präsident François Hollande gewählt wurde, versprach er den Umbruch: Er wollte Unternehmens-freundliche Reformen umsetzen, um Wirtschaftswachstum zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Auf Frankreichs Arbeitsmarkt hat sich bis dato allerdings wenig verändert (Rang 61, vorher: Rang 71). Die hohe Staatsverschuldung hat dazu geführt, das Frankreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft wurde. Nichtsdestotrotz besteht für Frankreich nach wie vor Hoffnung. Die Infrastruktur gehört zu den besten der Welt. Auch in puncto Bildung schneidet Frankreich gut ab, was Frankreich hohes technologisches Potenzial auch künftig befördern wird (Rang 17). Zudem bietet Frankreich ein gutes Umfeld für Innovationen. Trotzdem läuft etwas schief. Der Abstand zu Ländern wie Irland wird kleiner. Quelle: dpa

Die Wirtschaftsprüfer sehen aber auch Probleme für die deutsche Wirtschaft: Den Unternehmern fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. „Der Fachkräftemangel trübt das sonst gute Ergebnis der Unternehmenskultur in Deutschland“, sagt Warner Popkes, Sprecher der RSM Deutschland. Eine andere Baustelle sind die hohen Energiekosten in Deutschland. Auch der Konflikt um die östlichen Gebiete der Ukraine könnte der Wirtschaft schaden.

Deutschland liegt in der Studie bei der Unternehmenskultur im oberen Mittelfeld. Ganz oben befindet sich Schweden. Die Unternehmen sind investitionsfreudig und ihre Mitarbeiter kreativ. Die Wirtschaft profitiert von einer starken Binnennachfrage und niedrigen Zinsen auf Kredite. Außerdem loben die Wirtschaftsprüfer die Arbeitsmarktbedingungen. Die schwedischen Unternehmen exportieren Holzprodukte, Chemikalien, Autos sowie Eisen- und Stahlerzeugnisse.

Die Verlierer der Studie sind die Krisenländer Spanien und Griechenland. Aber auch Bulgarien und die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU, Frankreich, schneiden schlecht ab. Die EU-Kommission sagt für Frankreich im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent des BIPs voraus. 84 Prozent der befragten Wirtschaftsprüfer sind pessimistischer. „Das Wachstum in Frankreich ist träge und wird erst dann deutlich ansteigen, wenn es Strukturreformen gegeben hat“, sagt ein französischer Wirtschaftsprüfer. Die Reformen müsse es in den Bereichen Bildung, Steuersystem, Finanzierung und in den Unternehmen selber geben. Nur der Energiemarkt habe keine Probleme.

Frankreich kämpft mit einer hohen Arbeitslosigkeit. Jeder zehnte Franzose hat keinen Job, bei der Jugend ist es sogar mehr als jeder Fünfte. Lichtblicke sind der Tourismus und die international erfolgreiche Automobil- und Luftfahrtindustrie. Die Wirtschaftsprüfer warnen allerdings vor der geringen Initiative der Firmenvorstände: Dies macht sie anfällig bei Wirtschaftskrisen. 

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